Port Vila Zyklon zerstört Inselstaat Vanuatu

Port Vila · Ein Wirbelsturm reißt im Südseestaat Häuser, Dächer und Bäume davon. Das Schicksal Zehntausender ist ungewiss

Wegen der gewaltigen Zerstörung durch Zyklon "Pam" hat die Regierung des pazifischen Inselstaates Vanuatu den Ausnahmezustand verhängt. Viele Schulen und Kliniken seien zertrümmert, berichtete Präsident Baldwin Lonsdale. 48 Stunden nach dem Durchzug des Zyklons war das Ausmaß der Katastrophe nicht annähernd abzusehen, auch die Zahl der Opfer blieb unklar. Aus Neuseeland und Australien landeten gestern Frachtmaschinen mit Hilfsgütern auf Vanuatus Hauptinsel Efate. Zwei weitere Hilfsflüge waren für heute geplant. "Unsere Hoffnung auf eine blühende Zukunft ist zerstört", sagte Lonsdale um Fassung ringend vor den Delegierten einer UN-Konferenz zur Katastrophenvorsorge in Japan.

Australien und Neuseeland sagten Millionenhilfe zu, ebenso die Vereinten Nationen und die Europäische Union. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) Christine Lagarde versprach schnelle, unbürokratische Hilfe, aber für später auch Unterstützung zum wirtschaftlichen Aufbau.

Die Behörden Vanuatus sprachen zunächst von acht Toten in der Hauptstadt Port Vila auf Efate. Doch mehrere Hilfsorganisationen rechnen mit sehr viel höheren Opferzahlen. Sie konnten bislang nur Teile der Hauptinsel in Augenschein nehmen, die meisten der 80 anderen Inseln mit mehr als 180 000 Einwohnern waren von der Außenwelt abgeschnitten. Sune Gudnitz, Chef des Pazifikbüros der UN-Nothilfekoordination (OCHA), sagte: "Vanuatu hat ein Desaster dieses Ausmaßes in seiner jüngeren Geschichte noch nicht erlebt." Mindestens 54 000 Kinder hätten laut Unicef unter den Folgen zu leiden.

Man habe bislang nur zu 13 von 80 Mitarbeitern Verbindung herstellen können, teilte World Vision mit. Der Kontakt zwischen der Hauptstadt und den entlegenen Inseln, die zum Teil direkt im Auge des Sturms gelegen hätten, sei nicht möglich. "Wir haben gehört, dass ganze Dörfer weggeblasen wurden", sagte Chloe Morrison vom Hilfswerk World Vision. "Der Wind war so stark, dass nur noch eine Trümmerlandschaft übrig geblieben ist."

Zyklon "Pam", einer der mächtigsten bekannten Zyklone, war in der Nacht zu Samstag über den Südpazifik gefegt. Der Wind wirbelte mit Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 300 Kilometern in der Stunde und riss alles mit. Zyklone, Taifune und Hurrikans bezeichnen alle gefährliche Wirbelstürme - sie heißen je nach Weltregion anders.

Auch Nachbarstaaten Vanuatus meldeten schwere Schäden, darunter Neukaledonien und die Salomonen-Inseln. In Tuvalu sei fast jeder Zweite der 10 000 Einwohner von den Folgen des Sturms stark beeinträchtigt, sagte Regierungschef Enele Sopoaga im neuseeländischen Rundfunk. "Wir machen uns Sorgen, ob Nahrung, Trinkwasser und Arzneimittel reichen." Gestern nahm der Zyklon Kurs auf Neuseeland. Der Wetterdienst warnte vor Sturmfluten.

In der Hauptstadt Vanuatus, Port Vila, seien 90 Prozent der Häuser beschädigt, schätzte der Leiter der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) vor Ort, Christopher Bartlett. In der Stadt mit 44 000 Menschen gab es keinen Strom, kaum Handyverbindungen, und die Trinkwasserversorgung fiel zeitweise aus. Felder und Ernten waren zerstört. "Wir gehen davon aus, dass wir für 25 000 Haushalte Samen brauchen: Kürbis, Mais, Kohl, Bohnen und Tomaten", sagte Bartlett. Die GIZ hilft seit Jahren, die Menschen dort besser auf Naturkatastrophen vorzubereiten. Unter anderem zeigt sie, wie frisches Obst und Tierfutter für Notzeiten konserviert werden können. "Das müsste den Leuten jetzt helfen", sagte Bartlett.

Die deutsche Studentin Desiree Hetzel hatte sich in ihrem Haus in Vanuatu verbarrikadiert. "Alle Bäume sind weg oder haben zumeist keine Blätter mehr. Überall lagen irgendwelche Wellblechteile, Schilder und Äste", sagte die Karlsruherin, die gerade an der Universität Köln eine Masterarbeit schreibt, für die sie Menschen aus Vanuatu zum Thema Klimawandel interviewt.

Der Zyklon "Pam" sei durch mehrere Ereignisse so stark geworden, sagte Christoph Hartmann vom Deutschen Wetterdienst. So hätten Höhentiefs das System verstärkt. Mit Windgeschwindigkeiten bis zu 340 Stundenkilometern sei "Pam" etwa doppelt so stark gewesen wie "Lothar", der als einer der stärksten Stürme in Europa zu Weihnachten 1999 großen Schaden angerichtet habe.

(dpa)
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