Persönlich Alexander Van der Bellen . . . ist Österreichs neuer Präsident

Es ist allein schon ein Kuriosum, dass der Präsident einer Republik inmitten des barocken Prunks der einstigen Habsburgerkaiser residiert. Für einen Grünen muss das monarchische Ambiente der alten Wiener Hofburg noch viel bizarrer wirken. Aber auch der nüchterne Ex-Grünenchef und Wirtschaftsprofessor Alexander Van der Bellen muss sich mit der Rolle des Ersatzkaisers abfinden, als den ihn die meisten Österreicher sehen wollen. Seit gestern ist er offiziell Österreichs neuer Präsident.

Fast ein Jahr lang hatte sich der Wahlkampf hingezogen, der längste und einer der schmutzigsten der Zweiten Republik. Anfang Dezember stand fest, dass Van der Bellen seinen Herausforderer Norbert Hofer von der rechten FPÖ mit 53 Prozent der Stimmen überraschend klar besiegt hatte.

Der 73-Jährige ist ein Flüchtlingskind, das zum Staatsoberhaupt aufstieg. Seine Herkunft kennt er selbst nur lückenhaft, die Eltern hatten ihm wenig davon erzählt, Dokumente sind verschollen. Seine Vorfahren stammen aus Holland, die Mitte des 18. Jahrhunderts nach Russland auswanderten. Nach der Machtergreifung der Bolschewiken flüchteten seine Eltern 1919 nach Estland, nach dem Einmarsch der Roten Armee in Tallinn entschloss sich die Familie 1941 erneut zur Flucht und kam über Deutschland nach Wien, wo "Sascha" am 18. Januar 1944 geboren wurde. Die Familie übersiedelte ins Tiroler Kaunertal. An der Universität Innsbruck studierte und lehrte er Volkswirtschaft, machte den Doktor in Finanzwissenschaft. Nach politischen Anfängen bei den Sozialdemokraten wechselte er zu den Grünen, als deren Abgeordneter er 1994 in das Parlament einzog. Seinen politischen Wandel beschrieb er einmal selbstironisch: "von einem arroganten Antikapitalisten zu einem großzügigen Linksliberalen". Mit ihm bekommt Österreich nun den ersten Bundespräsidenten, der einer anderen Partei als der ÖVP oder SPÖ angehört.

Rudolf Gruber

(RP)
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