Anton Hofreiter im Interview „Schweine stehen so dicht gedrängt, dass sie sich kannibalisieren“

Hamburg · Die Grünen stärken ihren ökologischen Markenkern: Auf dem Parteitag in Hamburg haben sie Forderungen nach stark verbesserten Lebensmittel-, Tierschutz- und Umweltstandards verabschiedet. Fraktionschef Anton Hofreiter erläutert im Interview, was die Grünen in der Landwirtschaft anprangern und was sich für die Verbraucher ändern soll.

 Hofreiter fordert strengere Tierschutzstandards für eine verträglichere Nahrungsmittelproduktion.

Hofreiter fordert strengere Tierschutzstandards für eine verträglichere Nahrungsmittelproduktion.

Foto: dpa, rje wst

Die Grünen wollen die Ernährungspolitik wieder zu ihrem Markenzeichen machen. Warum?

Hofreiter Wir wollen gute Lebensmittel für alle und den Bürgern deutlich machen, wie sehr die Qualität ihrer Lebensmittel und des Trinkwassers inzwischen durch fragwürdige Methoden der Produzenten bedroht ist. Ein Drittel der Klimakatastrophe wird durch die agro-industrielle Landwirtschaft verursacht. Deutschland hat in der EU das am stärksten nitratverseuchte Grundwasser aller Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Malta. Die Hauptursache dafür ist, dass wir heute das Zentrum der Massentierhaltung in Europa sind. Wir brauchen eine Agrarwende, von der Verbraucher wie auch Bauerinnen und Bauern profitieren.

Wie wollen die Grünen das ändern, was fordern sie?

Hofreiter Wir fordern, dass Tiere mehr Platz im Stall und wieder Auslauf auf der Wiese bekommen. Heute können Produzenten Hühner sogar in Gewerbegebieten halten, wenn sie wollen. Wir wollen, dass die Tierhaltung wieder an die landwirtschaftliche Fläche der Betriebe gebunden ist. Wir brauchen strengere Tierschutzstandards. Schweine stehen heute oft so dicht gedrängt, dass sie beginnen, sich gegenseitig zu kannibalisieren. Wir fordern die Zertifizierung von Futtermitteln. Zu viele Antibiotika in den Futtermitteln tragen wesentlich dazu bei, dass wir alle gegen Antibiotika zunehmend resistent werden. Deswegen braucht es strengere Kontrollen für den Einsatz von Antibiotika. Und wir wollen auch verhindern, dass Landwirte weiter Gülle so entsorgen, dass sie ins Grundwasser gelangt.

Welche Folgen hat das für die Verbraucher?

Hofreiter Wie wir Lebensmittel produzieren und konsumieren, ist eine der zentralen ökologischen und sozialen Fragen unserer Zeit. Wenn wir unsere Forderungen durchsetzen, müssen Verbraucher nicht mehr fürchten, dass sie unwissentlich tierquälerisch produziertes Fleisch kaufen. Verbraucher sollen auf den Lebensmitteln besser erkennen können, wie, wo und mit welchen Zusätzen sie produziert wurden. Hier fordern wir neue Transparenz-Vorschriften bei der Etikettierung. Zum Beispiel steht auf Joghurts bisher oft: Ohne künstliche Aromen, mit Fruchtzubereitung. Tatsächlich können im Joghurt aber immer noch künstliche Aromen enthalten sein. Wollen Sie einen Erdbeer-Joghurt, dessen Erdbeeraroma mit Schimmelpilzen produziert wird, die auf Holzspänen gezogen werden? Ich nicht! Ich will, dass wir Grüne die Anwälte des Verbraucher- und Umweltschutzes sind.

Und mit der grünen Forderung, donnerstags einen Veggie-Day in öffentlichen Kantinen einzuführen, hat das alles nichts mehr zu tun?

Hofreiter Wir wollen nicht den Konsumenten etwas vorschreiben oder verbieten, sondern die Produktionsstrukturen in der Landwirtschaft und der Ernährungsindustrie verändern. Der Veggie-Day ist vom Tisch. Das war ein unpolitischer Vorschlag. Wir freuen uns über Menschen, die nachhaltig konsumieren, aber es ist uns als Partei egal, ob und wann jemand Fleisch isst. Nicht egal ist uns, wie Fleisch hergestellt wird und ob durch Fleischproduktion unsere Lebensgrundlagen zerstört werden.

Die Fragen stellte Birgit Marschall.

(mar)
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