Alle Politik-Artikel vom 15. Januar 2004
Berichte: Gerster schloss weiteren Beratervertrag ab

2,5 Millionen Euro für Roland BergerBerichte: Gerster schloss weiteren Beratervertrag ab

Frankfurt/Main (rpo). Nach dem Debakel mit einem PR-Vertrag hat der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Florian Gerster, offenbar einen weiteren Vertrag mit einer Unternehmensberatung über 2,5 Millionen Euro abgeschlossen. Problematisch: Die Unternehmensberatung war auch an der Hartz-Kommission beteiligt.Gerster habe mit der Münchner Beratungsfirma Roland Berger unter anderem einen Vertrag über 2,5 Millionen Euro vereinbart, berichten übereinstimmend die "Saarbrücker Zeitung" (Freitagausgabe) und "Focus-Online". Der Vertrag laufe seit Montag und stehe im Zusammenhang mit der Einführung des neuen Arbeitslosengeldes II. Den Berichten zufolge gibt es zudem weitere Verträge mit Berger, die sich seit dem 1. September 2002 auf knapp zehn Millionen Euro summierten. Dabei gehe es um Beratungsdienstleistungen im Zusammenhang mit der Umsetzung des Hartz-Konzepts. Erst am Mittwoch hatte Gerster vor dem Wirtschaftsausschuss des Bundestages in der Affäre wegen des Beratervertrages mit der PR-Firma WMP Fehler eingeräumt. Der Vertrag über 1,3 Millionen Euro war ohne Ausschreibung vom Behördenvorstand vergeben worden. Bei der Opposition stießen die durch einen Anfrage des CDU-Bundestagsabgeordneten Bernhard Kaster von der Bundesregierung bekannt gegeben Verträge mit Berger auf heftige Kritik. Der FDP-Abgeordnete Dirk Niebel sagte der "Saarbrücker Zeitung", es sei "problematisch, wenn jemand Beratung vornimmt für ein Konzept, das er selbst mit erarbeitet hat". Berger war in der Hartz-Kommission "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" vertreten. Der CDU-Abgeordnete Kaster verlangte Gersters Rücktritt. Gerster sei der teuerste Fehlgriff von Bundeskanzler Gerhard Schröder und habe offenbar kein Gefühl mehr für den Umgang mit dem Geld der Beitragszahler.

BKA-Chef: Schließung in Meckenheim noch nicht beschlossen

Am Freitag Treffen bei SchilyBKA-Chef: Schließung in Meckenheim noch nicht beschlossen

Mainz/Berlin (rpo). Die Schließung des BKA-Standortes in Meckenheim ist offenbar doch noch nicht endgültig. Am Freitag soll es dazu noch einmal ein Treffen bei Innenminister Otto Schily geben. Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Ulrich Kersten gestand zu, dass bei den umstrittenen Beschlüssen für die Umzüge von großen Teilen des BKA aus Wiesbaden und aller BKA-Mitarbeiter aus Meckenheim nach Berlin Fehler von der Amtsleitung gemacht worden seien. So habe er es versäumt, die Personalvertretung von Meckenheim zu konsultieren. Weitere Angaben machte Kersten nicht. An einen Rücktritt denke er nicht, unterstrich Kersten. Wie die Nachrichtenagentur ddp erfuhr, werden die Spitzen der Meckenheimer Personalvertretung und der Gewerkschaft der Polizei (GdP) am Freitagnachmittag im Bundesinnenministerium in Berlin mit Innenminister Otto Schily (SPD) zu einem Gedankenaustausch zusammentreffen. Ergebnisse würden dabei noch nicht erwartet, hieß es. Es gehe darum, nach den heftigen Protesten der BKA-Mitarbeiter in Wiesbaden und Meckenheim "die Lage zu erörtern und nach Möglichkeiten für eine Lösung der Probleme zu suchen". Kersten gilt als Initiator der Umzugspläne, die aber von Schily bisher auch im Bundestag verteidigt worden sind. Allerdings hatte Schily eine "ergebnisoffene" Prüfung der Umzugpläne zugesagt. Nach ddp-Informationen könnte eine Lösung für Meckenheim in einer "Aufsplittung" der Belegschaft gefunden werden. So könnten von den 1200 Mitarbeitern in Meckenheim vielleicht nur rund 400 nach Berlin umgesiedelt werden. Von Gewerkschaftsseite hieß es, Kersten sei "zurückgerudert". Der Vorsitzenden der GdP im BKA, Winfried Wahlig, sagte zu ddp: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Kersten das Vertrauen der BKA-Beschäftigten zurückgewinnen kann".

Einberufung zur Bundeswehr laut Gericht grundgesetzwidrig

Kölner Gericht sieht Grundsatz der Gleichbehandlung verletztEinberufung zur Bundeswehr laut Gericht grundgesetzwidrig

Köln/Berlin (rpo). Überraschendes Urteil aus Köln: Die derzeitige Einberufungspraxis zur Bundeswehr ist nach Ansicht von Kölner Verwaltungsrichtern nicht verfassungsgemäß. In einer Eilentscheidung gab das Gericht bekannt, dass die Praxis nicht dem Gleichbehandlungsgrundsatz entspreche.Das Gericht gestand nach Angaben eines Sprechers vom Donnerstag einem Kläger im Eilverfahren zu, dass er zunächst dem Einberufungsbefehl nicht Folge leisten muss. Die Richter beriefen sich auf den Gleichheitsgrundsatz und befanden, zu viele junge Männer würden auf Grund von Ausnahmeregelungen nicht einberufen. Das Verteidigungsministerium erklärte dagegen, die Richtlinien seien verfassungskonform. In dem bereits am 23. Dezember gefassten Beschluss kritisierten die Kölner Richter, dass seit gut einem halben Jahr Wehrpflichtige, die verheiratet oder älter als 23 Jahre sind, nicht mehr einberufen werden. Das gelte auch für junge Männer, die bei der Musterung nicht in die ersten beiden Tauglichkeitsstufen fallen, erklärte der Gerichtssprecher. Dies verstoße nach Auffassung der Richter gegen den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz. Die Eilentscheidung ist laut Verwaltungsgericht nicht anfechtbar, im Hauptverfahren muss allerdings noch entschieden werden. Zunächst hat der Beschluss der Kölner Richter nach den Worten des Gerichtssprechers nur für den Bereich des dortigen Kreiswehrersatzamtes Bedeutung. Der Kölner Rechtsanwalt Bernward Münster teilte dagegen mit, der Kölner Beschluss könne bedeuten, dass jeder, der einen Einberufungsbescheid zum Wehr- oder Zivildienst erhalten und rechtzeitig angefochten habe, "gute Chancen" habe, mit einem ordnungsgemäßen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim zuständigen Verwaltungsgericht zunächst eine Heranziehung zu verhindern. Wer bereits eingerückt sei, könne versuchen, einstweiligen Rechtsschutz auf Entlassung in Anspruch zu nehmen. Die Erfolgsaussichten hingen jedoch davon ab, ob andere Verwaltungsgerichte der "Kölner Linie" folgen, erklärte der Jurist. Das Verteidigungsministerium erklärte, bei der Entscheidung handele es sich um einen Beschluss in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren eines Verwaltungsgerichts im Einzelfall. Es sei beabsichtigt, die neuen Einberufungsregelungen bei der nächsten Änderung des Wehrpflichtgesetzes mit zu berücksichtigen. (Aktenzeichen: 8 L 3008/03)

Irak: Geteiltes Echo auf Hilfs-Pläne der Regierung

Union befürwortetIrak: Geteiltes Echo auf Hilfs-Pläne der Regierung

Berlin (rpo). Die Überlegungen der Bundesregierung, humanitäre Hilfe im Irak zu leisten, haben ein geteiltes Echo in der politischen Landschaft hervorgerufen. Während die CDU die Pläne begrüßte, sprach die FDP von einer "Pseudo-Lösung".Schröder hatte am Mittwoch die Bereitschaft zu weiterer humanitärer Hilfe für Irak erklärt. Dies sei eine "Selbstverständlichkeit", sagte er bei einem Neujahrsempfang der SPD-Bundestagsfraktion. Gleichzeitig versicherte er, dass die Bundesregierung keinen Kurswechsel in der Irak-Politik vollziehen werde. "Wir haben nicht die Absicht, unsere Politik im Irak zu verändern", sagte der SPD-Vorsitzende. "Aber wir haben schon die Absicht, weiterhin humanitär zu helfen, vor allen Dingen Menschen, die verletzt sind und die unserer Hilfe bedürfen." Im Gespräch ist die Bereitstellung des fliegenden Bundeswehr-Lazaretts "MedEvac" bei einer entsprechenden Bitte einer legitimierten irakischen Regierung und einem UN-Mandat. Der CDU/CSU-Verteidigungsexperte Christian Schmidt erklärte, die Union begrüße, "dass der Bundeskanzler endlich seine ideologischen Vorbehalte aufgibt und den Weg freimacht für ein Engagement beim Wiederaufbau des Irak". Hätte Schröder sich schon eher in diese Richtung geäußert, wäre Deutschland die Zerschlagung von viel außenpolitischem Porzellan erspart geblieben. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt sagte laut "Nordwest-Zeitung", die Pläne der Bundesregierung bedeuteten erneut "nur Stückwerk". Als Bedingungen für einen Bundeswehr-Einsatz nannte er ein UN-Mandat sowie einen Auftrag an die NATO oder an die EU.

Gesundheit: Einigung bei Chronikern und Fahrtkosten

Diabetes wird anerkanntGesundheit: Einigung bei Chronikern und Fahrtkosten

Berlin (rpo). Ärzte und Krankenkassen haben sich über noch offene Fragen der Gesundheitsreform geeinigt. Streitpunkte waren Regelungen für chronische Kranke, Fahrtkosten und die Praxisgebühr. Dabei werden Fahrtkosten bereits aber Freitag wieder bezahlt.So sollen nicht nur Patienten für Fahrten zur Dialyse, Strahlenbehandlung oder einer Chemotherapie auf Kosten der Kassen transportiert werden, sondern auch Patienten, die im besonderen Maße hilfsbedürftig sind, sagte Sozial-Staatssekretär Klaus Theo Schröder am Donnerstag in Berlin. Die Vereinbarung müsse nur noch vom Gemeinsamen Bundesausschuss formal beschlossen werden. Die Spitzenverbände der Kassen hätten zugesagt, ab Freitag "im Vorgriff" entsprechend zu verfahren. Zuvor hatte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) im Bundestag mitgeteilt, dass sich die Spitzenvertreter von Ärzten und Kassen auf eine Definition chronischer Erkrankungen verständigt haben. Danach soll es künftig eine Liste beispielhafter Erkrankungen geben. Aus dieser gehe etwa hervor, dass Diabetiker künftig als chronisch Kranke anerkannt werden. Die Liste solle in Zusammenarbeit mit den Patientenverbänden stets erweitert werden. Schröder schränkte ein, dass Diabetiker nicht in jedem Fall als Chroniker gelten. Für chronisch Kranke gilt eine geringere Obergrenze bei Zuzahlungen. Sicher ist laut Schröder, dass Patienten beim Besuch einer Notfallambulanz die Praxisgebühr nur ein Mal pro Wochenende entrichten müssen und nicht noch ein Mal, etwa bei Koliken oder zum Wechseln eines Verbandes. Bei der Verordnung der Anti-Baby-Pille überprüfen laut Schröder Ärzte und Kassen noch, ob künftig eine Verordnung für ein Jahr möglich ist. Dadurch soll verhindert werden, dass Frauen für ein Folgerezept jedes Mal erneut eine Praxisgebühr entrichten müssen. Wie Schmidt lehnten bei einer Aussprache im Bundestag in Berlin auch Vertreter der Union Änderungen an der gemeinsam beschlossenen Gesundheitsreform ab. Schmidt räumte zugleich "Detailprobleme" bei der Umsetzung ein, die aber von der Selbstverwaltung gelöst werden könnten.Union steht zu KernpunktenCSU-Gesundheitsexperte Horst Seehofer sagte, die Union stehe "uneingeschränkt zu den Kernentscheidungen" der Reform. Der frühere Gesundheitsminister erinnerte daran, dass es bei allen Reformen Anlaufschwierigkeiten gegeben habe. Die Grundentscheidung sei unausweichlich gewesen: "Eine Beteiligung an den Kosten ist besser als ein Ausschluss von Leistungen." SPD und Union forderten von Ärzten und Kassen eine rasche Regelung offener Fragen. Für die Selbstverwaltung sei es "die letzte Chance" zu zeigen, dass sie willens sei, die Qualität zu verbessern, für ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis zu sorgen und die Beiträge langfristig zu stabilisieren, sagte SPD-Fraktionsvize Gudrun Schaich-Walch. Der CDU-Sozialexperte Andreas Storm kritisierte, Ärzte und Kassen hätten lange gewartet und dann eine Chroniker-Regelung verabschiedet, die "zu Recht" von der Ministerin blockiert worden sei. Die FDP machte Schmidt hingegen für handwerkliche Fehler bei der Reform verantwortlich und forderte ihren Rücktritt. Gesundheitsexperte Dieter Thomae sagte voraus, die versprochene Absenkung der Beiträge im Jahresverlauf werde nicht eintreten.

