Persönlich Angelo Provenzano . . . erzählt von Papa, dem Mafioso

Es ist für viele Touristen der Höhepunkt des Tages: 18 Uhr, Hotel "Plaza Opera" in Palermo. Der US-Veranstalter hat ein Treffen mit Angelo Provenzano arrangiert. Thema: die Mafia. Der 39-Jährige ist nämlich der erstgeborene Sohn eines Mannes, der die blutige Geschichte der sizilianischen Cosa Nostra über Jahrzehnte bestimmte. Bernardo Provenzano war einer der größten Verbrecher aller Zeiten. 43 Jahre war er auf der Flucht; nach elf Jahren als "Boss der Bosse" wurde Provenzano 2006 gefasst.

In Italien löst die Touristen-Diskussion mit Angelo Provenzano Irritationen aus. Denn von seinem Vater und der Cosa Nostra hat er sich nie klar distanziert. "Widert Sie die Mafia an?", wurde Provenzano junior vor drei Jahren von einer Reporterin gefragt. Er entgegnete: "Mich stört jede Art von Gewalt." Seinem inzwischen 82 Jahre alten und offenbar schwerkranken Vater, der nach insgesamt zehn Verurteilungen zu lebenslänglichen Haftstrafen inzwischen das neunte Jahr in Haft sitzt, will der Filius kein Haar krümmen. Er verteidigt seine regelmäßigen Auftritte vor den Touristen mit dem Hinweis, er brauche Arbeit und sei von den Möglichkeiten des Tourismus-Sektors überzeugt.

Also referiert Angelo Provenzano immer samstags vor einer Kleingruppe, meist auf Englisch. Er berichtet von den ersten 16 Jahren seines Lebens, auf der Flucht mit dem Vater. Von dessen Familiensinn und davon, wie schwierig es ist, den Namen Provenzano zu tragen.

Anti-Mafia-Aktivisten auf Sizilien protestieren. Staatsanwälte wüssten zudem gern, wo sich das illegal angehäufte Vermögen des weiterhin schweigenden Bosses befindet und was die Familie über die Verhandlungen zwischen Cosa Nostra und italienischem Staat Anfang der 90er Jahre weiß. Erkenntnisse über die Flucht Provenzanos könnten neue Ermittlungen in Gang bringen. Gegen Angelo Provenzano wurde einst auch ermittelt, das Verfahren aber 2009 ohne Ergebnis eingestellt.

(RP)
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