Sprechstunde Christoph Ploenes Wie Katheter verengte Blutgefäße weiten

Trickreiche Ärzte machen sich bei verstopften Adern modernste Medizintechnik zunutze.

Unser Leser Peter H. aus Neuss fragt: "Mein 58-jähriger Bruder hat mir erzählt, dass eine Durchblutungsstörung des Beines ohne Operation behandelt wurde – man habe nach lokaler Betäubung nur in die Leistenhaut gestochen. Wie kann denn so etwas funktionieren?"

christoph ploenes Lange musste man verschlossene Schlagadern über einen Hautschnitt freilegen, um ein Umgehungsgefäß anzulegen (Bypass) oder um sie zur Wiederherstellung des Blutflusses von innen auszuschälen. Dies war ausschließlich operativ und meist nur in Vollnarkose möglich. Als neue dünne und biegsame Kunststoffmaterialien entwickelt wurden, konnte man sich zwei einfache Prinzipien der Gefäßarchitektur zunutze machen. Erstens: Alle Schlagadern verzweigen sich aus einem Zentralgefäß, sind also miteinander verbunden. Somit erreicht man sie auch aus der Ferne mit flexiblen und schmalen Instrumenten. Zweitens: Die Schlagadern verlaufen an einigen Stellen oberflächlich direkt unter der Haut, so dass man sie dort leicht mit einer Nadel aufsuchen kann, fast wie bei einer Blutabnahme. Das geht in der Leistenregion, der Ellenbeuge und am Handgelenk. So legt man unter lokaler Hautbetäubung eine Kanüle (Schleuse) durch die Haut in die Arterie. Darüber löst man die Eintrittskarte für die Fahrt durch das Gefäßsystem bis zum Ziel. Man braucht als Fahrzeug einen biegsamen, fadenähnlichen Draht, den man über die Schleuse durch die Gefäßstraßen führt. Sichtbar macht man die Gefäße übrigens mit dem Röntgengerät, indem man Kontrastmittel in die Gefäße gibt. So kann man Verengungen (Stenosen) oder Verschlüsse von Gefäßen genau orten, zum Beispiel in den Beinschlagadern oder den Herzkranzgefäßen. Dies ist die Voraussetzung, um den Draht durch die Gefäßverengung in den wieder frei durchgängigen Gefäßabschnitt zu führen. Der Draht ist somit eine Art Führungsschiene. Über diese Schiene schiebt man nun einen langen, biegsamen, sehr schmalen Kunststoffschlauch (Durchmesser etwa ein bis zwei Millimeter), der an der Spitze mit einem Ballon ummantelt ist (Ballonkatheter). Dieser Ballonkatheter wird genau in Höhe der Gefäßverengung aufgeblasen (mit dem vielfachen Druck eines Autoreifens) und sprengt die Verengung auf. Oft wird gleichzeitig – mit Hilfe eines Katheters – eine Gefäßstütze (Stent) eingesetzt, die das Gefäß von innen offen hält und ähnlich aussieht wie die Feder eines Kugelschreibers. Es gibt eine Menge von Kathetern, konstruiert für bestimmte Gefäße und Aufgaben. Zum Beispiel können mit Kathetern auch Blutgerinnsel, die das Gefäß verstopft haben, durch Medikamente am Ort des Geschehens aufgelöst werden. Die Katheterbehandlung ist eine in der Regel gering belastende Behandlungsmethode, die in zunehmenden Maß Gefäßprobleme lösen kann, zum Beispiel bei diabetischen Patienten mit Wundheilungsstörung durch Gefäßverschlüsse auch im Unterschenkel und Fuß oder bei Erkrankungen der Herzkranzgefäße. Die Operation durch Gefäß- oder Herzchirurgie ist allerdings dadurch keinesfalls überflüssig geworden und bleibt Behandlung der Wahl bei langstreckigen und komplexen Gefäßerkrankungen.

Christoph Ploenes ist Chefarzt für Angiologie am Gefäßzentrum des Dominikus-Krankenhauses in Düsseldorf.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort