Graun/Zermatt Zwangsurlaub mit Lawinengefahr

Graun/Zermatt · In den Skiorten in den Alpen sitzen Tausende Touristen fest. In Südtirol mussten Hotelgäste evakuiert werden.

Bei zahlreichen Lawinenabgängen in den Alpen sind seit Montag nach ersten Erkenntnissen der Rettungsdienste keine Menschen zu Schaden gekommen. Zwar entspannte sich die Lage nach tagelangen heftigen Schnee- und Regenfällen gestern etwas - wegen der riesigen Schneemassen an den Hängen, die abzurutschen drohten, blieben in der Alpenregion aber viele Straßen gesperrt. In Zermatt in der Schweiz konnten Urlauber sich mit dem Hubschrauber ausfliegen lassen, die Bahnlinie blieb unterbrochen. In Südtirol sollten nach dem Abgang einer Lawine in Graun im Vinschgau 75 Gäste eines Hotels mit Hubschraubern in Sicherheit gebracht werden, wie die italienische Agentur Ansa berichtete. Das Hotel lag an den Ausläufern des Lawinenkegels. Es gab zunächst keine Berichte über Vermisste.

In Zermatt sind große Mengen Schnee "keine Sensation" mehr, wie eine Sprecherin von Zermatt Tourismus sagt. "Wir informieren unsere Gäste täglich mit unserem Live-Ticker im Internet. Das ganze Dorf arbeitet eng zusammen, Polizei, Feuerwehr, Pistenbetreiber." Am Montag konnten sich laut dem Live-Ticker die ersten 30 Urlaubsgäste mit einen Shuttle-Helikopter nach Täsch ausfliegen lassen, für 70 Franken. Gleiches galt für Anreisende, weitere Flüge gab es dann gestern wieder, Aufklärungsflüge und Lawinensprengungen gingen vor. "Für Notsituationen wie diese haben wir einen Krisenordner bei allen Behörden", sagt die Sprecherin. So wisse jeder, wie er sich zu verhalten habe, und was er beitragen könne. Am Montag wurden unter anderem 650 Bratwürste, 30 Liter Brühe, 60 Liter Glühwein und 100 Liter Tee kostenlos verteilt.

Auch im Schweizer Ort Andermatt geht man eher gelassen damit um, eingeschneit zu sein. "Wir sind entsprechend vorbereitet und ein Ende ist absehbar", sagt Tourismusdirektor Flurin Riedi. So sei man es in den Bergen gewohnt, dass ein Ort auch einmal nicht erreichbar sei und dementsprechend beispielsweise mit lebenswichtigen Lebensmitteln ausreichend ausgestattet. Die Lifte in den Skigebieten rund um Andermatt mussten am Montag laut Riedi teilweise komplett stillgelegt werden. Gestern habe der Betrieb aber langsam wieder gestartet, heute soll fast schon wieder Normalbetrieb herrschen. "Die Arbeiten sind in Gange, und wir erwarten für die kommenden Tage eine ruhige, zum Skifahren perfekte Wetterlage", so der Tourismusdirektor.

Skiurlauber, die aufgrund der Sperrungen nicht nach Hause und somit an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können, müssen aber vermutlich keine Abmahnung oder Kündigung deswegen befürchten, sagt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Auch wenn das sogenannte Wegerisiko immer beim Arbeitnehmer liege, müsse schon ein verschuldeter Vertragsverstoß vorliegen. Das heißt, wenn auf dem Weg zur Arbeit Schnee liege, müsse man eben zusätzliche Zeit dafür einplanen. Im Falle von Zermatt bedeutet dies, dass der Arbeitnehmer alle Möglichkeiten ausschöpfen muss, zurückzukommen. Er also zum Beispiel einen Flug mit dem Shuttle-Helikopter in Anspruch nehmen sollte. Fliegt der aber nicht, oder ist das Kontingent erschöpft, liege die Schuld nach der Einschätzung des Anwalts nicht mehr beim Arbeitnehmer. Hoffnung auf bezahlten Zwangsurlaub aller Eingeschneiten muss Bredereck aber eine Absage erteilen: "Wenn ich nicht arbeiten kann, gibt's auch kein Geld."

Das Schnee- und Lawinenforschungsinstitut in Davos nahm die Lawinenwarnungen für die gefährdetsten Regionen um eine Stufe zurück. Die Gefahr wurde aber noch als groß angesehen, genauso wie in Teilen Österreichs und Südtirols.

Im dem am Montag von der Außenwelt abgeschnittenen österreichischen Skiort St. Anton am Arlberg wurde die Straßensperre gestern aufgehoben. Zahlreiche andere Orte waren auch noch nicht wieder über Bahn oder Straße zu erreichen.

In vielen Skigebieten herrschte zwar Traumwetter, wie Webkameras mit Live-Übertragung zeigten. Allerdings musste die Gefahrenlage vielerorts noch abgeklärt werden.

(RP)
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