Analyse Kann der Papst Priesterinnen zulassen?

Düsseldorf · 1994 sprach Johannes Paul II. sein großes Nein gegen die Frauen-Ordination. Jetzt wird erneut über die Unumstößlichkeit des Vetos diskutiert. Beim Zölibat ist es einfacher: Franziskus könnte ihn rechtlich sofort revidieren.

Papst Franziskus spendet den Oster-Segen
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Das Interview mit Kölns Weihbischof Dominikus Schwaderlapp mit Aussagen gegen Priesterinnen und für den Zölibat hat Aufsehen erregt. Ein Grund, in einer heute beginnenden Artikel-Serie zunächst der Frage nachzugehen, ob und wie grundstürzende päpstliche Erneuerungen möglich wären.

Frauenpriestertum: "Roma locuta, causa finita"? Salopp: "Rom hat gesprochen und damit basta"? Ist es tatsächlich wie in Stein gemeißelt, dass Frauen in der katholischen Weltkirche keine Priesterinnen und Bischöfinnen werden können? Papst Johannes Paul II. (1978 - 2005) dekretierte: Ja, so sei das; er führte den Allerhöchsten als Zeugen an: Christus habe seiner Kirche ausdrücklich nicht den Auftrag zur Berufung von Priesterinnen erteilt. So geschehen in dem legendären Apostolischen Schreiben "Ordinatio Sacerdotalis", veröffentlicht zu Pfingsten 1994, geschrieben "An die Bischöfe der katholischen Kirche über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe".

Papst Franziskus im Heiligen Land
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Der letzte Satz hat es in sich. Er stützt nach herrschender theologischer, kirchenrechtlicher Meinung die Vermutung, dass es sich bei dem Dokument zwar nicht um ein vom Papst verkündetes klassisches Dogma, aber um etwas Dogmengleiches, mithin fortan Unumstößliches handele. Der letzte Satz lautet: "Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen endgültig an diese Entscheidung zu halten haben." Das Nein wird als Ausfluss göttlichen Ratschlusses ("Ius divinum positivum") begriffen und das Verbot der Frauenordination somit anscheinend jeglicher, also auch der Korrektur des "Vicarius Christi", des Stellvertreters Christi auf Erden, entzogen.

Wie üblich bei Juristen, demnach auch unter Kirchenjuristen, gibt es zu demselben Sachverhalt unterschiedliche, jeweils begründete Rechtsauffassungen. Ein süddeutscher Universitäts-Theologe, der ungenannt bleiben möchte, verweist darauf, dass eine Minderheit der Kirchenrechtler die Ansicht vertrete, dass es sich bei dem Apostolischen Schreiben nicht um eine dogmatische oder dogmengleiche Entscheidung handele; er betont zugleich, dass die zuständige vatikanische Kongregation für die Glaubenslehre (damals vertreten durch Kurienkardinal Joseph Ratzinger, der 2005 zum Papst gewählt wurde) mehrfach nach 1994 unmissverständlich zu verstehen gegeben habe, dass nun das Nein zu Priesterinnen ein für allemal Gültigkeit besitze. Unverblümt drückt es der frühere Nuntius des Papstes in Deutschland, Erzbischof Jean-Claude Perisset, aus: Die Absage des Frauenpriestertums gehöre zum Dogma. Wer über Priesterinnen rede, "der spricht ins Nichts".

Papst Franziskus betet an Klagemauer
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Foto: ap

Was aber, wenn Papst Franziskus zu anderer Überzeugung käme? Schließlich ist der Papst oberster Souverän in sämtlichen die Weltkirche betreffenden Angelegenheiten, so gesehen der mächtigste Mensch auf Erden, über dem sich allein noch der Himmel wölbt. Hätte er dann nicht auch die Freiheit, eine 2000 Jahre alte Praxis zu ändern? Handelte es sich bei "Ordinatio Sacerdotalis" um einen unumstößlichen Glaubenssatz der universalen Kirche, dann wären Franziskus die Hände gebunden. Genauso wenig könnte er das von Pius XII. (1939 - 1958) verkündete Dogma von der leiblichen Aufnahme der Gottesmutter in den Himmel für nichtig erklären.

Der Paderborner Kirchenrechtler Rüdiger Althaus sagt unserer Zeitung, er gehe davon aus, dass die dogmenähnliche Entscheidung nur aufgrund ganz neuer, vertiefter theologischer Forschung geändert werden könnte. Und das, so Althaus, nähme mehrere Jahrzehnte in Anspruch. Der Paderborner Kirchenrechtler betont außerdem, es sei natürlich nicht ausgeschlossen, dass sich Papst Franziskus oder seine Nachfolger der Minderheitsmeinung anschlössen, die das Nein zum Frauenpriestertum von 1994 nicht für unumstößlich erachtet. In dem Fall könnte beispielsweise Franziskus seinerseits lehramtlich neu, nämlich zugunsten von Priesterinnen entscheiden. Er wird dies nach Althaus' Einschätzung jedoch niemals riskieren, weil dann nach dem Beispiel der Anglikaner der katholischen Kirche eine Spaltung drohe.

Papst segnet zum Tode verurteilte sudanesische Christin
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Franziskus hätte im Übrigen eine zweitausendjährige Tradition und im weltweiten Maßstab womöglich die Mehrheit der Bischöfe, Priester und sonstigen Gläubigen gegen sich. Der am römischen Germanicum geschulte Theologe und Religionslehrer a.D. Franz Hein Aengenheister aus dem niederrheinischen Rheurdt, spricht für jene kritischen Katholiken, die aus der Tatsache, dass Jesus im Abendmahlsaal nur Männer zu Aposteln berufen hat, bloß Ausfluss des damaligen Zeitgeistes sehen. Laut Aengenheister hat der Heilige Geist die Zeichen der Zeit längst so gedeutet, dass "die Frau wirklich gleich ist vor Gott". Die zwölf Apostel stünden für die zwölf Stämme Israels und nicht für eine gottgewollte Maskulinität der Priesterschaft.

Theologisch einfacher liegt die Sache beim kirchlichen Gebot priesterlicher Ehelosigkeit. Der Zölibat ist kein Dogma, auch nichts Dogmenähnliches, was zuletzt Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin betont hat. Parolin: "Man kann über jene Themen diskutieren und nachdenken, die keine Dogmen sind." Man müsse dabei jedoch Gottes Wille und der Geschichte der Kirche folgen. Vor 40 Jahren stellten bereits einmal namhafte Theologen den Zölibat zur Debatte, darunter der Jesuit Karl Rahner - und ein gewisser Joseph Ratzinger.

Althaus und Aengenheister sagen: "Den Zölibat könnte der Papst sofort abschaffen." De facto würde er aber Rücksicht auf die Meinung der Bischöfe nehmen. Dies liegt auch an dem uralten kirchlichen Grundsatz "Maior et sanior pars", was bedeutet, dass jede weittragende Revision auf ein breites innerkirchliches Fundament zu stellen ist.

(RP)
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