Angela Merkel zu Besuch in Griechenland Kanzlerin Merkel: "Das Glas ist halbvoll"

Athen · Bundeskanzlerin Angela Merkel ist zu Besuch in Griechenland. Sie will sich einen Überblick über die wirtschaftliche Lage des Landes verschaffen. Angesichts der Veränderungen im Land glaube sie, dass Griechenland "mehr Möglichkeiten offen stehen, als sich Schwierigkeiten ergeben werden".

So läuft der Besuch der Kanzlerin
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Die Kanzlerin wirkt entspannt bei ihrer ersten Griechenland-Reise seit anderthalb Jahren. Die Athener Regierung hat zum ersten Mal seit Beginn der Staatsschuldenkrise im April 2010 auf dem freien Kapitalmarkt wieder um Kredit nachgefragt, und die Anleger rannten den Griechen den Laden ein. Siebenfach überzeichnet war die Anleihe, die Athen auf den Markt warf. Zwar sind drei Milliarden angesichts des Gesamtschuld von 320 Milliarden Euro nur ein kleiner Bruchteil, aber die griechische Regierung ist stolz darauf, dass sie nun wieder kreditwürdig ist.

Ein Wendepunkt? Kanzlerin Angela Merkel ist noch nicht restlos überzeugt. Die Griechen "sind auf einem guten Weg", meint sie durchaus anerkennend. Allerdings sei die erfolgreiche Platzierung der Anleihe für sich genommen noch "kein Wendepunkt". Als gute Psychologin weiß sie aber auch, dass die Griechen Lob brauchen. So spricht sie von einem "positiven Signal" für die Wirtschaft des Landes. Der niedrige Zins - unter fünf Prozent - dürfte vor allem den griechischen Unternehmen weiterhelfen. Die waren auf dem Höhepunkt der Krise Zinssätze von annähernd 40 Prozent ausgesetzt - der Tod jeder Investition. Kritischen Fragen nach der Nachhaltigkeit und der Zuverlässigkeit der Daten begegnet Merkel mit einem bemerkenswerten Vertrauensvorschuss. Die Zahlen seien sauber gerechnet, die Spezialisten vom Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank und der EU-Kommission hätten alles überprüft. Erinnerungen an den Euro-Eintritt der Griechen, als die Behörden mit Hilfe von Investmentbanken alle kritischen Zahlen nach unten manipulierten, werden zwar sofort wach. Trotzdem ist es nicht mehr so leicht wie damals, als alle betrogen werden wollten. Den Investoren scheint es ohnehin egal zu sein.

Merkel trifft junge Unternehmer

Merkel will bei ihrem Besuch vor allem Zuversicht verbreiten. Gleich zu Beginn trifft sie sich mit jungen Unternehmern, die trotz aller Schwierigkeiten in Griechenland investieren wollen. "Ich fühle mich ein bisschen an die Zeit von 1990 in meinem Wahlkreis im Norden Ostdeutschlands erinnert", sagt die Kanzlerin zur Einleitung. "Die Schwierigkeiten waren ähnlich groß. Viele Berufe waren überflüssig. Außerdem benötigten die Unternehmen viel weniger Personal."

In Ostdeutschland ist die Lage besser geworden. Aber auch in Griechenland? Der junge Konstantinos Kazanis etwa hat eine Software für kleine Einzelhändler entwickelt. Es ist eine Plattform, die Verkäufe der Einzelhändler optimieren soll, ihnen helfen soll, ihre Kunden besser zu verstehen und auch die Verbindung zu den Zulieferern halten soll - ein integriertes Business System, wie Kazanis stolz erzählt. Er nennt aber auch die Schwierigkeiten in der Wirtschaftskrise. Banken seien sehr zurückhaltend mit Wagniskapital. Die Firma müsse Sicherheiten stellen, die sie nicht hat. "Eine Idee allein reicht nicht", heißt es.

