Berlin Angriffe wohl auch auf Computer von Regierungsmitgliedern

Berlin · Die Cyber-Attacke auf den Bundestag am vergangenen Freitag weitet sich offenbar aus. Abgeordnete reagieren verärgert.

Bei dem bisher schwersten Angriff auf das IT-System des Bundestages haben Hacker offenbar gezielt Rechner von Regierungsmitgliedern ins Visier genommen. Derzeit wird geprüft, ob etwa Computer aus dem Bundestagsbüro von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von der Cyber-Attacke betroffen sind. Das bestätigte ein Sprecher des Bundestages. Neue Angriffe seien nicht festgestellt worden, auch ein Datenabfluss sei bisher nicht nachweisbar, so der Sprecher.

Am vergangenen Freitag war bekanntgeworden, dass Computer in mehreren Bundestagsbüros Ziel eines bislang beispiellosen Angriffs geworden waren, der mehrere Tage angedauert hatte. Bis heute ist jedoch unklar, wer hinter der Attacke steckt. Die Hacker hatten einem Bericht von "Spiegel Online" zufolge Anfang Mai zunächst die Computer einer Fraktion mit einem sogenannten Trojaner infiziert und sich so Zugang zu Administrator-Passwörtern verschafft. Damit sei es ihnen gelungen, ins gesamte Bundestags-Netzwerk einzudringen. Zudem hätten die Angreifer mehrfach versucht, "umfangreiche Datenmengen" abzuzweigen, so der Bericht.

Doch obwohl die Attacke Tage zurückliegt, sind die Abgeordneten bisher nicht von der Bundestagsverwaltung informiert worden. Der Unmut über diese Kommunikationsstrategie ist entsprechend hoch. Steffi Lemke, Innenexpertin der Grünen-Fraktion im Bundestag, sagte unserer Zeitung, es sei ärgerlich, "dass permanent Informationen über den Cyberangriff an die Öffentlichkeit sickern, während die detaillierte Information des Bundestages noch nicht erfolgt ist". Dennoch stellte sie klar: "Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind keine Rechner der grünen Bundestagsfraktion betroffen." Sie erwarte weitere Informationen aus der Sitzung der sogenannten IuK-Kommission des Ältestenrates im Bundestag am heutigen Donnerstag. Lemke ist selbst Mitglied in dem Gremium, das die Informations- und Kommunikationstechniken des Bundestages beaufsichtigt und über deren Auswahl entscheidet.

Unterdessen wollte die Bundestagsverwaltung auf Anfrage keine Stellung zu dem Vorgang beziehen, "um die weiteren Abwehrmaßnahmen nicht zu gefährden". Auch die zuständige Vizepräsidentin des Bundestages, Petra Pau (Linke), wollte sich gestern nicht äußern. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik sind beauftragt, die Cyber-Attacke aufzuklären. Wie weit sie mit ihren Ermittlungen bisher gekommen sind, blieb noch unklar.

Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass es auf Druck der Abgeordneten eine grundsätzliche Debatte über die IT-Sicherheit an den Arbeitsplätzen ihrer Büros im Bundestag geben könnte. Zumal aufgrund des unklaren Ermittlungsstands nun selbst die Kommunikation vertraulich arbeitender Gremien nicht mehr als sicher angesehen werden kann. So zeigte sich etwa der SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Christian Flisek, besorgt. "Ich hoffe, dass der Vorfall zum Anlass genommen wird, einmal grundsätzlich über eine bessere Sicherung unserer IT-Systeme nachzudenken", sagte Flisek "Spiegel Online".

(jd)
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