Neues Leben in Weltall-Kolonie Rheinländer trainiert für Mars-Reise ohne Wiederkehr

Brüssel · Der niederländische Ingenieur Bas Lansdorp will 2024 die erste bemannte Mars-Mission starten und dort eine dauerhafte menschliche Kolonie aufbauen. Finanzieren will der findige Unternehmer das zum Großteil mit einer Reality-Show. In der engeren Auswahl der Kandidaten ist auch ein Rheinländer: Stephan Günther.

Stephan Günther will zum Mars fliegen
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Stephan Günther will zum Mars fliegen

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Schon als Kind spielte der Leichlinger Stephan Günther am liebsten Astronaut - in Raketen aus Pappkarton. Der Traum vom Flug ins All hat den Rheinländer seitdem nicht mehr losgelassen. Der 45-Jährige arbeitet als Fluglehrer und entwickelt Software: vom Space-Shuttle-Simulator bis zum Mars-Modell fürs Smartphone in 3D.

Mit dem Roten Planeten beschäftigt er sich derzeit besonders intensiv. Schließlich soll der in ein paar Jahren sein Zuhause werden. Der niederländische Ingenieur Bas Lansdorp will 2024 die erste bemannte Mars-Mission starten und dort eine dauerhafte menschliche Kolonie aufbauen. Kosten der Mission: mindestens sechs Milliarden Dollar.

Finanzieren will der findige Unternehmer das Ganze zum Großteil mit einer Reality-Show. Die Idee kommt passenderweise von "Big Brother"-Erfinder Paul Römer, der das Projekt unterstützt. Die Zuschauer sollen schon die Auswahl der Astronauten live verfolgen können — und später dann deren "All"-Tag auf dem Roten Planeten.

Ein Medienspektakel, das Jahre dauern soll

"Es wird das größte Medienspektakel, das je im Fernsehen gezeigt wurde", ist sich der 36-Jährige sicher. Er vergleicht sein Projekt gerne mit Olympia. Die Spiele in London hätten alleine durch den Verkauf von Fernsehrechten und Sponsorengeldern vier Milliarden US-Dollar eingebracht. Und "Mars one" dauert nicht nur ein paar Wochen, sondern Jahre.

Die Sache hat einen gewaltigen Haken. Der Holländer lässt einfach weg, was bislang als Haupt-Hürde für eine bemannte Mission zum Roten Planeten gilt: der Rückflug. Die Mars-Menschen sollen bis zu 400 Millionen Kilometer von der Erde entfernt leben - und sterben.

Dennoch haben sich 200.000 Menschen — die meisten aus China und den USA — für die Mission beworben. 1058 sind nach der Vorauswahl nun übrig. Stephan Günther ist einer von ihnen. Und er möchte als Raumfahrt-Pionier Geschichte schreiben - so wie einst Neil Armstrong mit seinem Schritt auf den Mond.

Seine Familie würde er verlassen - für immer

Günthers Mutter erzählt heute noch gerne, wie Klein-Stephan damals völlig fasziniert auf den Fernseh-Bildschirm starrte. "Es wäre mein absoluter Traum, auf dem Mars irgendeine Form von Leben zu entdecken", schwärmt der Vater dreier Kinder. Dafür ist er sogar bereit, seine Familie zurückzulassen. Als seine Frau Beate von der Bewerbung für Mars One erfuhr, drohte sie zunächst mit Scheidung. Mittlerweile unterstützt sie ihren Mann dabei, seinen Traum Wirklichkeit werden zu lassen.

Auf Günthers Schreibtisch im Büro steht ein 3D-Modell der geplanten Siedlung auf dem Roten Planeten. Die "Mars-Menschen" sollen in einer aufblasbaren Wohneinheit von rund 200 Quadratmetern leben - wovon ein Teil als Treibhaus für den Gemüseanbau gedacht ist. Die Pflanzen sollen aus Substrat gezogen und mit LEDs beleuchtet werden. Sportgeräte soll es ebenso geben wie Internet. Auch wenn eine Mail rund 20 Minuten bis zur Erde braucht.