Kommission empfiehlt Verkürzung des Zivildienstes

Möglichkeit einer freiwilligen VerlängerungKommission empfiehlt Verkürzung des Zivildienstes

Berlin (rpo). Schon vor der Übergabe an Bundefamilienministerin Renate Schmidt sind die Ergebnisse der Kommission zur Zukunft des Zivildienstes im Internet veröffentlicht worden. Die Experten schlagen in ihrem Bericht eine Verkürzung der Dienstzeit auf neun Monate vor.Zugleich sollte die Möglichkeit einer freiwilligen Verlängerung des Zivildienstes in einzelnen Bereichen wie der Schwerstbehindertenbetreuung geprüft werden, rät die vom Bundesfamilienministerium eingesetzte Kommission in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Bericht. Die Empfehlungen wurden zunächst im Internet veröffentlicht, sie sollten am Nachmittag an Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) übergeben werden. Die Experten fordern in ihren Empfehlungen, die gesetzlichen Voraussetzungen für Vor- und Nachpraktika sowie geringfügige Beschäftigungsverhältnisse und Freiwilligendienste vor und nach dem Zivildienst in der derselben Einsatzstelle zu schaffen. Auch müsse es für Zivil- und Freiwilligendienste eine stärkere Anerkennung über den bloßen Nachteilsausgleich hinaus geben. Genannt werden Bonussysteme bei der Studien- und Ausbildungsplatzvergabe und Dienstzeugnisse, die bei späteren Ausbildungen anerkannt werden. Der Zivildienst solle ferner mit berufsqualifizierenden Elementen angereichert werden. Für den Fall der Abschaffung der Wehrpflicht schlagen die Experten einen Umbau des Zivildienstes zu effektiven Freiwilligendiensten vor. Dabei sollte zur Begleitung des Strukturwandels die Zulässigkeit eines "Auswahl-Wehrdienstes" sowie "Auswahl-Zivildienstes" geprüft werden. Einen solchen Auswahldienst hatte die Weizsäcker-Kommission zur Zukunft der Bundeswehr im Jahr 2000 angeregt. Dabei wird nur noch ein Teil der Wehrpflichtigen einberufen, die aber finanzielle Anreize erhalten. Freiwilligendienste sollten der Kommission zufolge für alle Altersgruppen sowie für Frauen und Männer in der Erwerbs- und in der Familienphase angeboten werden. Die Dienste sollen länger dauern können als ein Jahr und in Vollzeit oder mit wenigen Stunden Zeiteinsatz berufsbegleitend ausgeübt werden. In der Regel sollte eine Mindestdauer von drei zusammenhängenden Monaten mit mindestens 20 Wochenstunden und eine Höchstdauer von bis zu 24 Monaten bei Diensten im In- und Ausland eingehalten werden. Einsatzgebiete sollen neben den klassischen Bereichen Soziales, Umweltschutz und Entwicklungszusammenarbeit auch die Kinderbetreuung, Schule und Migration sein.

