Umfrage in Politik, Wirtschaft und Verwaltung Top-Entscheider sind von der großen Koalition enttäuscht

Berlin · Rente mit 63, doppelte Staatsbürgerschaft, Mindestlohn – die große Koalition hat sich gleich zu Beginn ihrer Regierungszeit jede Menge Reformprojekte auf die Fahne geschrieben. Der Wähler jedenfalls ist mit der Arbeit von Union und SPD zufrieden, wie Umfragen immer wieder zeigen. Bei den Top-Entscheidern in Politik und Wirtschaft ergibt sich allerdings ein anderes Bild.

Bundesminister: Das Kabinett der großen Koalition
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Das Kabinett der großen Koalition

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Rente mit 63, doppelte Staatsbürgerschaft, Mindestlohn — die große Koalition hat sich gleich zu Beginn ihrer Regierungszeit jede Menge Reformprojekte auf die Fahne geschrieben. Der Wähler jedenfalls ist mit der Arbeit von Union und SPD zufrieden, wie Umfragen immer wieder zeigen. Bei den Top-Entscheidern in Politik und Wirtschaft ergibt sich allerdings ein anderes Bild.

Sowohl im ARD-Deutschlandtrend als auch im ZDF-Politbarometer oder in der Forsa-Umfrage von "Stern" und RTL konnte die große Koalition zuletzt stabile Werte aufweisen. Die Union kommt auf Werte um die 40 Prozent, die SPD auf um die 25 Prozent. Und Kanzlerin Angela Merkel, das hatten Umfragen anlässlich ihres Geburtstages auch wieder gezeigt, ist so beliebt wie nie. Auch sprachen sich beim vergangenen Politibarometer 65 Prozent der Befragten dafür aus, dass die Kanzlerin noch einmal antritt.

Positive Zeichen also für die Koalition, auch wenn die SPD nicht davon profitieren kann, dass viele der bislang umgesetzten Reformprojekte von ihr angestoßen waren. Und auch sonst scheint unter den Koalitionären im Vergleich zum vorherigen Bündnis mit der FDP eher Eintracht als Zwietracht zu herrschen. Zu diesem Eindruck kommen auch die Top-Entscheider aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft.

Das Kabinett Merkel im Check
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Kritik an Rente mit 63 und Energiewende

496 solcher Top-Entscheider, darunter Vorstände von Großkonzernen oder auch Ministerpräsidenten, hat das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Zeitschrift "Capital" befragt, wie sie die Arbeit der Bundesregierung bislang beurteilen. So bescheinigen zwei Drittel der Befragten der Koalition Geschlossenheit — was sowohl Schwarz-Gelb als auch die davor regierende große Koalition nicht für sich in Anspruch nehmen konnten. Aber dennoch gibt es von den Befragten Kritik.

54 Prozent der Befragten zeigen sich von der Politik der Bundesregierung enttäuscht, in der Wirtschaft sind es naturgemäß mit 60 Prozent sogar noch deutlich mehr. Und so ist es erwartungsgemäß auch die Rente mit 63, die insbesondere bei den Top-Entscheidern auf Kritik stößt. 64 Prozent sehen sie als Belastung für die deutsche Wirtschaft, während die Wähler — das haben andere Umfragen gezeigt — die Rente mit 63 eher befürworten.

So funktioniert die Rente mit 63
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Aber auch die Energiewende stößt bei den von Allensbach Befragten auf Unmut. 894 Prozent hält sie nicht für zielführend, 80 Prozent der Führungskräfte sehen auch nach der EEG-Reform weiteren Korrekturbedarf, was auch die Bundesregierung schon erkannt hat. Und 52 Prozent sagen, dass die Energiepreise für die Bürger schon längst die kritische Grenze erreicht haben. Dem dürften viele Wähler ebenfalls zustimmen.

Beste Noten für Steinmeier und Schäuble

Für das "Capital-Elite-Panel" wurden die Top-Entscheider auch darum gebeten, die Arbeit der einzelnen Minister zu bewerten. Die besten Noten bekommen hierbei Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier von der SPD (92 Prozent positive Urteile) und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble von der CDU (84 Prozent). Ihre Popularitätswerte seien praktisch nicht mehr steigerungsfähig, sagte Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher.

Weniger gut kommt dagegen Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) an. 44 Prozent der Befragten beurteilen ihre Arbeit positiv, 47 Prozent negativ. Noch schlechter schneidet allerdings Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ab, was sicherlich auch im Zusammenhang mit der Kritik an der Rente mit 63 gesehen werden kann. 72 Prozent der Befragten gaben ein negatives Urteil über die Ministerin ab.

Bundeswirtschaftsminister und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD) immerhin kann nach der Umfrage in den Führungsetagen an Wertschätzung zulegen, auch wenn er weiter deutlich hinter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) liegt. "Dessen Profil entwickelt sich allmählich", so Köcher. Gabriel erreiche inzwischen relativ gute Werte in Bezug auf Kompetenzen wie Führungsstärke, Durchsetzungsvermögen und Verhandlungsgeschick. Relativ schwach werde er noch in Bezug auf Kompetenz, Fingerspitzengefühl und Glaubwürdigkeit bewertet.

Frankreich wird als neues Sorgenkind gesehen

In Bezug auf die Krisenherde in der Europäischen Region blicken die Top-Entscheider vor allem mit Sorge auf Frankreich. 76 Prozent der Befragten meinen, dass von dem Land die größten Risiken für die wirtschaftliche Stabilität der Eurozone ausgehen, im vergangenen Jahr sagten dies nur 62 Prozent. Erst mit großem Abstand folgen die Länder Italien (26 Prozent) und Spanien (zehn Prozent).

Aber auch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank wird mit Sorge betrachtet. 70 Prozent der Befragten sehen darin hohe Risiken, auch wenn immerhin 53 Prozent den eingeschlagenen Kurs für richtig erachten. Und Großbritannien, da ist sich die große Mehrheit der Befragten einig, solle bitte in der EU bleiben.

(das)
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