Cern-Professor Lundua im Interview "Wir sind alle 13,7 Milliarden Jahre alt"

Düsseldorf (RP). Ende September wird der Superteilchenbeschleuniger LHC am europäischen Kernforschungszentrum Cern bei Genf anlaufen. Physiker erhoffen sich davon Erkenntnisse über die Struktur und den Ursprung der Materie. Nach einer kurzen Weihnachtspause wird der LHC dann durchgehend bis Herbst 2010 arbeiten.

Fragen und Antworten zum Teilchenbeschleuniger LHC
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Foto: CERN

Der deutsche Physiker Rolf Landua (54) ist Leiter der öffentlichen Fortbildung am Cern. Landua wird in der Evangelischen Stadtakademie über den Teilchenbeschleuniger und seine Arbeit dort sprechen. Wir sprachen mit ihm vorab über seinen Vortrag.

Was hat es mit dem Fehler auf sich, den die Physik-Studentin Xiaohang Quan von der Princeton Universität entdeckt hat?

Landua Der Bericht in der Studentenzeitschrift "Daily Princetonian" ist leider etwas verwirrend geschrieben. Zunächst einmal hat die Studentin keinen Fehler am LHC-Beschleuniger entdeckt, sondern in einem Computerprogramm eines Experiments. Es handelt sich dabei um eins von vielen Programmen, die für die Ereignisanalyse entwickelt wurden. Solche Programme werden nach und nach von Programmierfehlern befreit; es handelt sich bei der Entdeckung also nicht um ein ungewöhnliches Ereignis. Wichtig ist, dass dieses Analyseprogramm nicht das geringste mit der Funktion des LHC zu tun hat. Vielmehr wird es zur Erkennung von sogenannten "Jets" eingesetzt. Das sind Teilchenschauer, die in ähnliche Richtungen ausgesandt werden. Das Resultat des Programmierfehlers war, daß manche dieser Ereignistypen doppelt gezählt wurden, was zu einer falschen Bestimmung von Wirkungsquerschnitten geführt hätte.

Was genau untersuchen Wissenschaftler am Superteilchenbeschleuniger LHC?

Landua Alle Naturgesetze sind in Bruchteilen von Sekunden nach dem Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren entstanden. Damals wurden alle Teilchen produziert, aus denen unsere Materie besteht. Also alles das, was wir heute sehen und anfassen können und aus dem unsere Körper bestehen. Im Grunde genommen sind wir alle 13,7 Milliarden Jahre alt. Zumindest ungefähr.

Wie nahe kommen Sie dem Urknall mit dem LHC?

Landua Wir können Zustände erzeugen, wie sie ein paar Billionstel Sekunden nach dem Urknall herrschten. Das ist ein Faktor 100 Mal näher am Urknall als uns bisher möglich war. Das klingt nicht nach viel. Aber das Universum hat gerade ins einer Anfangszeit eine rasante Entwicklung hinter sich. Da ist das schon eine ganz gewaltige Zeitspanne.

Es geht beim LHC aber nicht nur um den Urknall...

Landua Wir suchen auch nach Spuren des Higgs-Bosons, das manchmal auch das 'Gott-Teilchen' genannt wird. Das Higgs-Boson könnte erklären, wie Teilchen zu ihrer jeweiligen Masse kommen. Bisher gibt es dazu nur theoretische Vorhersagen, aber entdeckt wurde es allerdings noch nicht.

Und was machen Sie, wenn sie es entdeckt haben?

Landua Wenn wir es entdecken und es sich genauso verhält wie vorher gesagt...dann können wir uns alle auf die Schulter klopfen und uns dafür loben, wie gut unsere Modelle sind. Aber wirklich gut wäre das nicht.

Wieso nicht?

Landua Weil dann immer noch viele Fragen zum Ursprung der Teilchenphysik offen blieben. Das ist so, als ob sie eines Morgens aufwachen und ein Sportwagen steht vor ihrer Tür mit steckendem Schlüssel. Das ist für den Moment ganz nett, aber irgendwann fragt man sich, woher das Auto eigentlich kommt. Warum es es gerade dieses Auto ist und kein Kombi oder eine Limousine? Wir suchen also Antworten nach dem Ursprung der Physik.

Sie erhoffen sich vom Teilchenbeschleuniger einen neuen Einblick auf das Universum?

Landua Wir stoßen mit dem LHC eine Tür auf, buchstäblich in eine neue Zeit und einen neuen Raum. Wir blicken hinein und sind gespannt, was wir dort finden werden. Was immer es ist, es wird uns helfen, das Universum besser zu verstehen.

Woher kommt diese Neugier?

Landua Vor 13,7 Milliarden Jahren entstand unser Universum und damit die Materie. Und heute ist diese Materie aus den Anfängen des Kosmos in der Lage, Gerätschaften zu bauen, um mehr über sich selbst und ihren Ursprung herauszufinden. Dieses Neugier ist zutiefst menschlich und hat die Philosophen seit Jahrtausenden bewegt.

Im Vorfeld des LHC gab es immer Warnungen von Nicht-Wissenschaftlern, dass es gefährlich sei, den Teilchenbeschleuniger in Betrieb zu nehmen.

Landua Ja, aber ich kann alle beruhigen. Was wir am LHC machen, passiert rein natürlich auch auf der Erde, durch die kosmische Höhenstrahlung, und zwar 100.000 Mal in der Sekunde mit deutlich höheren Energien. Und genauso werden andere Himmelskörper von dieser Strahlung getroffen — und trotzdem sind uns Erde, Sonne und Mond bisher nicht um die Ohren geflogen.

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