Verteidigung will Freispruch für Mzoudi

Schlussplädoyers in HamburgVerteidigung will Freispruch für Mzoudi

Hamburg (rpo). Am Donnerstag hat die Verteidigung im Hamburger Terrorprozess um die Anschläge vom 11. September 2001 in ihrem Plädoyer Freispruch für den angeklagten Marokkaner Abdelghani Mzoudi gefordert.Mzoudi habe von der Planung der Anschläge vom 11. September 2001 nichts gewusst und sei nicht in die Vorbereitungen der Hamburger Terrorzelle um den Todespiloten Mohammed Atta eingebunden gewesen, sagte Verteidigerin Gül Pinar am Donnerstag in ihrem Schlussplädoyer vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht. Vor einer Woche hatte die Bundesanwaltschaft die Höchststrafe von 15 Jahren Gefängnis für den 31-Jährigen gefordert. Sie wirft ihm Beihilfe zum Mord in mehr als 3.000 Fällen und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. Das Gericht hatte den Haftbefehl für Mzoudi am 11. Dezember überraschend aufgehoben, weil es eine über das Bundeskriminalamt übermittelte anonyme Zeugenaussage als entlastend wertete und keinen dringengen Tatverdacht mehr sah. Bei dem Zeugen, der Mzoudi nicht zur Hamburger Terrorzelle zählte, handelte es sich nach Überzeugung des Gerichts um den als Drahtzieher der Anschläge geltenden Ramzi Binalshibh. Dessen Vernehmung hatten die USA zuvor monatelang verhindert.Bedauern über Verhalten der USA"Abdelghani Mzoudi gehörte zu den Studenten um Mohammed Atta. Er hat sich auch in Afghanistan aufgehalten - mehr nicht", sagte Verteidigerin Pinar. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Terroranschläge in Afghanistan und nicht in Hamburg geplant worden seien. Die Anwältin übte Kritik an der Bundesanwaltschaft. Diese habe nie Zweifel an der Schuld des Angeklagten zugelassen, "Wahrheiten auf den Kopf gestellt" und die Überzeugung vertreten, Mzoudi habe "ein zweites Gesicht". "Doch das Beweismaterial der Anklage ist keines. Das Mosaik passt nicht zusammen", sagte Pinar. Sie bedauerte, dass die USA Zeugenvernehmungen und die Verwendung von Protokollen nicht zugelassen hätten. Sie hätten die Unschuld des Angeklagten beweisen können. "Die amerikanische Regierung hat das Gericht in der Suche nach der Wahrheit eher behindert als gestützt", sagte Pinar. Mzoudis Verteidiger Michael Rosenthal erklärte, die Bundesanwaltschaft habe außer Mutmaßungen und gewagten Interpretationen keinerlei Beweise bieten können. Es sei nicht das erste Mal, dass sie "aus einem Bart und Gebeten etwas herbeileiten" wolle. "Dass jemand ein streng gläubiger Moslem ist, heißt noch lange nicht, dass er auch ein Fanatiker ist", betonte Rosenthal.Kritische Haltung nicht strafbarAuch die vom Angeklagten geäußerte politischen Ansichten seien nicht belastend. "Eine kritische Haltung zu den USA und Israel ist nicht strafbar, die wird man haben dürfen". Er räumte ein, dass Binalshibhs Aussage aus dem Fax falsch sein könne. Aber sie passe in das Gesamtbild, das die Beweisaufnahme ergeben habe, und man könne nur schwer darüber hinweg sehen. Mzoudi selbst verzichtete zum Abschluss des eineinhalbstündigen Plädoyers auf sein Schlusswort. Der Anwalt der Nebenklage, Andreas Schulz, sagte, es sehe nach einem Freispruch für den Angeklagten aus. "Das Problem ist, dass sich das Gericht mit der Aufhebung des Haftbefehls bereits festgelegt hat". Er könne der Argumentation der Verteidigung durchaus folgen, es bleibe jedoch fraglich, ob sie richtig sei. Mzoudi muss sich seit August 2003 vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht verantworten. Nach den Entwicklungen der letzten Wochen gilt ein Freispruch des Angeklagten als nicht mehr unwahrscheinlich. Das Urteil wird am 22. Januar erwartet.

Wer wird Herausforderer von Bush?

Auftakt des US-PräsidentschaftswahlkampfsWer wird Herausforderer von Bush?

