Schwerer Weg zur SteuerreformSteuerreform: Großer Wurf statt Sprechblasen
Berlin (rpo). Eine grundlegende Steuerreform wollen beide, Union wie Bundesregierung. Und beide verlangen ein Konzept als Voraussetzung für neue Gespräche. In ihren jeweiligen Klausuren präzisierten beide Lager ihre Vorstellungen. Die einen forderten den "großen Wurf", die andere kritisierten "nichts als Sprechblasen".Finanzminister Hans Eichel (SPD) und andere führende Koalitionspolitiker schlossen eine weitere Senkung des Spitzensteuersatzes aus. Die CDU-Spitze stoppte am Samstag einen Vorstoß des saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU), der zur Gegenfinanzierung weiterer Steuersenkungen eine Anhebung der Mehrwertsteuer angeregt hatte. Stoiber fordert "großen Wurf"Während CSU-Chef Edmund Stoiber einen "großen Wurf" bei der Steuerreform anstrebt, lehnte die Koalition weitere Steuersenkungen unter Verweis auf notwendige Ausgaben in Bildung und Forschung ab. Auf diese beiden Prioritäten hatten sich SPD und Grüne in ihrer gemeinsamen Klausur verständigt. Für Eichel kommt hinzu, dass eine Steuerreform "aufkommensneutral und gerecht sein" muss. CDU-Chefin Angela Merkel schlug vor, auch über den Abbau der 17 Milliarden Euro umfassenden Steinkohlesubventionen zugunsten von Forschungsprojekten zu reden. Als Ergebnis der zweitägigen Klausur stellte Merkel eine "Hamburger Erklärung" vor, in der die CDU ungeachtet der Kritik ihrer bayerischen Schwesterpartei an ihrem Konzept einer radikalen Vereinfachung der Einkommensteuer mit Abschaffung aller Ausnahmen festhält. Merkel forderte zugleich die Bundesregierung erneut auf, sich zur Notwendigkeit eines völlig neuen Gesetzes zu bekennen und einen entsprechenden Entwurf vorzulegen. Nur auf dieser Grundlage könne es Verhandlungen geben.Merkel bekräftigt Merz-VorschlagDer Bundesvorstand der CDU sprach sich im Steuerstreit mit der Schwesterpartei CSU dafür aus, an dem Merz-Modell festzuhalten. Was die CDU auf ihrem Parteitag in Leipzig beschlossen habe, sei "richtig und wichtig", sagte Merkel nach der Klausurtagung. Das bestehende Einkommensteuersystem sei nicht reformierbar, daher brauche es einen "wirklichen Neuanlauf". Der CDU-Finanzexperte Friedrich Merz und der bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) sollen die Vorarbeiten für ein gemeinsames Reformmodell erarbeiten, auf das sich die Schwesterparteien im März einigen wollen. Merz sagte am Samstag in Hamburg, in der Frage einer großen Steuerreform dürfe es "keinen Murks" geben. An dem bestehenden Einkommensteuerrecht könne nicht weiter "herumgebastelt" werden, sondern es müsse durch eine komplett neue Regelung ersetzt werden. Auch der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende Jürgen Rüttgers sprach sich für das Merz-Modell aus, das im Dezember auf dem CDU-Parteitag in Leipzig verabschiedet worden war.Merkel und Stoiber bekräftigten ihre Gesprächsbereitschaft mit der Regierung über eine große Steuerreform, die auch schrittweise umgesetzt werden könne. Damit könnten zu große Einnahmeverluste vermieden werden, sagte Merkel. Eichel entgegnete, die Union verbreite "nichts als Sprechblasen über einen Subventionsabbau". Wenn es ernst werde, verweigere sie die Zustimmung: "Ich bin dreimal verprügelt worden für meinen Vorschlag, Steuervergünstigungen abzubauen und dafür die Steuerreform vorzuziehen. Aus eigener leidvoller Erfahrung traue ich der Union nicht über den Weg", fügte der Finanzminister hinzu. Eichel fordert "klares Bekenntnis"Sein Ministerium dementierte derweil Meldungen, wonach Eichel Anfang März ein Konzept für eine neue Steuerreform vorlegen wolle. Zunächst sei die Union am Zuge, ein eigenes Konzept vorzulegen mit einem "klaren Bekenntnis" zum weiteren Subventionsabbau, sagte ein Behördensprecher. Er reagierte damit auf einen Bericht der "Welt am Sonntag", wonach Eichel vor allem eine Entlastung für die unteren Einkommensklassen und eine grundlegende Steuervereinfachung plane. Die Erleichterung für die Steuerzahler solle den Blatt zufolge im einstelligen Milliarden-Bereich liegen. Eine weitere Senkung des Spitzensteuersatzes, der derzeit bei 45 Prozent liegt und 2005 auf 42 Prozent sinkt, werde dagegen ausgeschlossen, hieß es. Damit wolle Eichel Kritik aus den eigenen Reihen entgegentreten, dass der Steuerkompromiss im Vermittlungsausschuss vor allem Besserverdiener entlastet habe. Die rot-grüne Koalition lehnt weitere Steuersenkungen unter Hinweis auf notwendige Investitionen in Bildung und Forschung ab. Wer wie die Union weitere Steuerentlastungen verspreche, "der bricht ein vor den großen Zukunftsaufgaben", sagte Grünen-Fraktionschefin Krista Sager am Samstag in Leipzig nach einer gemeinsamen rot-grünen Klausurtagung. Die Fraktionen von SPD und Grünen stimmten in dieser Frage "vollkommen überein". SPD-Fraktionschef Franz Müntefering fügte hinzu, um Geld für notwendige gesellschaftliche und technologische Innovationen zu haben, könne es keine weitere Senkung von Spitzensteuersätzen geben.Bundesbank-Goldschatzes für neue ForschungsprojekteUnterdessen berichtet die "Bild am Sonntag", dass die Bundesregierung Teile des Bundesbank-Goldschatzes für neue Forschungsprojekte einsetzen wolle. Regierung und Bundesbankpräsident Ernst Welteke seien sich einig, von diesem Jahr an 400 bis 600 Tonnen Gold an der Börse zu verkaufen. Der Erlös von vier bis sieben Milliarden Euro solle in einen Fonds fließen, dessen Zinsen für Forschungsprojekte verwendet werden. Gerechnet werde mit 250 bis 300 Millionen Euro pro Jahr.