Charlottesville Amerikas brauner Sumpf

Charlottesville · Ku-Klux-Klan, Alt-Right-Bewegung und andere rechtsextreme Vereine in den USA propagieren Hass gegen Juden und träumen von einem "ethnisch reinen Staatswesen".

McIntire Park, eine Grünfläche am Rande von Charlottesville. Richard Spencer hat sich in den Schatten einer Baumkrone gestellt, um die Augen rote Ränder, die Folge des Einsatzes von Pfefferspray, sein weißes Hemd ist verschwitzt. In einem anderen Park der Stadt, am Denkmal des Bürgerkriegsgenerals Robert E. Lee, musste er zwei Stunden zuvor eine Kundgebung abbrechen, bevor sie begann, nachdem seine Anhänger Gewalt provoziert hatten. Spencer schimpft über die Polizei, er wettert gegen die "kleinen Kriecher" im Rathaus von Charlottesville, gegen Michael Signer, den Bürgermeister.

"Little Mayor Signer", so nennt er ihn. "Signer? Oder Singer? Wie spricht man ihn noch mal aus, den Namen dieses kleinen Fieslings?" Zwei Dutzend seiner Gefolgsleute geben die Antwort im Chor: "Jude!", schreien sie, was Spencer mit zufriedenem Lächeln quittiert.

Zwei Tage darauf, in seinem Büro in Alexandria, einem Vorort von Washington, lädt er zur Pressekonferenz. Neben ihm Bücher, ein einziger Stapel nur, offenbar extra aufgeschichtet für die Kulisse. Spencer, Krawatte, dunkles Jackett, Einstecktuch, spricht im Stil eines kühlen Analysten über den US-Präsidenten: "Ist Donald Trump ein Grund, warum die Alt-Right-Bewegung so weit gekommen ist? Kein Zweifel, das ist er." Trump habe im Wahlkampf weniger von den Themen gesprochen, die Konservative normalerweise in den Vordergrund stellen: Steuersenkungen, Abbau von Regulierung. Sein Thema sei die Einwanderung gewesen, "zwischen ihm und uns" habe es auf eine Weise geklickt, wie es mit herkömmlichen Konservativen undenkbar wäre. "America First. Ja, wir sind auf dieser Welle geritten", doziert Spencer.

Es liegt wohl auch an der Optik, Krawatte und Einstecktuch, dass das Southern Poverty Law Center, eine Bürgerrechtsinstitution, den 39-Jährigen als "akademischen Rassisten" charakterisiert. Auf Spencer geht der verharmlosende Begriff Alt-Right-Bewegung zurück. Er hat in Charlottesville studiert, ein Doktorandenstudium an der renommierten Duke-Universität (Europäische Ideengeschichte) brach er später ab, um in der Redaktion des Magazins "The American Conservative" anzufangen. 2011 übernahm er die Leitung des National Policy Institute, eines rechtsnationalistischen Thinktanks. Weiße Amerikaner, lautet seine zentrale These, gerieten zusehends ins Hintertreffen, während die europäisch geprägte Kultur der USA zerstört werde. "Sie begreifen auf schmerzliche Weise, dass ihre Enkel in einem fremden und feindlichen Land leben werden, sofern nichts Dramatisches geschieht", schrieb er in einer Kolumne. Er träume von einem ethnisch reinen Staatswesen, das für Europäer zum Sammelpunkt werden könne. Dass dies möglich sei, habe die Friedenskonferenz nach dem Ersten Weltkrieg gezeigt, als neue Nationalstaaten entstanden, in Spencers Worten ein Beispiel für "erfolgreiche ethnische Umverteilung".

David Duke, ebenfalls in Charlottesville präsent, war Anführer des Ku-Klux-Klans (KKK), jenes Geheimbunds, der nach der Bürgerkriegsniederlage der Südstaaten - und der damit einhergehenden Sklavenbefreiung - gegründet wurde. Bereits Anfang der Siebzigerjahre, damals Student in Baton Rouge, ließ er Sympathien für die Nazis erkennen. Hatte sich der Hass des Klans zuvor in erster Linie gegen Afroamerikaner gerichtet, verschob Duke den Fokus und nahm vor allem Juden ins Visier. 1989 wurde er in die Abgeordnetenkammer Louisianas gewählt: Er war angetreten als ein Republikaner, der für niedrige Steuern plädierte, und hatte den Eindruck erweckt, als wolle er sich von seiner KKK-Vergangenheit distanzieren. 1990 kandidierte er erfolglos für den US-Senat, 2006 nahm er an einer Konferenz von Holocaust-Leugnern in Teheran teil. Im vergangenen Jahr sorgte er für Aufsehen, als er Trump mit Beginn der Primaries zur Wahl empfahl und die Hörer seiner Radiosendung aufforderte, sich als Freiwillige in den Dienst der Kampagne des Baulöwen zu stellen. Statt sich von Duke zu distanzieren, gab Trump zunächst vor, den Mann nicht zu kennen.

Jason Kessler, Organisator der Kundgebung "Vereint die Rechte" in Charlottesville, begann Ende 2015 unter dem Titel "Jason Kessler, ein amerikanischer Autor" zu bloggen, Lifestyle-Tipps eingeschlossen. Im Mai wurde er wegen offen rassistischer Ansichten von der Redaktion des "Daily Caller", einer konservativen Website, entlassen. Werden die Denkmäler von Südstaatengenerälen abgerissen, spricht er vom Beginn eines kulturellen Bürgerkriegs. Die Demontage sei Teil einer breit angelegten Attacke gegen Weiße, die sich mit einer Existenzkrise konfrontiert sähen.

Matthew Heimbach, einst Geschichtsstudent an der Towson University im Bundesstaat Maryland, ist besessen von der Idee der Rassentrennung. Schwarze Amerikaner, sagte er einem Dokumentarfilmer, könnten im Süden der USA oder in Städten wie Detroit ihr eigenes "Heimatland" gründen; man könne friedlich damit koexistieren. Heimbach leitet die Traditionalist Worker Party, die sich Hitlers Nationalsozialisten zum Vorbild nimmt.

Christopher Cantwell gibt der Alt-Right-Bewegung mit seiner mittels Livestream verbreiteten Radio-Talkshow "Radical Agenda", gesendet aus seiner Wohnung in Keene im Neuengland-Staat New Hampshire, an drei Tagen pro Woche eine Medienplattform. 2009 bewarb er sich als Vertreter der Libertären, nach deren Überzeugung die Aufgaben des Staates auf das Allernotwendigste zu beschränken sind, um einen Sitz im amerikanischen Repräsentantenhaus. Heute spricht er unverhohlen von einem Rassenkrieg.

(RP)
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