Frankfurt/Washington (rpo). Keine elf Monate mehr, dann können sich die Amerikaner einen neuen Präsidenten wählen - oder natürlich den alten behalten. Da der Amtsinhaber bei den Republikanern als unumstritten gilt, konzentriert sich das Interesse der Öffentlichkeit auf die Herausforderer auf Seiten der Demokraten. Bei ihnen starten am Montag die Vorwahlen in Iowa. Der derzeitige Favorit der Demokraten, Howard Dean, stellte sich am Wochenende ebenso den Wählern wie seine Konkurrenten Richard Gephardt, John Kerry und John Edwards. Laut Umfragen liegen diese vier Kandidaten in den 1.993 Bezirken der Demokratischen Partei in Iowa fast gleichauf. Der frühere NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark, der nach Dean als aussichtsreichster Bewerber gilt, nahm an den Wahlveranstaltungen in Iowa nicht teil. Er konzentrierte sich stattdessen auf den Staat New Hampshire, wo am 27. Januar die erste reguläre Vorwahl stattfindet. Ein weiterer Bewerber der Demokraten ist Senator Joseph Lieberman, der Vizepräsidentschaftskandidat von Al Gore vor vier Jahren. Ebenso haben der Abgeordnete Dennis Kucinich aus Ohio und der Bürgerrechtler und Pfarrer Al Sharpton ihre Kandidatur angemeldet. Bereits die erste ÜberraschungDa der Republikaner Bush im eigenen Lager unangefochten ist, konzentriert sich das Interesse im Vorwahlkampf ganz auf die Demokraten. Und da gab es bereits die erste Überraschung: Der als Außenseiter ins Rennen gegangene ehemalige Gouverneur von Vermont Howard Dean mauserte sich inzwischen zum Favoriten. Dean ließ in Umfragen so prominente Politiker wie den Senator John Kerry aus Massachusetts oder den Abgeordneten und früheren Fraktionschef im Repräsentantenhaus Richard Gephardt aus Missouri hinter sich. Beinahe schon geadelt wurde Dean, als sich im Dezember der frühere Vizepräsident und letztmalige Präsidentschaftskandidat Al Gore hinter ihn stellte. Gore stieß damit Senator Joseph Lieberman vor den Kopf, seinen Vizepräsidentschaftskandidaten im Wahlkampf 2000.Mann der klaren WorteUnterstützung erhielt Dean auch von Senator Tom Harkin aus Iowa, der sich selbst 1992 um die Präsidentschaftskandidatur bemüht hatte. Dean sei der Mann der klaren Worte, den die Partei jetzt brauche, meinte Harkin, der zum liberalen Flügel der Demokraten zählt. Für eine Überraschung könnte der ehemalige NATO- Oberbefehlshaber Wesley Clark sorgen. Der General im Ruhestand entschloss sich erst relativ spät zu einer Kandidatur, liegt aber mittlerweile in landesweiten Umfragen hinter Dean auf Platz zwei. Nach einer Gallup-Umfrage im Auftrag des Fernsehsenders CNN und der Zeitung "USA Today" von der vergangenen Woche sprachen sich 24 Prozent der Anhänger der Demokraten für Dean und 20 Prozent für Clark aus. Auf dem dritten Platz lag Senator Kerry mit elf Prozent. Clark gibt mit der Kandidatur sein politisches Debüt. Bewerberfeld dürfte sich sehr rasch lichtenIn einem Wahlkampf, in dem die innere und äußere Sicherheit eine zentrale Rolle spielen dürften, könnte sich Clark unter allen demokratischen Bewerbern vielleicht am besten gegen den Amtsinhaber Bush behaupten. Wie Lieberman nimmt Clark an den Parteiversammlungen in Iowa noch nicht teil und steigt erst in New Hampshire am 27. Januar voll ins Rennen ein. Neben Dean, Clark, Lieberman, Gephardt und Kerry wollen auch der Senator John Edwards aus North Carolina, der Abgeordnete Dennis Kucinich aus Ohio sowie der Bürgerrechtler und Pfarrer Al Sharpton für die Demokraten ins Weiße Haus einziehen. Die einzige Frau im Rennen, die Exsenatorin Carol Moseley Braun, zog ihre Kandidatur am Mittwoch zurück. Nach Einschätzung des Parteivorsitzenden Terry McAuliffe dürfte sich das Bewerberfeld schon sehr rasch lichten. Schon nach dem 3. Februar, wenn in sieben Staaten Vorwahlen (Primaries) oder Parteiversammlungen (Caucuses) stattfinden, würden nur noch drei oder vier Bewerber übrig sein, prophezeite McAuliffe. Die Entscheidung über den Spitzenkandidaten der Demokraten könnte nach Ansicht des Parteivorsitzenden bereits bis zum 10. März fallen, obwohl die Vorwahlen erst am 8. Juni zu Ende gehen. Bis zum 10. März haben aber schon die Bevölkerungsreichsten Staaten wie New York, Texas, Kalifornien und Florida gewählt. Dort können die Kandidaten die meisten Delegierten für den Nominierungsparteitag in Boston (Massachusetts) vom 26. bis 29. Juli zu gewinnen. Für die Nominierung ist die absolute Mehrheit der 4.322 Delegiertenstimmen notwendig. Der Parteitag der Republikaner findet einen Monat später im Madison Square Garden in New York statt. Republikaner geschlossen hinter BushDie Republikaner, die geschlossen hinter Amtsinhaber Bush stehen, blicken nicht ohne Schadenfreude auf die Demokraten, deren Kandidaten sich derzeit noch gegenseitig attackieren. "Es gibt hier einen sehr klaren Kontrast", sagte der Parteivorsitzende Ed Gillespie. "Während der Präsident die Themen angeht, die unsere Nation berühren, greifen sich die Demokraten gegenseitig an." Dem widerspricht Expräsident Clintons ehemaliger Pressesprecher Joe Lockhart. "80 Prozent des Feuers richtet sich gegen Bush", sagte er. "Sehen Sie sich nur die Wahlwerbung an. Die meiste Kritik richtet sich gegen den Präsidenten." Neben dem Irak-Krieg nehmen die Demokraten vor allem Bushs Wirtschaftspolitik aufs Korn. Sie verweisen darauf, dass seit dem Amtsantritt Bushs im Januar 2001 drei Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen seien. Dies sei die höchste Zahl seit der Großen Depression Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Der republikanische Wahlstratege Joe Gaylord sieht dennoch einen "sehr großen Vorteil" darin, dass Bush keinen innerparteilichen Gegenkandidaten hat und sich damit vorerst voll auf sein Amt konzentrieren kann. "Wenn die Amerikaner eines respektieren, dann einen Präsidenten, der die Arbeit macht, für die er gewählt worden ist." In Meinungsumfragen führt Bush derzeit vor allen möglichen Kandidaten der Demokraten.

Zeugin: Angriff auf Lindh habe "beinah Perverses" gehabt
Zeugin: Angriff auf Lindh habe "beinah Perverses" gehabt

Freundin und Gerichtsmediziner im ZeugenstandZeugin: Angriff auf Lindh habe "beinah Perverses" gehabt

