Persönlich Alice Schwarzer . . . wird auch schon 75

Der Besuch im mittelalterlichen Bayenturm nah am Kölner Rheinufer begann mit einem Klischee. Auf die Nennung des eigenen Namens kam aus der Sprechanlage kratzbürstig: "Es war eine Frau angekündigt worden." Was dann folgte, war das Ende vieler Klischees. Alice Schwarzer kann charmant sein und selbstironisch, albern und intellektuell, sie ist unterhaltsam und aufmerksam. Was Deutschlands berühmteste Feministin in den vielen Jahren erbitterter Kämpfe gelernt hat: dass es besser ist, langsam zu überzeugen, als missionarisch zu bekehren.

Am ersten Advent wird sie 75 Jahre alt, und dass diese Jahre geruhsam gewesen sind, wird kaum jemand sagen wollen, erst recht nicht sie selbst. Das "Geburtstagsjubiläum" täuscht über den Einfluss hinweg, den sie noch immer hat: Auf der aktuellen Liste der 500 einflussreichsten Intellektuellen hierzulande steht Schwarzer auf Platz acht. Sie, die Journalistin mit ausgeprägtem Sinn für mediale Aufmerksamkeit, wird sich darüber gefreut haben. Nicht aber über die Tatsache, dass sie damit erst die bestplatzierte Frau ist.

Großer Einfluss schützt vor eigenen Fehlern nicht. Die vor drei Jahren öffentlich gewordene Steuerhinterziehung gehört dazu, ebenso Unregelmäßigkeiten bei der Nutzung ihres Turmdomizils. Nein, Alice Schwarzer ist kein Engel. Ihrer Glaubwürdigkeit hat das kaum geschadet. Sie hat einfach immer weitergemacht - hat debattiert, gestritten, haufenweise Bücher geschrieben. Die gebürtige Wuppertalerin und Gründerin der Frauenzeitschrift "Emma" hat sich kaum einer Debatte verweigert und über die Rollen der Geschlechter mit Esther Vilar und später sogar mit Verona Poth (damals Feldbusch) gestritten.

Und immer hat sie überrascht - etwa in ihrer Freundschaft zu Kardinal Meisner. Sie mochte den schroffen Schlesier, dessen Wortgewalt. Zwei Eigenschaften, die auch ihr zu eigen sind.

(RP)
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