Bürgerdialog "Gut leben in Deutschland" 29.000 Euro für Häppchen und Stellwände

Krefeld · Trotz des hohen finanziellen Aufwands ergeht sich der Bürgerdialog "Gut leben in Deutschland" in Plattitüden. Mit der bundesweiten Gesprächsreihe will die Bundesregierung das kollektive Wohlbefinden vermessen.

 Diese Szene zwischen dem Flüchtlingsmädchen Reem und Kanzlerin Angela Merkel sorgte für viele Diskussionen. Die Veranstaltung war Teil des Bürgerdialogs.

Diese Szene zwischen dem Flüchtlingsmädchen Reem und Kanzlerin Angela Merkel sorgte für viele Diskussionen. Die Veranstaltung war Teil des Bürgerdialogs.

Foto: dpa, kno

Wäre Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht auf das Flüchtlingsmädchen Reem getroffen, hätten große Teile der Öffentlichkeit wohl nicht erfahren, dass es so etwas wie den Bürgerdialog "Gut leben in Deutschland" überhaupt gibt. Denn seit April haben bereits mehr als 100 solcher Bürgerdialoge stattgefunden, davon zwölf der geplanten 48 mit Regierungsbeteiligung.

Am 15. Juli war Merkel zu Gast in der Rostocker Paul-Friedrich-Scheel-Schule und diskutierte mit Jugendlichen, wie sie sich ihre Zukunft in Deutschland vorstellen. Die 13-jährige Reem stellte dabei die Frage, warum sie und ihre Familie nicht in Deutschland bleiben dürften, und weinte. Merkel tätschelte ungelenk den Kopf des Kindes. Der Zwischenfall löste eine Welle der Entrüstung im Netz aus und lenkte ganz nebenbei die Aufmerksamkeit auf die Regierungsveranstaltung.

Die Bundesregierung möchte mit der Initiative das persönliche Wohlbefinden der Bevölkerung vermessen und in Gesprächen mit den Bürgern herausfinden, was diese an ihrem Leben in Deutschland schätzen und was die Politik in Zukunft besser machen kann. Dafür gibt es eine Internetseite, auf der sich die Bürger beteiligen können, und eben die Bürgerdialoge - Veranstaltungen vor Ort, die von allerlei Institutionen, sozialen Einrichtungen und den Bundesministerien ausgerichtet werden.

Der Gedankenaustausch mit den Bürgern hat professionellen Anspruch, weshalb die Bundesregierung ordentlich Geld in die Hand nimmt: Bei 100 dieser Veranstaltungen finanziert sie eine Moderation, sagte ein Regierungssprecher. 270.000 Euro sind dafür vorgesehen. Die Kosten für die "Gut leben"-Gespräche der Ministerien tragen diese selbst. Allein das Bundesgesundheitsministerium gibt 58.000 Euro für zwei solcher Bürgerdialoge in Krefeld und Berlin aus, rund 29.000 Euro je Veranstaltung mit Anwesenheit des Ministers.

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Foto: Screenshot / instagram.com/bundeskanzlerin

Ob die Bürgerdialoge Aufschluss darüber geben, wie die Politik das Leben in Deutschland verbessern kann, ist zweifelhaft, wie die Veranstaltung vergangene Woche in Krefeld zeigte. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) kam in die Hochschule Niederrhein, um mit den Bürgern über die Zukunft der Gesundheitsversorgung zu sprechen. Die Presse war zu der Diskussion nicht eingeladen, durfte aber am anschließenden Empfang teilnehmen.

Dass Journalisten außen vor bleiben mussten, sei schon vor Beginn der Reihe entschieden und sei nicht etwa eine Reaktion auf den Zwischenfall in Rostock, betonte die Pressesprecherin des Ministers. Denn die Veranstaltung in Rostock war im Gegensatz zu den Bürgerdialogen, bei denen Gröhe anwesend ist, auch für die Presse zugänglich.

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Foto: dpa/Peter Kneffel

Die Ergebnisse der einzelnen Gruppendiskussionen wurden in Krefeld auf Stichwortzetteln an Stellwänden präsentiert. Zu lesen waren Schlagwörter wie "Telemedizin", "1:1-Betreuung durch Hebammen", "Medizinische Daten". Essenzielle Vorschläge ließen sich daraus nicht ablesen - und so erscheint alles wie ein Echo auf die Debatten, die gerade ohnehin geführt werden. Auch das Fazit des Ministers bot wenig Überraschendes: "Die Patienten haben den Wunsch, mehr erklärt zu bekommen." So formulierte Gröhe eine Erkenntnis des Dialogs. Außerdem sei ihm klargeworden, dass Lebensqualität sich auch daran bemesse, ob man ohne Angst altern könne.

Manche Bürger hatten über das Internet von der Veranstaltung erfahren, wie Walter Voges (70) aus Viersen. Er ist Mitglied in der Selbsthilfegruppe "Aktiv für Gesundheit" und bewertete den Verlauf der Diskussion auf dem anschließenden Empfang schlicht mit "gut". 60 ausgewählte Bürger, die sich vorher auf der Internetseite anmelden mussten, durften mitdiskutieren.

Rund 80 Interessenten habe es gegeben, so die Ministeriumssprecherin. Man achte bei der Auswahl auf die Durchmischung des Teilnehmerspektrums. Unter den Besuchern war viel städtische CDU-Klientel, über die internen Kanäle hatte sich die Information über den Ministerbesuch wohl am schnellsten verbreitet. Die von einer Catering-Firma vorbereiteten Tabletts mit Häppchen blieben am Ende fast alle unangetastet.

(RP)
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