Stockholm (rpo). Im Mordprozess um die frühere schwedische Außenministerin Anna Lindh hat am Donnerstag die vermutlich wichtigste Zeugin ausgesagt - Lindhs Freundin Eva Franchell. Sie berichtete, der plötzliche Angriff auf Lindh habe "beinahe Perverses" gehabt.Nachdem Lindh und sie beim Einkaufen zunächst "viel geplaudert und gelacht" hätten, habe sie mit einem Mal ein Mann beseite geschubst und die Ministerin niedergestochen, sagte Franchell am Donnerstag in der schwedischen Hauptstadt Stockholm. Der plötzliche Angriff habe etwas "beinahe Perverses" gehabt. Neben Franchell sagte auch der Gerichtsmediziner Henrik Druid aus. Die Anklage will nachweisen, dass der mutmaßliche Attentäter Mijailo Mijailovic die Ministerin vorsätzlich tötete. Sie habe sich am Nachmittag des 10. September mit Lindh zum Einkaufen getroffen, weil die Ministerin für eine Fernsehsendung am Abend nichts zum Anziehen gehabt habe, berichtete Franchell. Die beiden Frauen hätten im ersten Stock des Kaufhauses Nordiska Kompaniet ahnungslos und gutgelaunt nach einem Blazer geschaut, als sie "aus dem Augenwinkel" plötzlich einen Mann bemerkt habe. "Er ist an mir vorbeigerannt, nein, hat mich ganz schnell beiseite geschubst". Als der Mann sich auf Lindh gestürzt habe, habe sie "große Angst" bekommen, betonte die Zeugin. Den Messerangriff auf ihre Freundin beschrieb Franchell als "unglaublich furchterregend und aggressiv". Es habe ausgesehen, als boxe der Mann die Ministerin in den Bauch, sagte sie. "Es sah wirklich wie Schattenboxen aus." Sie habe versucht, den Angreifer von Lindh wegzudrängen, während die zweifache Mutter ihre Arme und ihre Einkaufstasche vor sich gehoben habe, um den Täter abzuwehren. "Dieses Bild, wie er sich auf sie stürzt, sehe ich in meinen Alpträumen wieder und wieder vor mir", betonte die ehemalige Sprecherin der Außenministerin. Mijailovic habe während der Tat kein Wort gesagt. Auch Anna Lindh habe nichts gesagt, schilderte Franchell die Tat weiter. Sie habe "entschlossen", zugleich aber "erschrocken, oder nein, vielleicht erstarrt" ausgesehen. "Zuerst bleibt Anna noch stehen. Sie bricht nicht zusammen. Sie bleibt ein oder zwei Sekunden stehen. Und dann sackt sie langsam zu Boden." Aus ihrem Bauch sei Blut gelaufen. "Ich bin getroffen", habe die Ministerin gesagt.Sieben StichwundenNach Franchell sagte auch der Gerichtsmediziner Druid vor Gericht zu den Verletzungen aus, die der Angreifer der 46-Jährigen zugefügte. "Es ist sehr viel Kraft nötig gewesen", um Lindhs Unterarm zu durchstechen, gab er zu Protokoll. Die Außenministerin habe mindestens sieben Stichwunden in Bauch, Brust und Armen gehabt - tödlich sei eine Verletzung ihrer Leber gewesen. Mijailovic selbst schwieg zu den Vorwürfen. Bei der Prozesseröffnung am Vortag hatte der 25-Jährige gesagt, "Stimmen" in seinem Kopf hätten ihm den Angriff auf Lindh befohlen. Vor der Tat habe er sich "wirklich schlecht" gefühlt und mehrere Nächte lang nicht geschlafen. Zum Tatzeitpunkt habe er zehn verschiedene Medikamente eingenommen, darunter Anti-Depressiva und Schlafmittel. Für die Anklage sind die beiden Zeugenaussagen von großer Bedeutung, da sie nachweisen will, dass Mijailovic die Ministerin vorsätzlich tötete. Lindh war am Tag nach der Messerattacke im Krankenhaus ihren Verletzungen erlegen. Die Außenministerin galt als mögliche Nachfolgerin für den schwedischen Regierungschef Göran Persson.

Eklat in Sao Paulo: US-Pilot zeigt Brasilianern "Stinkefinger"

Saftige Geldstrafe wegen "Beleidigung des Nationalstolzes"Eklat in Sao Paulo: US-Pilot zeigt Brasilianern "Stinkefinger"

Sao Paulo (rpo). Die wegen der verschärften Einreisebestimmungen ohnehin gereizte Stimmung zwischen den USA und Brasilien ist jetzt noch weiter angeheizt worden. Ein US-Pilot präsentierte den Behörden bei der Kontrolle auf dem Flughafen von Sao Paulo den "Stinkefinger" und sorgte für einen Eklat.Die Beamten verstanden keinen Spaß und führten den 52-jährigen Dale Robbin Hersh sofort ab. Wegen "Beleidigung des brasilianischen Nationalstolzes" verhängte ein Richter eine saftige Geldstrafe in Höhe von 36.000 Real (10.000 Euro). American Airlines hat daraufhin seinen Piloten freigekauft. Das Unternehmen beglich am Donnerstag nach eigenen Angaben die 12.700 Dollar (10.000 Euro) Strafe für Dale Robbin Hersh. Der 52-Jährige wurde daraufhin aus brasilianischem Gewahrsam freigelassen und sollte in einer American-Airlines-Maschine nach Miami im US-Bundesstaat Florida zurückkehren. American Airlines entschuldigte sich umgehend für das Fehlverhalten ihres Piloten "bei der brasilianischen Regierung, den Flughafenbehörden, der Bundespolizei und allen, die sich sonst noch geringschätzig behandelt fühlen". Der Flugkapitän habe sich nicht respektlos zeigen wollen, erklärte die Fluggesellschaft. Auf einer Pressekonferenz in Sao Paulo erläuterte ein Polizeisprecher den Fall: Hersh habe eine "international als obszön bekannte Geste gegenüber der Polizei gemacht, die ihn fotografierte". Wegen "schwerwiegender Beleidigung" sei er festgenommen worden. Er hätte auch zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt werden können. Hersh und der Rest der Crew sollten noch am Mittwoch in die USA zurückfliegen. Weil die USA ihre Einreisekontrollen zu Beginn des Jahres verschärften und nun biometrische Daten von Einreisenden erfassen, die ein Visum für die Vereinigten Staaten benötigen, hatte Brasilien seinerseits seine Kontrollen für US-Bürger verschärft. Seitdem müssen sich nach Brasilien einreisende US-Bürger von der Polizei fotografieren und ihre Fingerabdrücke abnehmen lassen. US-Außenminister Colin Powell hatte die Regierung in Brasilia vergeblich aufgefordert, diese "diskriminierende" Maßnahme zurückzunehmen.

