Kolumne Gott Und Die Welt Algorithmen haben kein Gewissen

Düsseldorf · Sie haben die Themen im US-Wahlkampf bestimmt und dadurch auch Meinung gemacht: die Algorithmen. Sind Rechner vielleicht sogar die besseren Präsidenten?

Kolumne Gott Und Die Welt: Algorithmen haben kein Gewissen
Foto: Schröder

Lass sie doch schimpfen und einander verunglimpfen. Weil am Ende vielleicht jene die Nase vorn haben, mit denen keiner gerechnet hat: die Algorithmen, die zwischen relevanten Informationen auswählen und mit diesem Echo die sozialen Medien pausenlos füttern. Mehrheitsmeinungen werden in dieser Eigendynamik zu Narrativen und Wahrheiten. Pluralismus ist der demokratische Schnee von gestern. Stattdessen wird polarisiert, was das Zeug hält und was der sogenannte gute Geschmack kaum noch erträgt. Denn geglaubt wird, was der Algorithmus uns anbietet.

Vielleicht konnte es in diesem US-amerikanischen Wahlkampf gar keine anderen Kandidaten geben als jene zwei, die uns mehr staunen ließen als Erwartungen wecken konnten. Doch wer glaubt, das sei nun das Ende der digitalen Fahnenstange, wird möglicherweise erkennen müssen, dass es bloß der Anfang gewesen ist. Es gab vor geraumer Zeit mal eine verrückte Idee, die so irrwitzig gar nicht mehr ist. Supercomputer Watson sollte ins Rennen um die Präsidentschaftswahl geschickt werden. Das war komisch und aus Verfassungsgründen auch gar nicht möglich.

Die Überlegungen sind damit nicht aus der Welt, weil die Frage nach wie vor rumort, warum Systeme künstlicher Intelligenz zwar besser operieren, Autos bauen und die Welt vermessen können, zum Regieren aber unfähig sein sollen. Immerhin kann jeder Großrechner ungeheure Datenmengen verarbeiten und so über eine nahezu unschlagbare Entscheidungsgrundlage verfügen. Kein Stimmungstief kommt ihm in die Quere, kein Unwohlsein, keine persönlichen Animositäten. Eine unkorrumpierbare Entscheidungsmaschine also.

Politik als Rechenvorgang wird tendenziell zur Diktatur der Mehrheitsmeinung. Doch in der Vielfalt gründet sich unsere Ethik, in der Wahrnehmung von Minderheiten unser demokratisches Verständnis und in der Verantwortung unseres Handelns das Gewissen und unser Glauben. Ohne das geht es nicht, so fehleranfällig unser Handeln und so anstrengend menschliche Kommunikation auch sind. Von alldem aber werden Algorithmen nie die geringste Ahnung haben.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(los)
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