Brüssel 3000 Euro Strafe für Langzeitstudenten

Brüssel · In den Niederlanden wird es für Bummelstudenten ab September teuer: 3000 Euro müssen sie pro Jahr zahlen, wenn sie die Regelstudienzeit nicht einhalten. Etwa 77 000 junge Leute sind nach Angaben der Regierung betroffen. Das Thema könnte großen Einfluss auf den Wahlkampf haben.

Viele niederländische Studenten öffnen ihre Post derzeit mit Bauchgrimmen. Denn sie erwarten Bußgeldbriefe. Wer mehr als ein Jahr über der Regelstudienzeit liegt, muss ab September 3000 Euro Strafe zahlen. Denn die Zahl der Bummelstudenten steigt. "Zu teuer", befand daher die vorzeitig gestürzte schwarz-gelbe Regierung von Premier Mark Rutte. Nach Angaben des Bildungsministeriums sind 77 000 junge Leute betroffen. Auch für die rund 30 000 deutschen Studenten im Nachbarland gilt die Neuregelung. Die Gebühr soll 400 Millionen Euro pro Jahr einbringen.

Und sie sorgt im Vorfeld der Neuwahlen in drei Wochen für Streit. Der niederländische Universitätsverband (VSNU) will aus Studenten keine Melkkühe machen. "Das Bußgeld ist sozial ungerecht und hebt die Bildungs-Qualität nicht", sagt eine Sprecherin.

Auch politisch ist das Thema brisant. Aus Angst vor Stimmverlusten bei den insgesamt 630 000 Studierenden rücken nun die größten Verfechter vom eigenen Beschluss ab: die Christdemokraten von der CDA. Sie dümpeln im historischen Umfragetief vor sich hin. Und so gerierte sich Spitzenkandidat Sybrand van Haersma Buma jüngst vor Studenten in Utrecht als Gegner der Strafe. Er schwenkt damit auf die Linie des linken Parteienspektrums ein und verärgert den liberalen Noch-Koalitionspartner. "Gesetz ist Gesetz", schäumte Bildungs-Staatssekretär Halbe Zijlstra. Er verlangte von der Nein-Front Alternativen, die finanziell die eingeplanten 400 Millionen Euro jährlich einbringen. Genau die sind aber nicht in Sicht, wie sich in einer Sondersitzung des Parlaments gestern herausstellte. "Die Strafe kommt", verkündete Zijlstra anschließend.

Verzichten kann Den Haag auf die Einnahmen nicht. Denn die EU hat dem Land wegen des hohen Defizits bereits Einschnitte verordnet. Nach Angaben des staatlichen Planungsbüros CPB fehlen in der nächsten Legislaturperiode 20 Milliarden Euro in der Staatskasse. So dürften die Studenten erstmal zahlen müssen – in der Hoffnung, dass eine neue niederländische Regierung die Strafe abschafft. Umfragen zufolge hat Linkspopulist Emile Roemer Chancen, den Rechtsliberalen Mark Rutte als Premier abzulösen. Dann wären die Tage der Bummelstudenten-Buße wohl gezählt.

Charlotte Hoogeveen (24) will sich darauf nicht verlassen. Die junge Blondine studiert seit fünf Jahren Mode-Management an der Uni Amsterdam. Eigentlich hätte sie nach vier Jahren ihren Master machen müssen. Doch sie arbeitet nebenher als Werbe-Hostess, um die 1750 Euro jährliche Studiengebühr bezahlen zu können. Nun drohen ihr obendrein 3000 Euro Strafe. Doch sie tut seit Monaten alles, um das abzuwenden. Als sie von der Bummel-Buße hörte, schrieb sie sich bei einer privaten Studienhilfe in Amsterdam ein. Dort rackerte sie den ganzen Sommer unter Aufsicht, bekam vor allem methodische Hilfe für den Aufbau ihrer Diplomarbeit über die Folgen der Baumwollpreise für die Jeans-Industrie. Die Erfolgsquote der Helfer liegt bei 95 Prozent. Rund 1500 Euro muss Charlotte für den Beistand hinlegen. Das ist die Hälfte der drohenden Strafe. Wenn sie Anfang September ihre Prüfung schafft, will sie vom Rest erstmal in Urlaub fahren. Im Prinzip ist Charlotte aber nicht gegen die Bummel-Buße: "Wenn man am Anfang des Studiums weiß, was auf einen zukommt, ist das okay." Schließlich sei es wichtig, früh und gut ausgebildet in den Arbeitsmarkt zu kommen.

Pepijn Trietsch, Direktor der Studienhilfe "Snelafstuderen", merkt sehr genau, wie die Buß-Drohung anspornt. Er hat doppelt so viele Kunden wie im vergangenen Jahr. Trotzdem sieht er die Strafgebühr nicht als Allheilmittel. "Sie geht am Kernproblem vorbei: Die Qualität der Ausbildung ist zu schlecht."

(RP)
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