CDU warnt vor Abschaffung des Zivildiensts

"Betreuungsmöglichkeiten werden erheblich eingeschränkt"CDU warnt vor Abschaffung des Zivildiensts

Köln (rpo). Bundesfamilienministerin Renate Schmidt will am Donnerstag einen Bericht zur Zukunft des Zivildienstes präsentieren. Im Vorfeld hat die CDU/CSU-Opposition vor der Abschaffung des Zivildienstes gewarnt.Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Maria Böhmer sagte am Donnerstag im ARD-Morgenmagazin: "Dies würde einen tiefen Einschnitt in die sozialen Angebote darstellen, und unter Umständen käme eine Kostenlawine auf uns zu." Um einer weiteren Verunsicherung bei Bürgern und Verbänden entgegenzuwirken, sei nun die Bundesregierung gefordert, Klarheit zu schaffen, erklärte die CDU-Politikerin. "Die Regierung muss die Fragen zur Wehrpflicht endlich beantworten. Die Meinungsverschiedenheiten im Kabinett sind riesig", sagte Böhmer. Schon in den nächsten Jahren müssten sich die Sozialverbände darauf einstellen, dass Zivildienstleistende immer kürzer in den Einrichtungen verblieben. Die Betreuungsmöglichkeiten würden so erheblich eingeschränkt und könnten von einem freiwilligen sozialen Jahr nicht annähernd aufgefangen werden. Die für den Zivildienst zuständige Bundesfamilienministerin Renate Schmidt will am Donnerstag in Berlin einen Kommissionsbericht präsentieren und ihre Vorstellungen über die Zukunft des Zivildiensts erläutern.

Praxisgebühr: Kassenärzte gegen Einlenken bei Anti-Baby-Pille

Grüne weisen Union Verantwortung für Praxisgebühr zuPraxisgebühr: Kassenärzte gegen Einlenken bei Anti-Baby-Pille

Berlin (rpo). Die Kassenärzte haben sich deutlich gegen eine Verwässerung der Gesundheitsreform durch Sonderregelungen ausgesprochen. Unterdessen haben die Grünen die Verantwortung für die Praxisgebühr der Union zugeschrieben."Durch Nachbesserungen würde ein Tor für eine ganze Reihe von Korrekturen geöffnet, das die Politik nicht mehr zubekommt", sagte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Manfred Richter-Reichhelm, der "Berliner Zeitung" (Donnerstagausgabe). "Das gilt grundsätzlich auch für die Praxisgebühr bei Verordnung der Anti-Baby-Pille." "Wenn der Gesetzgeber eine Ausnahme zuließe, würde es einen Ansturm von anderen Patientengruppen auf die Politik geben, die ebenfalls von der Praxisgebühr befreit werden wollen", stellte Richter-Reichhelm fest. "Gesundheitsministerin Ulla Schmidt wird nicht erklären können, warum sie für die Pille eine Sonderregelung schafft und für andere Verhütungsmethoden wie Spirale oder Drei-Monats-Spritze nicht." Dadurch gerate die Politik zunehmend unter Druck. "Bundesregierung und Opposition haben bei Verabschiedung der Reform sehr wohl gewusst, dass die Veränderungen für viele Patienten soziale Härten mit sich bringen", sagte Richter-Reichhelm. "Es war der bewusste politische Wille, durch die neue Praxisgebühr und höhere Zuzahlungen bei Arzneimitteln die Menschen zu einem ,vernünftigeren' Umgang mit medizinischen Leistungen zu bewegen." Die Politik müsse zu der Reform und ihren Konsequenzen stehen. Im Streit darüber, wer künftig als chronisch Kranker gilt, sagte Richter-Reichhelm: "Wenn wir der Intention der Gesundheitsreform folgen, dürfen nicht mehr so viele Patienten wie bisher als chronisch Kranke eingestuft werden." Bisher habe rund ein Drittel der Patienten als chronisch krank gegolten. "Nicht jeder, der Asthma oder Diabetes hat, ist nach Maßgabe des Gesetzes ein schwer kranker Mensch. Die Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen kann also nicht anders, als strenge Kriterien für die Einstufung als chronisch Kranker festzusetzen." Grüne weisen Union Verantwortung für Praxisgebühr zuGrünen-Vorsitzender Reinhard Bütikofer macht die Union für die umstrittenen Praxisgebühren verantwortlich. "Wenn das umgesetzt worden wäre, was Rot-Grün vorhatte, gäbe es die ganze Aufregung gar nicht", sagte Bütikofer der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstagausgabe). "Wir wollten nicht, dass bei jedem ersten Arztbesuch im Quartal eine Gebühr gezahlt werden muss. Das hat uns die Union beim Kompromiss aufs Auge gedrückt", fügte der Grünen-Politiker hinzu. Mit Blick auf den nordrhein-westfälischen CDU-Landesvorsitzenden Jürgen Rüttgers sagte Bütikofer: "Und jetzt stellt sich der Herr Rüttgers hin und sagt, alles sei ganz furchtbar. Das ist unehrlich bis zum letzten."

Amnesty: Schockierend viele Hinrichtungen in Singapur

Über 400 Vollstreckungen seit 1991Amnesty: Schockierend viele Hinrichtungen in Singapur

Singapur (rpo). Der südostasiatische Stadtstaat Singapur ist laut einem Bericht von Amnesty International gemessen an der Zahl der Einwohner das Land mit den meisten Hinrichtungen.Seit 1991 hat der asiatische Stadtstaat bei mehr als 400 Gefangenen die Todesstrafe vollstreckt, wie aus dem am Donnerstag veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) hervorgeht. Diese "schockierend hohe" Quote übersteige die Häufigkeit von Exekutionen in Staaten wie China, Saudi Arabien und Sierra Leone um das Mehrfache. Die meisten Todesurteile wurden wegen Drogenvergehen vollstreckt, betroffen waren meist Angehörige unterprivilegierter Gesellschaftsgruppen, wie es hieß. Die Drogengesetze in dem Staat mit vier Millionen Einwohnern zählen zu den schärfsten der Welt. Schon für den Besitz von mehr als 480 Gramm Marihuana droht die Todesstrafe, weil man automatisch als Schmuggler gilt.

