Moskau 43 500 Euro für Hinweise auf Nemzows Mörder

Moskau · Der Mord geschah mitten in Moskau, der Täter entkam.

Boris Nemzow: Moskau gedenkt bei Trauermarsch Boris Nemzow
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Trauermarsch: Moskau gedenkt Boris Nemzow

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Kreml-Kritiker Boris Nemzow war auf offener Straße unterwegs, als er am späten Freitagabend hinterrücks erschossen wurde. Mit vier Kugeln wurde der frühere Vize-Regierungschef niedergestreckt. Der Attentäter soll sich in einem Wagen genähert und könnte diesen kurz verlassen haben. Sechs Patronenhülsen fand die Polizei am Tatort. Der Täter schoss dem Politiker von hinten in Kopf, Herz und Lunge. Die Ermittler gingen anfangs davon aus, dass es sich um einen Auftragskiller handelte. Seither schweigen die Behörden. Widersprüchliche Informationen zum Tatfahrzeug lassen befürchten, dass wie in ähnlichen Fällen in der Vergangenheit schon nicht mehr mit offenen Karten gespielt wird.

Der charismatische Oppositionelle war in Begleitung seiner ukrainischen Freundin Anna Durizkaja, die unversehrt blieb und als Zeugin aussagen konnte. Kurz vor Mitternacht hatten beide ein Restaurant in Kreml-Nähe verlassen und waren zu Fuß über den Roten Platz gegangen. Weitere Details waren lediglich einer unscharfen Videoaufzeichnung vom Tatort zu entnehmen, die ein lokaler Fernsehsender zeigte. Demnach gab es mehrere Tatzeugen.

Wie konnte in unmittelbarer Nachbarschaft des Kreml ein Attentat geschehen? Dort, wo protestierende Bürger sofort festgenommen und jeder einzelne mehrfach überwacht wird? Und warum ging der Mörder so dreist und unbekümmert vor? Konnte er glauben, ungestraft davonzukommen? Das sind Fragen, über die in Moskau am Wochenende heftig diskutiert wurde.

Die Ermittlungsbehörde setzte eine Belohnung von drei Millionen Rubel (43 500 Euro) für Hinweise aus, die zur Festnahme des Mörders führen. Dass der Täter tatsächlich dingfest gemacht werden könnte, glauben unterdessen nur wenige. Der ehemalige Duma-Abgeordnete Gennadi Gudkow zeigte sich bereits skeptisch. Der Verlauf der Untersuchung werfe Zweifel auf, sagte der Sicherheitsexperte. Ihm war sein Parlamentssitz nach der Rückkehr Wladimir Putins in den Kreml aberkannt worden. Zu aktiv hatte er sich an den Protesten gegen den Wahlbetrug der Kreml-Partei "Einiges Russland" 2011 beteiligt.

Gestern vereinten sich Zehntausende Menschen in Moskau zu einem Trauermarsch. Schätzungen zur Teilnehmerzahl schwankten zwischen 21 000 und 55 000. Menschen allen Alters, viele mit Rosen und Nelken in den Händen, kamen im Gedenken an Nemzow ins Stadtzentrum - bewacht von einem massiven Sicherheitsaufgebot. "Was ist aus Russland geworden?", fragte der Oppositionsführer und Ex-Regierungschef Michail Kasjanow. Die Tragödie zeuge davon, dass die Aggression zunehme in Russland. Trauerkundgebungen gab es auch in vielen anderen russischen Städten, darunter in St. Petersburg, Nischni Nowgorod, wo Nemzow in den 90er Jahren Gouverneur gewesen war, und in Jaroslawl, wo er als Regionalabgeordneter arbeitete.

(don/RP)
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