Pflegerat des Landes empört NRW: Anti-Folter-Stelle soll Heime überprüfen

Düsseldorf · Künftig sollen in NRW nicht nur Polizeistationen und Gefängnisse, sondern auch Altenheime von der staatlichen Stelle zur Verhütung von Folter Besuch bekommen. Die Heimleiter sind empört.

Die Altenheime in NRW müssen sich darauf einstellen, künftig von der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter kontrolliert zu werden. Die Innenministerkonferenz, die vom 4. bis 6. Dezember in Osnabrück tagt, soll die Bereitstellung der erforderlichen Mittel beschließen.

Bislang hat die Kommission lediglich Polizeidienststellen und Justizeinrichtungen besucht. "Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter ist eine Schutzeinrichtung für die Menschen in unserem Land", sagte NRW-Justizminister Thomas Kutschaty. "Insofern begrüße ich ausdrücklich, dass sie ihre wichtige Arbeit auch auf andere Stellen ausweitet", fügte der SPD-Politiker hinzu.

Die Anti-Folter-Stelle hat in den vergangenen Jahren bereits 54 Prüfberichte über Missstände bei Polizei und Justiz verfasst. Ziel ist es, Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Schon bei der Gründung der Kommission wurde ihr auch eine Zuständigkeit für die Kontrolle der Heime eingeräumt. Bislang fehlte es an der personellen Ausstattung, um den Aufrag erfüllen zu können.

Pflegerat: "Generalverdacht" eine Beleidigung

Nun sollen die Innenminister das Budget erhöhen, damit die erforderlichen Stellen geschaffen werden können, um mit dem Besuch der Heime zu beginnen. In den Senioreneinrichtungen wollten sich die Mitglieder der Anti-Folter-Stelle insbesondere einen Überblick über den Umgang mit Fixierungen, Ruhigstellungen mit Medikamenten und die ausreichende Flüssigkeitsversorgung der Bewohner verschaffen, sagte ein Sprecher.

Die Betreiber der Alten- und Pflegeeinrichtungen in NRW wurden jetzt darüber informiert, dass sie den Mitgliedern der Kommission jederzeit den Zutritt erlauben müssen. Der Vorsitzende des Pflegerats NRW, Ludger Risse, ist entsetzt über die Pläne. "Die Heime werden bereits jetzt durch die Heimaufsicht und den Medizinischen Dienst der Krankenkassen überwacht", sagte Risse.

"Zusätzliche Kontrollen durch eine Anti-Folter-Stelle erwecken den Eindruck, als ob die Bewohner in den Altenheimen in der Gefahr schweben würden, gequält zu werden", ergänzte Risse. Dieser "Generalverdacht" sei eine Beleidigung für die Beschäftigten in der Altenpflege. Günter Schröder, Geschäftsführer eines Caritas-Altenzentrums in Herbede, spricht von Rufmord. "Solche Signale aus der Politik sind für das Ansehen des Pflegeberufs extrem schädlich", sagte der Heimleiter.

Diskussion auch in der NRW-Politik

Auch in der Landespolitik haben die geplanten Kontrollen eine Kontroverse ausgelöst. Dagmar Hanses, Justizexpertin der Grünen, erklärte, es sei eine richtige Entscheidung, die Aufgaben der Anti-Folter-Stelle zu erweitern. Sie könne nachvollziehen, dass der Name der Kommission "befremdlich" klinge. Doch gerade Menschen, die sich selbst nicht helfen könnten, bräuchten eine Lobby, sagte Hanses.

Peter Preuß, Gesundheitsexperte der CDU im Landtag, sprach sich gegen die Kontrollen aus. "Wir dürfen der Öffentlichkeit nicht das Zerrbild vermitteln, dass in unseren Heimen gefoltert wird", sagte der Unionspolitiker. Es dürfe nicht zu einer Kriminalisierung der Pflegekräfte kommen. Dessen ungeachtet müsse eine Kontrolle der Heime stattfinden. "Die bewährten Strukturen sollten wir beibehalten und effektiver machen", sagte Preuß.

In Deutschland werden nach Schätzungen der Pflegekassen rund 14.000 Heimbewohner ohne richterliche Anordnung festgebunden. Illegale Fixierungen erfüllen den Straftatbestand der Freiheitsberaubung.

(gmv)
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