Analyse Altenpflege für 1700 Euro brutto

Berlin · Eine Studie deckt auf, dass Altenpfleger deutlich weniger verdienen als ihre Kollegen in der Krankenpflege. Die Regierung appelliert an die Tarifparteien, die Ungleichheit zu beenden. Die Arbeitgeber weisen die Kritik zurück.

Karl-Josef Laumann: Geringe Bezahlung in der Altenpflege
Foto: Angelika Warmuth

Altenpflege ist ein Beruf mit Zukunft. Dafür spricht die demografische Entwicklung in Deutschland, denn immer mehr alte Menschen brauchen immer mehr Pflegepersonal. Doch wer in der Altenpflege arbeitet, muss feststellen, dass die Bezahlung der gesellschaftlichen Bedeutung des Berufs wohl kaum gerecht wird. Nun hat eine Studie im Auftrag des Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), dieses bisher gefühlte Phänomen amtlich bestätigt. Demnach variiert die Vergütung von Altenpflegern nicht nur stark je nach Region, sie fällt, verglichen mit der Bezahlung von Krankenpflegern, auch in allen Bundesländern deutlich geringer aus.

Vier Berufsgruppen hat die Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit unter die Lupe genommen: ausgebildete Fachkräfte in der Alten- und in der Krankenpflege sowie geringer qualifizierte Helfer der Alten- und der Krankenpflege. Das IAB konnte dabei auf die Datenbank der Bundesagentur für Arbeit zurückgreifen sowie auf die Angaben von rund 10 000 Befragten aus den Pflegeberufen in ganz Deutschland. Stand der Analyse ist das Jahresende 2013, das ist der derzeit aktuellste Stand der Daten.

Im Ergebnis macht die Studie vor allem eines deutlich: Während das mittlere Einkommen (Median) einer Fachkraft in der Krankenpflege sowohl in ost- als auch in westdeutschen Bundesländern etwas höher als das allgemeine Lohnniveau aller Beschäftigten ist, bleiben die Vergütungen der Fachkräfte in der Altenpflege unter dem jeweiligen Lohnniveau. Demnach liegt das mittlere Bruttogehalt einer in Vollzeit beschäftigten Krankenpflegefachkraft im Westen bei 3139 Euro, im Osten bei 2738 Euro. Das allgemeine mittlere Lohnniveau wird für den Westen wiederum mit 3094 Euro und für den Osten mit 2317 Euro pro Monat beziffert. Altenpfleger aber bekommen im Osten monatlich 29 Prozent weniger Gehalt (1954 Euro) als ihre Kollegen in der Krankenpflege, im Westen sind es 18 Prozent weniger (2568 Euro). Am wenigsten Geld erhalten ausgebildete Altenpflegefachkräfte in Sachsen-Anhalt: 1743 Euro pro Monat, brutto, versteht sich. Für dieselbe Tätigkeit bekommen die Kollegen in Baden-Württemberg monatlich stolze 1000 Euro mehr, nämlich 2725 Euro. Allerdings sind auch die Pflegekosten je nach Region unterschiedlich hoch anzusetzen.

Dennoch: "Wenn in allen Bundesländern die Fachkräfte der Altenpflege gegenüber vergleichbaren anderen Fachkräften bis zu 19 Prozent weniger verdienen, läuft etwas falsch", sagte CDU-Politiker Laumann gestern bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Er bezieht sich auf einen Vergleich der Altenpfleger mit Fachkräften aller Branchen in den jeweiligen Bundesländern. Demnach verdienen etwa in Bremen ausgebildete Altenpfleger 19 Prozent weniger als alle anderen Fachkräfte - negativer Rekord. Krankenpfleger wiederum bekommen in Bremen elf Prozent mehr als die restlichen Fachkräfte.

In anderen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind die Ausreißer nach unten weniger auffällig: In NRW bekommen Altenpfleger knapp sieben Prozent weniger Lohn (2692 Euro) als andere Fachkräfte, in Rheinland-Pfalz sind es zehn Prozent (2525 Euro). Zugleich schneiden geringer qualifizierte Helfer in der Kranken- und in der Altenpflege in NRW noch recht komfortabel ab, vergleicht man ihren Verdienst mit dem der Kollegen in anderen Bundesländern. 2092 Euro brutto bekommt eine Hilfskraft in der Altenpflege in NRW pro Monat, das ist nicht viel und trotzdem Spitze in Deutschland. Bei den Helfern in der Krankenpflege landet NRW auf Platz zwei: 2584 Euro bekommen die Vollzeitbeschäftigten monatlich.

Die schlechte Bezahlung von Altenpflegern in Deutschland will der Pflegebeauftragte Karl-Josef Laumann jetzt angehen. Er könne als Politiker zwar nicht die Lohnverhandlungen der Tarifparteien führen, aber er wolle eine Debatte um die Bezahlung der dringend benötigten Fachkräfte anstoßen, sagte Laumann.

Tatsächlich droht der Branche personeller Notstand - auch wegen der Bezahlung. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi forderte daher gestern höhere Bezüge. Die Pflegeberufe müssten insgesamt aufgewertet werden, sagte Vorstandsmitglied Sylvia Bühler: "Eine examinierte Pflegekraft muss mindestens 3000 Euro Grundvergütung im Monat erhalten." Zudem rief sie die Bundesregierung auf, einen bundesweiten verbindlichen Personalschlüssel in der Altenpflege einzuführen.

Zu einer ganz anderen Bewertung kommt der Arbeitgeberverband Pflege. "Die Studie zeigt, dass Altenpflegefachkräfte heute bereits angemessen für diesen nicht leichten Beruf bezahlt werden", stellte Thomas Greiner, Präsident des Arbeitgeberverbands Pflege, fest. Er erinnerte daran, dass alle Bemühungen, die Gehälter zu erhöhen, daran zu messen seien, dass "sie für die Beitragszahler, die Kommunen als Sozialhilfeträger, aber auch für die Pflegebedürftigen und deren Angehörige selbst finanzierbar bleiben".

Eine andere Möglichkeit, das Personalproblem zu lösen, sieht Laumann in den Arbeitszeitmodellen. Weil etwa 80 bis 90 Prozent der Pflegekräfte weiblich seien, liege auch die Quote an Teilzeitbeschäftigten sehr hoch. Nur jede zweite Kraft hat demnach eine Vollzeitstelle. Würden mehr Vollzeitstellen geschaffen, könnte der Beruf für viele wieder attraktiver werden, so das Kalkül. Die Schwierigkeit: Weil es bei der Pflege, bedingt durch den Tagesablauf der Patienten, zu Stoßzeiten beispielsweise am Morgen und Vormittag kommt, helfen sich viele Arbeitgeber mit Teilzeitkräften für diese Zeiträume. Laumann kündigte nun an, Forschung zu unterstützen, die sich mit der Organisation von Vollzeitbeschäftigung beschäftigt.

(jd)
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