Griechenland gegen den Rest Europas Tsipras — seine Pläne spalten die Politik

Paris/Brüssel · Küsschen links, Küsschen rechts, eine innige Umarmung. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker begrüßte den griechischen Regierungschef Alexis Tsipras wie einen alten Freund.

Nach dem Lächeln für die Fernsehkameras und Fotografen schnappte sich Juncker Tsipras' Hand und schien ihn in Richtung der Aufzüge zu ziehen. "So, komm jetzt", sagte der 60-jährige Obereuropäer dazu. Der 40-jährige Tsipras ließ sich ziehen wie ein Schuljunge.

Der leichte Schuss Demut passt zum aktuellen Stand der Auseinandersetzung zwischen neuer Athener Linksregierung und den restlichen Eurostaaten. Mit ihrer parallel laufenden Europatour versuchen Tsipras und sein Finanzminister die Scherben zu kitten, die eben jener Giannis Varoufakis kürzlich hinterlassen hatte. Wie er den nach Athen gereisten Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem öffentlich abwatschte, bewerteten Vertreter der Euroländer als unmöglich und unverschämt. Schon direkt nach Varoufakis' Auftritt hatte Tsipras öffentlich klarstellen müssen, dass er bezüglich des griechischen Schuldendienstes nicht einseitig handeln, sondern verhandeln werde.

So wiederholte es Tsipras in Brüssel, nachdem er auch den EU-Ratschef Donald Tusk und den Europaparlamentspräsidenten Martin Schulz getroffen hatte: "Die europäische Geschichte ist eine Geschichte der Meinungsverschiedenheiten, aber am Ende standen stets Kompromisse", sagte er auf Englisch. Der frisch gekürte Ministerpräsident verlangte Respekt vor der Souveränität der Griechen und dem Auftrag, den sie ihm erteilt hätten. "Zugleich respektiere ich die Regeln der EU", fügte er hinzu, "ich will ihre Rahmenbedingungen verändern, aber nicht zerstören."

Am Ende des Verhandlungsmarathons wird entweder ein Kompromiss oder das Ende der Mitgliedschaft Griechenlands in der Eurozone stehen. Sogar beim italienischen Regierungschef Matteo Renzi in Rom hat Tsipras gehört, dass die Zukunft nicht auf Schulden gebaut werden könne. "Er bekommt auf seiner Europatour jetzt überall zu hören, was alles nicht geht", sagte ein EU-Diplomat.

Ihm zufolge hat Juncker eine Erklärung nur für den Fall vorbereitet, dass Tsipras sich gegenüber den Euroländern zur Schuldenrückzahlung verpflichtet hätte. So weit ging der Premier nicht - obwohl in seiner Regierung schon nicht mehr von Schuldenschnitt, sondern Umschuldung, also unbegrenzt laufenden oder an die Wirtschaftskraft gekoppelten Schuldtiteln die Rede ist.

Im Gegensatz zu Jean-Claude Juncker begrüßte der französische Präsident François Hollande den Griechen förmlich. Er sprach von Verantwortung und von Respekt: Zum einen für das Wahlergebnis in Griechenland mit seiner Anti-Austeritätsbotschaft, "aber auch Respekt der eingegangenen Verpflichtungen". Denn die Schulden, die Griechenland gemacht habe, beträfen schließlich auch die anderen Euro-Staaten.

Deutlich verständnisvoller hatte Hollandes Finanzminister Michel Sapin den griechischen Finanzminister Giannis Varoufakis in Paris empfangen. Er sei bereit, über Elemente zu sprechen, die die Schuldenlast leichter machten, sagte Sapin. Wer das allerdings als Zeichen interpretiert hatte, dass Frankreich sich damit gegen den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellt, wurde schnell enttäuscht. "Es nutzt nichts, die Länder der Euro-Zone gegeneinander aufzubringen, vor allem nicht Frankreich und Deutschland", bemerkte Sapin nämlich zwei Tage später im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Doch Frankreich könnte durchaus eine wichtige Rolle spielen im Streit um den Kurs in Europa. Denn wie Tsipras fordert auch der französische Präsident, stärker auf Wachstum zu setzen als auf Sparpolitik. Der große Knackpunkt bleibt nach den Gesprächen, dass es ohne griechischen Antrag keine Verlängerung des Hilfsprogramms über Ende Februar hinaus geben kann. Und das will Athen auf keinen Fall, weil es mit einer Rückkehr der verhassten Troika-Kontrolleure verbunden wäre. Damit fehlt aber nicht nur die letzte Rate über 1,8 Milliarden Euro im Athener Haushalt. Noch mehr Ungemach droht im Bankensektor: Ohne Troika-Überwachung darf die Europäische Zentralbank nicht ohne Weiteres griechische Staatsanleihen als Sicherheit akzeptieren; die Institute wären von der Notfall-Geldversorgung aus Frankfurt abgeschnitten. Das Crash-Szenario, das Griechenland aus dem Euro katapultieren würde, dürfte auch das Thema des Gesprächs zwischen Draghi und Varoufakis in Frankfurt gewesen sein. Dessen alternative Finanzierungsideen mit kurzlaufenden neuen Krediten und einer Beleihung der griechischen Notenbank haben den Zentralbankchef nicht überzeugt. "Bis zur Eurogruppensitzung der Finanzminister", sagte ein EZB-Vertreter, "müssen die Griechen ein stimmigeres Konzept vorlegen." Man redet jetzt wieder miteinander - das ist die Hauptbotschaft der vielen Gespräche.

(RP)
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