2014 — Die USA und die neue Unübersichtlichkeit

Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik gilt offenbar auch in der Politik: Die Unordnung nimmt stetig zu. Und wenn an einem Platz der Welt Ordnung geschaffen wird, steigt der Grad an Unordnung in der übrigen Welt umso stärker. Das muss allerdings nicht ins Chaos führen. Denn nach dem Ende der Nachkriegsordnung vor 25 Jahren hat die Friedfertigkeit zugenommen. Das Wettrüsten war beendet, Ost und West konnten die Friedensdividende einstreichen, was sie auch nach Kräften taten.

Als Supermacht blieben nur die Vereinigten Staaten übrig. Doch immer weniger gelingt es der wirtschaftlichen wie ökonomischen Vormacht, der Welt ihre Ordnung aufzuzwingen. Die Bindung im Militärbündnis Nato lässt nach, die EU gab sich den Euro und wuchs noch enger zusammen. Zugleich gelingt es ihr nur in Ausnahmefällen, mit einer Stimme zu sprechen.

Deutschland hat durch die Einheit gewaltig gewonnen. Dank der starken Wirtschaft und der klugen Politik ist das Land, das einst Europa verheert hat, zur unbestrittenen Nummer eins des Kontinents geworden - Russland ausgenommen. Doch weltweit kann es seinen Einfluss nur innerhalb der Europäischen Union geltend machen. Das ist auch der Grund, warum Deutschland mit Milliardenhilfen notleidenden Euro-Ländern wie Griechenland, Portugal und Irland unter die Arme greift.

Eine neue Dimension kommt in die Weltpolitik durch Länder wie China, Indien und Brasilien. Vor allem das Reich der Mitte drängt ungestüm nach vorne und lässt den alten Rivalen Japan, die bisherige ökonomische Vormacht in Asien, weit hinter sich. Gegenüber dem neuen Riesen China verlieren die USA an Gewicht. Den USA geht es wie dem Britischen Empire vor 1914: Ihr Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung sank von über 40 Prozent in den 50er Jahren auf nur noch 22 Prozent 2011. Zugleich erreicht China jetzt schon zehn Prozent des Weltnationaleinkommens.

Nicht ganz so dynamisch wie China sind Indien und Brasilien, die dennoch gewaltig aufholen. Damit wird klar: Das Zeitalter der westlichen Dominanz ist vorbei. Selbst wenn sich Amerikaner und Europäische Union einig sind, werden sie sich gegenüber dem Rest der Welt nicht durchsetzen können.

Zugleich wächst das Potenzial an Konflikten: China und seine Nachbarn im Pazifikraum, das Pulverfass Nahost, Russland und Ukraine, US-kritische Regime in Lateinamerika und der Konflikt zwischen Indien und Pakistan. Die Zahl der Atommächte wird größer: Neben die Etablierten treten Länder wie Israel, Indien, Pakistan, seit Neuestem auch Nordkorea und Iran. Weitere dürften folgen. Jeder Konfliktherd für sich ist gefährlich. Wenn dazu eine geschwächte und teils konfuse Außenpolitik der USA kommt, wird die Welt noch unübersichtlicher. Trotzdem ist ein neuer Weltenbrand eher unwahrscheinlich. Denn mit dem ökonomischen Wohlstand wächst die Angst vor dem Krieg. Darauf achten auch Potentaten.

(kes)
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