Eurofighter: Ministerium dementiert Bericht über Streichungen

Teuerstes Rüstungsprojekt in der Geschichte der BundeswehrEurofighter: Ministerium dementiert Bericht über Streichungen

Berlin (rpo). 180 Eurofighter hat die Bundeswehr eigentlich bestellt. Zum Stückpreis von 80 Millionen Euro. Zu viel, denkt sich offenbar Bundesverteidigungsminister Peter Struck und sondiert nach Informationen der "Berliner Zeitung" die Möglichkeiten, die Bestellung zu reduzieren. Das Ministerium dementierte den Bericht inzwischen.Das Verteidigungsministerium will am geplanten Kauf von 180 Kampflugzeugen des Typs Eurofighter festhalten. Anderslautende Berichte seien falsch, sagte ein Ministeriumssprecher am Donnerstag auf ddp-Anfrage. Die Tageszeitung "Die Welt" hatte berichtet, Ressortchef Peter Struck (SPD) ziehe eine Reduzierung der Stückzahlen um gut ein Drittel in Erwägung. Struck solle in einer Sitzung der Arbeitsgruppe Sicherheit der SPD-Bundestagsfraktion gesagt, er könne sich vorstellen, auf die dritte Tranche des Eurofighters zu verzichten. Bisher hat die Bundesrepublik 180 Eurofighter bestellt. Ohne die dritte Tranche würde die Zahl auf 112 sinken. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums erinnerte daran, dass Struck sich zu Wochenbeginn zum Eurofightervertrag ohne Abstriche bekannt habe. Struck hatte gesagt: "Der Eurofighter als modernes fliegendes Waffensystem der 4. Generation wird in unveränderter Stückzahl von 180 beschafft", hatte der Minister gesagt. Dies gelte unverändert, sagte der Sprecher. Die Zeitung hatte in ihrer Donnerstagausgabe unter Berufung auf Verteidigungskreise berichtet , bis zu 68 dieser hochmodernen Kampfflugzeuge könnten gestrichen werden. Bei den Vertragspartnern Großbritannien, Spanien und Italien, die bei dem von EADS geführten Herstellerkonsortium 620 Maschinen bestellt haben, werde sondiert, ob die für den Zeitraum 2010 bis 2014 geplante dritte Tranche reduziert werden könne, berichtete die Zeitung weiter. Dies könne hohe Strafzahlungen zur Folge haben. Der Eurofighter mit Stückkosten von gut 80 Millionen Euro ist das teuerste Rüstungsprojekt in der Geschichte der Bundeswehr. Struck hatte sich im September dagegen ausgesprochen, die Zahl der bestellten Maschinen zu reduzieren.

Zeitung: CSU will Pendlerpauschale nun doch kürzen

CDU-Minister gegen weitere SteuersenkungZeitung: CSU will Pendlerpauschale nun doch kürzen

Hamburg (rpo). Jetzt könnte es der Pendlerpauschale doch noch an den Kragen gehen. Nachdem sich die CSU noch in der vergangenen Woche gegen eine Kürzung ausgesprochen hatte, sieht man die Sache jetzt offenbar doch anders.Die CSU will im Zuge einer großen Steuerreform angeblich nun doch die Pendlerpauschale von derzeit 30 auf 25 Cent pro Kilometer kürzen. Das gehe aus der Langfassung ihres "Konzepts 21" hervor, das die CSU bislang unter Verschluss gehalten hatte, schreibt die "Financial Times Deutschland" (Donnerstagausgabe). Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) hatte noch vorige Woche bei der Vorlage der Reform-Eckpunkte erklärt, die steuerliche Abzugsfähigkeit der Fahrtkosten zum Arbeitsplatz sei keine Subvention und müsse deshalb auch nicht angetastet werden. Dass dies nun eingeschränkt wird, dürfte dem Zeitungsbericht zufolge zum einen finanzielle Gründe haben: Die Senkung bringt dem Staat Mehreinnahmen von rund 700 Millionen Euro. Zum anderen signalisiere die CSU damit Kompromissbereitschaft gegenüber der CDU, die die Pauschale im Zuge ihrer Reformpläne ganz streichen will. CDU-Politiker Stratthaus gegen weitere Steuersenkung Der baden-württembergische Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) hat sich als erster Unionspolitiker offen gegen die Linie seiner Parteispitze gewandt, die Bürger bei einer Steuerreform um Milliardenbeträge zu entlasten. Stratthaus sagte der "Berliner Zeitung" (Donnerstagausgabe), im Vordergrund müsse ganz klar die Vereinfachung des Steuersystems stehen und nicht die Entlastung. "Eine Steuerreform muss weitgehend aufkommensneutral sein", betonte er und unterstützte damit die Haltung von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD). "Alles andere können wir uns derzeit nicht leisten", fügte er hinzu. "Kurzfristig kann ich mir die bisher genannten Entlastungen in zweistelliger Milliardenhöhe nicht vorstellen", sagte der CDU-Politiker mit Blick auf die Konzepte von Friedrich Merz (CDU) und der CSU, die jeweils Steuersenkungen in zweistelliger Milliardenhöhe vorsehen. Auch in der Union werde gegenwärtig in der falschen Reihenfolge diskutiert: Erst würden Steuertarife und Steuersätze proklamiert und dann werde über die Gegenfinanzierung gesprochen. Man müsse aber umgekehrt vorgehen. "Zunächst muss doch überhaupt einmal klar sein, was alles gestrichen werden kann. Erst danach können die Sätze festgelegt werden."