Sauerstoff wollen die Missions-Planer aus dem Eis gewinnen, das unter der Marsoberfläche lagert. Strom sollen 3000 Quadratmeter Solarzellen liefern.
Eine vier Meter dicke Sandschicht über ihren Quartieren soll die Kolonisten vor Schäden durch kosmische Strahlung bewahren.

Durchschnittstemperatur auf dem Mars: minus 55 Grad

Denn die Konditionen auf dem Mars haben es in sich. Die Durchschnittstemperatur liegt bei 55 Grad unter Null. Die Atmosphäre besteht zu 95 Prozent aus Kohlendioxid. Gegen die Sandstürme auf dem Roten Planeten sind selbst die heftigsten irdischen Stürme wie laue Lüftchen.

Dennoch glaubt Mars-One-Gründer Bas Lansdorp fest, dass die Mission "technisch" machbar ist. Erfahrene Firmen wie Lockheed Martin und Surrey Satellite Technology (SSTL) erarbeiten gerade Konzeptstudien für die Erkundungsmission.

2018 sollen zunächst ein Roboterlandefahrzeug und ein Kommunikationssatellit starten. Mit dem unbemannten Rover soll erkundet werden, ob sich wirklich Wasser aus dem Marsboden gewinnen lässt. Der Satellit soll Live-Bilder der Mission zur Erde senden.
"Wir haben eine Mission entworfen, die nur auf Geräten beruht, die von Luft- und Raumfahrtunternehmen weltweit schon heute produziert werden", sagt Lansdorp.

Ein Beispiel: die vom Internet-Milliardär Elon Musk gegründete Firma SpaceX. Sie baut im Auftrag der Nasa Raketen und Transportkapseln zur Versorgung der Raumstation ISS. Lansdorp glaubt, dass diese sich in abgewandelter Form auch für eine bemannte Mars-Reise mit Landung eignen.

Ein Nobelpreisträger unterstützt die Mission

Unterstützt wird er von Physiknobelpreisträger Gerhard t'Hooft und dem Chef der niederländischen Raumfahrtgesellschaft Gerard Blaauw. Den erfahrenen Raumfahrt-Mediziner Norbert Kraft, der auch für die Nasa gearbeitet hat, konnte er als ärztlichen Direktor für Mars One gewinnen.

Gegner der Mission - wie Astronaut Ulrich Walter - gehen mit Mars One dagegen hart ins Gericht. "Die machen ihr Geld mit der Show. Was mit den Menschen im All passiert, ist ihnen völlig egal", sagt der Physiker. Nicht umsonst plane die Nasa den ersten bemannten Flug zum Mars erst für Mitte 2030. "Die Technologie ist einfach noch nicht so weit", so der Leiter des Lehrstuhls für Raumfahrttechnik an der TU München.
Er schätzt, dass die Mars-One-Crew lediglich mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 Prozent lebend auf dem Roten Planeten ankommt.

Stephan Günther lässt sich davon nicht beirren. Ethische Probleme sieht der Fluglehrer, der in Leichlingen und Bernburg lebt, im One-Way-Trip keine. "Es ist meine freie Entscheidung, mich auf dieses Wagnis einzulassen."

Der 45-Jährige wartet gespannt auf die nächsten Auswahl-Schritte. Um auf den idealen Body-Maß-Index zu kommen, hat Stephan Günther schon 17 Kilogramm abgenommen, treibt jeden Tag Sport.

Wer in die nächste Runde kommt, soll wohl noch 2014 in nationalen Casting-Shows entschieden werden. Aus dieser Crème de la Crème bilden Psychologen und Raumfahrtexperten dann zehn Viererteams. Diese trainieren ab 2015 vor laufender Kamera für ihr neues Leben— bis zum geplanten Start der Mission 2024.

Geht alles gut, betreten nach etwa sieben Monaten Flug die ersten vier Menschen den Mars. Stephan Günther ist fest entschlossen, dabei zu sein — und seinen Lebenstraum zu erfüllen. "Jede Zelle in mir sagt, Du musst da hin. Das ist meine Mission."

(ing)
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