Abstimmung im Bundestag Es ist genug Ehe für alle da

Berlin · Der Bundestag hat die "Ehe für alle" beschlossen – 393 Abgeordnete stimmten dafür. Es ist eine historische Entscheidung. Und das Grundgesetz hat nichts dagegen.

Der Bundestag hat die "Ehe für alle" beschlossen — 393 Abgeordnete stimmten dafür. Es ist eine historische Entscheidung. Und das Grundgesetz hat nichts dagegen.

"Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich." So steht es seit 1949 in Artikel 10 des Grundgesetzes. Dieser Artikel 10 wurde nicht geändert, als man das Internet erfand. Dieser Artikel 10 wurde nicht geändert, als die Menschen begannen, E-Mails und Chats zu nutzen. Und trotzdem schützt eben dieser Artikel 10 die moderne Form der Kommunikation. Ein Brief im Sinne des Grundgesetzes ist heute auch eine E-Mail.

Der Bundestag hat nun beschlossen, dass die Ehe eine Verbindung zweier Menschen ist — unabhängig von ihrem Geschlecht. Das gefällt nicht allen, das muss nicht allen gefallen, aber der Gesetzgeber hat sich mit einer Mehrheit von 393 Stimmen dazu entschlossen. Ein beliebtes Argument der Gegner der "Ehe für alle" ist nun, dass sie mit der Verfassung nicht zu vereinbaren sei. "Die Ehe im Sinne des Grundgesetzes", so hat es Kanzlerin Angela Merkel nach der Abstimmung gesagt, "ist eine Ehe zwischen Mann und Frau".

Es ist banal, dass die Mütter und Väter des Grundgesetzes 1949 nicht an gleichgeschlechtliche Ehen dachten, als sie in Artikel 6 schrieben: "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung." Es ist aber ebenso banal, dass sie auch nicht daran dachten, mit ihrem Briefgeheimnis einmal E-Mails zu schützen. Nicht nur die Technik schreitet voran, auch die Gesellschaft tut dies. Verfassungen sind auch und gerade ein Schutzschild der Gesellschaft. Wenn die Gesellschaft sich wandelt, muss auch die Verfassung sich wandeln dürfen.

Abstimmung: Bundestag entscheidet über Ehe für alle
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Bundestag stimmt über Ehe für alle ab

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Foto: rtr, FAB/CDC/MAT

Wenn man nun das Grundgesetz ändern wollte, dann würde man einen Artikel 6 mit demselben Wortlaut beschließen: Statt: "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung" würde es fortan heißen: "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung." Das ist überflüssig und grotesk. Es würde nur bekundet werden, dass man "Ehe" nun auch als Verbindung zweier Menschen gleichen Geschlechts auffasst. Das hat der Bundestag bereits mit seiner Abstimmung am Freitagmorgen getan.

Niemand weiß, wie das Bundesverfassungsgericht die "Ehe für alle" beurteilen wird. Frühere Entscheidungen lassen einen kritischen Blick der Karlsruher Richter auf die Öffnung der Ehe für Homosexuelle erkennen. Dieser kritische Blick aber hat nun einen entscheidenden Gegenpol bekommen: den Willen des Gesetzgebers. Das Bundesverfassungsgericht sollte dem Bundestag nicht die Urteilskraft absprechen. Es ist genug Ehe für alle da.

(her)
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