Antisemitismus von links

Ein Beitrag von zwei Wissenschaftlern weist auf israelfeindliche Tendenzen in der Linkspartei hin. Die Vorsitzende Gesine Lötzsch nennt die Vorwürfe "absurd" und fordert eine Zwei-Staaten-Lösung.

Düsseldorf/Berlin Die Linke wehrt sich gegen den Vorwurf, antisemitische Strömungen würden in ihrer Partei toleriert oder seien sogar Konsens. Dies werfen der Gießener Sozialwissenschaftler Samuel Salzborn und sein Kollege Sebastian Voigt (Universität Leipzig) der Linken in einem bisher unveröffentlichten Beitrag vor, den die "Frankfurter Rundschau" publik gemacht hat. Die Wissenschaftler wollen beobachtet haben, dass eine Dämonisierung der Politik Israels und eine einseitige Parteinahme zugunsten der Palästinenser inzwischen "die äußere Wahrnehmbarkeit" der Partei bestimmen. Das könnte auch für Deutschland problematisch werden, wenn die Linke Regierungsverantwortung tragen sollte, so die Autoren.

Sie sehen sich in ihrer Kritik vor allem wegen der Teilnahme eines früheren und zweier aktueller Bundestagsabgeordneter an der Gaza-Flottille bestätigt. Auf den international besetzten Schiffen, die im Juli 2010 Hilfsgüter nach Gaza bringen wollten, war es zu Auseinandersetzungen mit der israelischen Marine gekommen. Es gab Tote und Verletzte. Die Abgeordneten hätten sich danach innerhalb ihrer Partei nicht dafür rechtfertigen müssen, dass sie mit "radikalen Islamisten und profaschistischen Organisationen zusammengearbeitet haben", kritisieren die Autoren des Beitrags.

Die Bundestagsabgeordnete Annette Groth habe damals von einem "geplanten Killing", also einem gezielten Tötungsvorhaben der Teilnehmer durch die israelischen Militärs, gesprochen. Für Autor Samuel Salzborn steht fest: "Die Linkspartei legt an Israel andere Standards an als an andere Länder und nimmt einseitig Partei für die Palästinenser."

Aus seiner Sicht kann man Antizionismus, die Ablehnung eines jüdischen Staates Israel, nicht vom Antisemitismus trennen. "Dass das geht, glaubt nur die Linkspartei", sagte Salzborn unserer Zeitung. Er sieht die Solidarität mit Israel als Teil der "deutschen Staatsräson", auf die sich der Bundestag verständigt hat, von der Partei infrage gestellt.

Parteivorsitzende Gesine Lötzsch bezeichnete die Vorwürfe als "absurd". Sie hält die Studie für einen "agitatorischen Aufsatz". "Keines der Kriterien, nach denen Antisemitismus definiert wird, trifft auf die Linkspartei zu", sagte Lötzsch unserer Zeitung. Und weiter: "Wir lehnen jegliche Infragestellung des Existenzrechtes Israels ab und sind für eine Zwei-Staaten-Lösung und die Anerkennung der Grenzen." Sie sei im vergangenen Jahr selbst überrascht gewesen, "dass Fraktionsmitglieder von uns auf den Schiffen waren". Lötzsch wollte die Teilnahme an der Aktion nicht offen kritisieren, sagte aber: "Bei jeder politischen Aktion muss man sich die Frage stellen, ob sie einen Beitrag zur Lösung des Konflikts leistet."

Zum Vorwurf der Autoren, Abgeordnete der Linken seien nach einer Rede des israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres im Bundestag nicht aufgestanden, sagte Lötzsch: "Ich fand es richtig aufzustehen, allerdings finde ich es auch absurd, Abgeordneten, die nicht aufgestanden sind, Antisemitismus vorzuwerfen." Die Linken-Abgeordnete Inge Höger, damals an Bord des Gaza-Schiffs, hält es für einen Missbrauch des Begriffs Antisemitismus, "wenn man ihn pauschal Kritikern israelischer Politik vorwirft".

Wirbel hatte in NRW Ende April ein antisemitisches Pamphlet ausgelöst, das von der Internetseite der Duisburger Linkspartei aufgerufen werden konnte. Unter der Überschrift "Nie wieder Krieg für Israel" wurde darin zum Boykott israelischer Produkte aufgerufen. Die Rede war von einem "Schurkenstaat". Weiter hieß es: "Tretet der moralischen Erpressung durch den sogenannten Holocaust entgegen." Das Ganze war mit einem Symbol versehen, das einen mit einem Hakenkreuz verbundenen Davidstern zeigte.

Nach Bekanntwerden der Schmähschrift nahm die Duisburger Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Volksverhetzung auf. Die Duisburger SPD – ihr Vorsitzender ist NRW-Innenminister Ralf Jäger – forderte von der Linkspartei zwar eine Erklärung; die Zusammenarbeit von SPD und Linken im Stadtrat, die beide Seiten vor einigen Monaten vereinbart haben, stand aber nicht zur Disposition.

"Die Linkspartei ist nicht nur von Linksextremisten, sondern ganz offensichtlich auch von Antisemiten unterwandert", empörte sich CDU-Generalsekretär Oliver Wittke. Linken-Fraktionschef Wolfgang Zimmermann stellte diese Woche im Landtag noch einmal klar, dass der Boykott-Aufruf von Unbekannten mit der Internetseite der Linkspartei verlinkt worden war und dass seine Partei Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt habe.

Ein Einzelfall? Schon vor zwei Jahren hatte die Duisburger Linkspartei wegen antiisraelischer Äußerungen Aufsehen erregt. Ihr Fraktionschef Hermann Dierkes soll damals zum Boykott israelischer Waren aufgerufen und das Existenzrecht Israels als "läppisch" bezeichnet haben.

(RP)
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