Persönlich Alexej Kudrin . . . will russischer Premier werden

Russlands politische Elite scheint zurzeit nur mit einer Stimme zu sprechen. Die Annexion der Krim und die anschließenden Sanktionen des Westens haben die Wagenburg-Mentalität noch verstärkt. Einzig Ex-Finanzminister Alexej Kudrin hat eine abweichende Meinung geäußert: "Russlands Schicksal wird durch seine Wirtschaftskraft entschieden, nicht in den Schützengräben."

Der 54-Jährige kritisierte die Entscheidung des Kreml, auf die westlichen Sanktionen mit einem Embargo für Lebensmittel aus den USA und der EU zu reagieren. Dies sei ein Fehler gewesen, denn die Bevölkerung leide unter der Teuerung für Lebensmittel, und der russischen Landwirtschaft habe es nichts gebracht. Mit den Sanktionen werde Russland noch lange leben müssen, schätzte er. Zudem warnte er vor einer wachsenden Selbstisolation Russlands, "eine kritischere Haltung zu westlichen Werten sollte nicht dazu führen, dass man die Errungenschaften des Westens ablehnt".

Angesichts der wirtschaftlichen Probleme ist die Meinung des Finanzexperten wieder gefragt. Immerhin leitete Kudrin von 2000 bis 2011 das russische Finanzministerium und erwarb sich dabei internationales Renommee. Der Ökonom arbeitete nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in der Stadtverwaltung St. Petersburgs und brachte es bis zum stellvertretenden Bürgermeister. Aus dieser Zeit kennt er auch Wladimir Putin und Premier Dmitri Medwedew, mit dem er eine lange Rivalität pflegt. So verlor Kudrin seinen Job als Finanzminister, nachdem er angekündigt hatte, er wolle nicht unter Medwedew arbeiten. Politische Beobachter in Moskau sind überzeugt, dass sich der Ex-Finanzminister mit seinen Ausführungen als neuer Premierminister empfehlen möchte. Der wahre Adressat sei Präsident Putin, glaubt etwa der Politologe Jewgeni Mintschenko. Kudrin erklärte, bisher habe ihm das Amt niemand angeboten.

(RP)
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