Folge des Ukraine-Konflikts? Russland will bei Internationaler Raumstation aussteigen

Moskau · Steht der Außenposten der Menschheit vor dem Aus? Russland kündigt seinen baldigen Ausstieg aus dem Projekt einer Internationalen Raumstation an. Der Flug des Deutschen Alexander Gerst zur ISS soll aber wie geplant stattfinden.

Folge des Ukraine-Konflikts?: Russland will bei Internationaler Raumstation aussteigen
Foto: dpa, hpl vla lof cul

Russland will sein Engagement bei der Internationalen Raumstation ISS überraschend bereits 2020 beenden - und gibt stattdessen angeblich anderen Projekten im Kosmos den Vorzug. "Wir gehen davon aus, dass wir die ISS derzeit nur bis 2020 benötigen", sagte Vizeregierungschef Dmitri Rogosin am Dienstag der Agentur Interfax zufolge in Moskau. Russland schlage damit das Angebot der USA aus, den Außenposten der Menschheit mindestens bis 2024 weiterzubetreiben. Beobachter schlossen nicht aus, dass der Schritt auch eine Reaktion auf den erbitterten Ukraine-Konflikt sein könnte.

"Bedauerliche Entscheidung"

Ein hochrangiger westlicher Raumfahrtexperte, der namentlich nicht genannt werden wollte, bezeichnete die Entscheidung als "sehr bedauerlich". Rogosins Ankündigung kommt kurz bevor der Deutsche Alexander Gerst gemeinsam mit dem Russen Maxim Surajew und dem US-Astronauten Reid Wiseman am 28. Mai für ein halbes Jahr zur ISS fliegt. Von dort kehren an diesem Mittwoch drei Raumfahrer zurück.

Die USA hatten im Januar eine Finanzierung des bemannten Labors über 2020 hinaus zugesagt. Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hatte sich dafür offen gezeigt. Das DLR wollte Rogosins Aussagen zunächst nicht kommentieren.

Experten zufolge könnte die ISS bis 2028 genutzt werden. Sie kreist seit 1998 um die Erde und wird kontinuierlich ausgebaut. Das Zukunft des Projekts, das führend von Russland, den USA, der europäischen Weltraumagentur Esa sowie von Kanada und Japan betrieben wird, gilt nun als unsicher.

Russland will ohne Amerika weitermachen

"Wir wollen die Ressourcen auf andere perspektivische kosmische Projekte richten", sagte Rogosin. Die Raumfahrtbehörde Roskosmos werde die Pläne bald vorstellen. Rogosin schloss nicht aus, dass Moskau den russischen Teil der ISS nach 2020 allein weiterbetreiben werde. "Das russische Segment kann unabhängig vom amerikanischen existieren - aber das amerikanische nicht unabhängig vom russischen", sagte er. Roskosmos hatte kurz zuvor mitgeteilt, den russischen Teil bis 2018 von derzeit fünf auf sieben Segmente ausbauen zu wollen.

"Die USA brauchen Russland mehr als umgekehrt", sagte Rogosin. Er spielte damit darauf an, dass die USA nach dem Ende ihres Shuttle-Programms auf russische Sojus-Kapseln für den Transport von Astronauten zur ISS angewiesen sind. Pro Reise zahlt die Nasa umgerechnet rund 50 Millionen Euro. Ohne Russland müssten die USA ihre Astronauten "mit dem Trampolin zur ISS bringen", hatte Rogosin vor kurzem betont.

Auslöser Ukraine-Krise?

Wegen der Ukraine-Krise hatte die US-Raumfahrtagentur Nasa erst vor kurzem ihre Zusammenarbeit mit Roskosmos teilweise eingestellt. Bei dem mit Abstand wichtigsten Kooperationsprojekt, dem Betrieb der ISS, solle es jedoch keine Abstriche geben, hatte die Nasa betont.

Im Hinblick auf die jüngste Entwicklung seien die USA "als Partner unzuverlässig", sagte Rogosin. Er drohte zudem mit einem Lieferstopp russischer Raketentriebwerke an die USA. Notwendig sei eine Garantie, dass diese nur zum Start ziviler Satelliten verwendet würden.

Bereits in wenigen Tagen könnten alle Seiten in Berlin das weitere Vorgehen besprechen. Zur Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung ILA (20. bis 25. Mai) werden hochrangige Vertreter von Roskosmos, der Nasa und der europäischen Esa erwartet.

Roskosmos hatte mehrfach den Bau einer eigenen Basis im All ins Spiel gebracht. Dies gelte für den Fall, dass sich die traditionsreiche Raumfahrtnation nicht mit den bisherigen Partnern auf ein gemeinsames Vorgehen einige. 2001 hatte Russland seine aus Sowjetzeiten stammende Station "Mir" zielgenau im Pazifik versenkt.

(dpa)
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