Tokio Alter Wahlkampf für junge Leute

Tokio · Morgen wählt Japan ein neues Parlament. Eine Partei aus alten Politikern tritt an, um junge Wähler zu begeistern.

Wenn Takeo Hiranuma von der Eingangstür durch den Raum zum Podium geht, wirkt er ein bisschen klapprig. Hemd und Jackett trägt er im Stil alter Herren, die Haltung ist leicht gebückt. Hiranumas körperliche Verfassung verwundert nicht - der Mann ist schließlich Jahrgang 1939. Was aufhorchen lässt, sind seine Statements: "Wir müssen eine Welt gestalten, in der nicht nur die jungen Menschen von heute, sondern auch die der Zukunft gut leben können", sagt er. Dieser Satz bekommt noch mehr Gewicht, wenn man den Namen seiner Partei kennt: Die im August gegründete Initiative, die der 75-Jährige anführt, heißt "Partei zukünftiger Generationen".

Morgen wählt Japan ein neues Unterhaus, die wichtigere der zwei Kammern im Parlament, die auch den Premierminister bestimmt. Der japanische Regierungschef Shinzo Abe hatte Mitte November den Weg für Neuwahlen freigemacht. Regulär hätte die Legislaturperiode noch zwei Jahre gedauert. Doch Abe erhofft sich durch die Wahlen ein neues Mandat, um seinen Sanierungskurs um weitere vier Jahre fortsetzen zu können.

Die Partei von Hiranuma will es weit bringen - sie erklärt sich zur Stellvertreterin des schwindenden Nachwuchses im Land. Japan gehört durch seine geringe Geburtenrate und eine hohe Lebenserwartung zu den am schnellsten alternden Gesellschaft der Welt. Oft wird dem Land vorgeworfen, dass die Alten über die Jungen herrschen. Hiranumas Partei ist deshalb eine Art politisches Pilotprojekt.

Doch kann dieser alte Mann wirklich junge Wähler begeistern? Die "Partei zukünftiger Generationen" besteht aus mehreren namhaften, alten Persönlichkeiten. Zum Beispiel Shintaro Ishihara, dem langjährigen Bürgermeister Tokios mit viel Erfahrung. Aber auch er hat schon 82 Jahre auf dem Buckel. Wenn das Vorhaben gelingt, wäre es ein Coup. Denn wie in den meisten wohlhabenden Ländern von heute liegt die Wahlbeteiligung junger Menschen auch in Japan weit unter der von älteren Bevölkerungsgruppen.

In Japan gaben bei der vergangenen Wahl 2012 noch 59 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, es waren vor allem ältere Leute. Die Jüngeren wurden dagegen schon als "indifferente Generation" gebrandmarkt: Vom Wohlstand, den ihre Eltern einst erarbeiteten, seien sie verwöhnt, an den Problemen der Zukunft kaum interessiert. Hiranumas "Partei zukünftiger Generationen" hat sich eine schwierige Zielgruppe ausgesucht. Doch konkret wird sie im Wahlkampf mit ihren Forderungen nicht. Man wolle sich eben für die Lebenschancen des Nachwuchses einsetzen, betont Hiranuma.

Ein unverbindlicher Wahlkampf ist in Japan keine Besonderheit. Premierminister Abe hat bis heute nicht ganz klar formuliert, woraus seine oft angekündigten Wachstumsreformen bestehen sollen. Aber die jungen Menschen könnten solche leeren Phrasen eben auch vom Wählen abhalten.

"Ich glaube, die meisten Politiker formulieren ihre Ziele extra so, dass sie alles bedeuten können. Sie sagen nichts aus", findet Haruka Aizawa. Die 21-jährige Studentin hat sich informiert - und weiß trotzdem nicht, wem sie glauben soll. "Ich hätte lieber einen jüngeren Politiker, der unsere Situation auch versteht." Schließlich hätten die jungen Japaner von heute auch Schwierigkeiten: Rund die Hälfte der unter 25-Jährigen hat keine Festanstellung. Hinzu kommt das Rentensystem, das in einer alternden Gesellschaft immer teurer wird.

Selbst bei der "Partei zukünftiger Generationen" liegt das Durchschnittsalter weit über 50 Jahren. Dass Hiranumas Initiative mit einigen Sitzen im Parlament vertreten sein wird, ist aber wahrscheinlich.

"Traditionell denken Menschen in Japan häufig, dass Leute, die aus einer Familie mit einem politischen Stammbaum kommen, gleich auch bessere Politiker sind", sagt Koichi Nakano, Politologe der Sophia-Universität in Tokio. Ob das auch für die Herausforderungen einer alternden Gesellschaft und Wählerschaft gilt, hält auch Nakano für fragwürdig.

Dabei hat die japanische Regierung eine neue Möglichkeit entdeckt, um auch Jungwähler zu begeistern: Zum ersten Mal dürfen Politiker bei einer Unterhauswahl auch online um Stimmen werben. Lange Zeit war das untersagt.

Die Partei von Hiranuma ist auch beim Kurznachrichtendienst Twitter vertreten, lädt Videos auf einer dynamisch und bunt wirkenden Homepage hoch. Nur steht eben auch beim Online-Auftritt über allem das Konterfei eines alten Mannes. "Ich finde nicht, dass die Partei sich über alte Namen vermarkten sollte. Neue, richtige Ideen wären besser", sagt Aizawa.

Unwahrscheinlich ist es deshalb nicht, dass auch die Wähler der "Partei zukünftiger Generationen" vor allem aus älteren Menschen bestehen werden, die es irgendwie gut mit dem Nachwuchs meinen. Aizawa fühlt sich durch die Partei jedenfalls nicht vertreten.

(RP)
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