Globaldarlehen von 100 Millionen Euro für griechische Unternehmer

Für Unternehmer wie Kazanis hat Merkel etwas mitgebracht. Sie will zusammen mit Finanzminister Wolfgang Schäuble und ihrem Wirtschaftsbeauftragten für Griechenland, Entwicklungshilfe-Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel, eine Mittelstandsbank für Griechenland ins Leben rufen, vergleichbar der deutschen Staatsbank KfW. Dafür stellt Deutschland ein bilaterales Globaldarlehen von 100 Millionen Euro zur Verfügung. Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat schon grünes Licht gegeben.

Die Summe ist zwar bescheiden mit Blick auf die Bedürfnisse des neuen Mittelstands in Griechenland. Doch die Idee ist ausbaufähig. Wenn die neue Bank etabliert ist, kann sie Mittel auf dem Kapitalmarkt aufnehmen. Was dem Staat Griechenland glückt, dürfte einer hoffnungsvollen Staatsbank auch gelingen. Auch dafür soll die erste Kapitalanleihe der Athener Regierung seit 2010 den Grundstein legen.

Längst sind auch alle Geschäftsideen nicht so zukunftsträchtig wie die von Kazanis. So bietet ein anderes Unternehmen namens Incrediblue Jachtreisen auf der Ägäis an, das klingt nicht so originell. Ein anderes will Hotelzimmer im Internet anbieten, da gibt es längst etablierte Konkurrenten. Doch die anderen der 24 Start-up-Unternehmen haben durchaus interessante Modelle. Sie wollen griechische Produkte besser vermarkten, die Werbung mittelständischer Markenanbieter optimieren, Mobilfunk-Anwendungen marktfähig machen oder die Qualität von Hochpreis-Produkten sicherstellen. Ob es klappt oder nicht, die jungen Unternehmer versuchen es wenigstens. Und das in einem Land, in dem die Zuversicht zuletzt nicht immer groß geschrieben wurde.

Landwirtschaft und Tourismus sind wieder gut im Geschäft

Tatsächlich ist die Wirtschaft auch an anderen Stellen angesprungen. Ganz stark sind die Landwirtschaft und der Tourismus wieder ins Geschäft gekommen. In diesem Jahr erwartet Griechenland fast 20 Millionen Besucher - ein neuer Rekord. Merkels Griechenland-Beauftragter Fuchtel empfiehlt den Griechen, nun in die Breite zu gehen. Wanderurlaub auf dem Olymp, Osterferien auf Santorin. "Die Griechen brauchen den Mallorca-Effekt", fordert der CDU-Staatssekretär. Die günstige Entwicklung der beiden Branchen wird auch durch eine massive Lohnsenkung unterstützt. Nachdem die Lohnstückkosten zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts über den deutschen lagen, sind die Griechen nun wieder deutlich darunter. "Das macht das Land wettbewerbsfähig", meint Merkel.

Griechenlands Ministerpräsident Antonis Samaras ist stolz auf das Erreichte. Er will nun etwas Luft zum Atmen. Wenn er etwa in den Plänen unter den Vorgaben der Troika aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und EU-Kommission bleibe, die die Vorgaben der Kreditgeber überwachen, so möchte er einen Teil davon investieren. Um die Bedingungen der Wirtschaft zu verbessern und so schneller aus der Talsohle zu kommen. Dafür hat sogar Merkel Verständnis.

Kaum wütende Protestanten auf den Straßen

Merkel kommt auch in ein Land, das der Proteste überdrüssig geworden ist. An heiklen Stellen ihres Fahrwegs vom Flughafen zum Hilton Hotel in der Innenstadt, wo sie die Start-up-Unternehmen trifft, sind diesmal keine wütenden Demonstranten zu sehen, die Merkel auf ihren Transparenten mit Hitler-Bärtchen zeigen. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass die griechischen Behörden nur eine Demonstration am frühen Abend um fünf Uhr genehmigt haben. So erlebt die Kanzlerin derzeit ein neues Griechenland-Gefühl. Auch wenn ihr Amtskollege Samaras da wohl etwas nachgeholfen hat. Man kann gespannt sein, wie lange es andauert.

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