Alle Politik-Artikel vom 24. Januar 2004
Powell: Möglicherweise keine Bio-Waffen im Irak

Möglicherweise keine MassenvernichtungswaffenPowell: Möglicherweise keine Bio-Waffen im Irak

Tiflis (rpo). Am Samstag hat US-Außenminister Colin Powell erstmals eingeräumt, dass Irak vor dem Krieg möglicherweise doch keine Massenvernichtungswaffen besessen hat.Auf Aussagen des am Freitag zurückgetretenen US-Waffeninspekteurs David Kay angesprochen, der nach eigenen Worten nicht vom Besitz großer Mengen chemischer oder biologischer Waffen durch Irak überzeugt ist, sagte Powell: "Die Antwort auf diese Frage ist, wir wissen es noch nicht". Powell erklärte auf dem Weg nach Tiflis, es habe etliche Fragen gegeben, die beantwortet werden müssten, vor allem, um welche Stoffe und welche Mengen es sich gehandelt habe. Die US-Regierung hatte den Irak-Krieg vor allem mit der Existenz von Massenvernichtungswaffen in Irak begründet. Der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan, erklärte am Freitag, Washington halte an seiner Aussage fest, dass Irak zum Zeitpunkt des Krieges Massenvernichtungswaffen besessen habe. Es sei lediglich eine Frage der Zeit, bis sie gefunden seien.

Berlin vermittelt bei Gefangenenaustausch im Nahen Osten

Israel lässt mehr als 400 Palästinenser und Araber freiBerlin vermittelt bei Gefangenenaustausch im Nahen Osten

Berlin (rpo). Israel und die libanesische Hisbollah-Miliz haben sich unter Vermittlung der Bundesregierung haben auf einen umfassenden Gefangenenaustausch geeinigt, wie am Samstagabend bekannt wurde.Israel werde 400 Palästinenser, mehr als 30 Bürger anderer arabischer Staaten sowie einen Deutschen freilassen, erklärte der Geheimdienst-Koordinator bei der Bundesregierung, Ernst Uhrlau, am Samstagabend in Berlin. Die Schiitenmiliz habe sich im Gegenzug verpflichtet, den israelischen Geschäftsmann Elhanan Tenenbaum sowie drei israelische Soldaten zu übergeben. Die Soldaten sind nach Einschätzung der israelischen Regierung vermutlich bereits tot. Der Austausch solle binnen einer Woche vollzogen werden, sagte Uhrlau weiter. Die Bundesregierung werde dabei "gegenüber beiden Seiten die Gewähr für die korrekte Umsetzung der Übereinkunft übernehmen". Nach Angaben aus Regierungskreisen in Berlin sollen die Gefangenen über Deutschland in ihre Heimatländer gebracht werden. Laut Bundesregierung ist unter den israelischen Gefangenen der Deutsche Steven Smyrek. Er war 1999 wegen der Vorbereitung eines Anschlags in Israel zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Zu den 23 libanesischen Häftlingen zählen auch die Schiitenführer Abdel Karim Obeid und Mustafa Dirani. Daneben wird Israel fünf Syrer, drei Marokkaner, drei Sudanesen sowie einen Libyer auf freien Fuß setzen. Die 400 Palästinenser werden demnach in ihre Wohnorte in Gaza und im Westjordanland gebracht. Die vier von der Übereinkunft betroffenen Israelis waren im Jahr 2000 von der libanesischen Hisbollah entführt worden. Die drei Soldaten verschwanden in der Nähe der von Israel besetzten Schebaa-Farmen im libanesischen Grenzgebiet zu Syrien. Die vierte Geisel, Tenenbaum, ist nach israelischer Darstellung Geschäftsmann. Die Hisbollah verdächtigte ihn hingegen, für den israelischen Geheimdienst zu arbeiten. Wie Geheimdienst-Koordinator Uhrlau erklärte, war auch die iranische Regierung an der Einigung beteiligt. Gemäß der Übereinkunft wollen die Hisbollah und Israel auch das Schicksal von vier seit 1982 in Libanon verschollenen Iranern klären. Die Islamische Republik gilt als einer der Hauptfinanziers der Hisbollah-Miliz. Beide Seiten wollen zudem den Verbleib des vermissten israelischen Piloten Ron Arad aufklären. Der Kampfpilot wurde im Oktober 1986 über Südlibanon abgeschossen und gilt seitdem als vermisst. Allgemein wird angenommen, dass er ebenfalls bereits tot ist. In Israel genießt er inzwischen den Status eines Nationalhelden. Für den Fall, dass Arads Schicksal aufgeklärt wird, hat Israel die Freilassung weiterer Palästinenser in Aussicht gestellt. Beide Seiten hatten bereits seit Monaten über eine Übereinkunft verhandelt. Schon in früheren Gesprächen hatte die Bundesregierung auf Bitten Israels eine Vermittlerrolle übernommen.

CDU: Clement trägt große Mitverantwortung

BA brauche keinen "sozialdemokratischen Parteisoldat"CDU: Clement trägt große Mitverantwortung

Berlin (rpo). Laurenz Meyer, CDU-Generalsekretär, lastet Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) Mitverantwortung für die Affäre um Florian Gerster, an."Der Bundeswirtschaftsminister hat entscheidenden Anteil daran, dass die Affäre Gerster so lange auf dem Rücken der Bundesagentur und von Millionen Arbeitslosen ausgetragen wurde", erklärte Meyer am Samstagabend in Berlin. Durch sein langes Zögern habe Clement dafür gesorgt, dass die Affäre Gerster die deutsche Arbeitsverwaltung in die größte Krise ihrer Geschichte geführt habe. Er habe mit dazu beigetragen, dass die Skandale der Bundesagentur zu immer geringerem Vertrauen von BA-Mitarbeitern und Wirtschaft führten. Meyer fügte hinzu: "Endlich wird unter den Skandal Gerster bei der Bundesagentur ein Schlussstrich gezogen." Gersters Nachfolger müsse nun dafür sorgen, dass die Arbeitsverwaltung wieder das nötige Vertrauen zurückgewinne, um Arbeitslose schnell und effizient in Jobs zu bringen. Die Bundesagentur brauche jetzt einen erfahrenen und qualifizierten Manager, "der den Umstrukturierungsprozess bei der Bundesagentur kraftvoll vorantreibt und Fingerspitzengefühl für die Lage der Arbeitslosen in Deutschland hat". Was die BA nicht brauche, sei ein "sozialdemokratischer Parteisoldat".

BA-Chef Gerster muss gehen

Clement nennt Entlassung unausweichlichBA-Chef Gerster muss gehen

Nürnberg (rpo). Der Chef der Arbeit ist arbeitslos: Florian Gerster, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), muss seinen Stuhl räumen. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement kündigte am Samstagabend seine Entlassung an. Er zog damit die Konsequenzen aus der Affäre um die rechtswidrige Vergabe von Beraterverträgen. Zuvor hatte sich der Verwaltungsrat der Bundesagentur in Nürnberg für eine Trennung von Gerster ausgesprochen. Clement verwies zugleich darauf, dass der Verwaltungsrat nun vier Wochen Zeit habe, um einen Vorschlag für die Nachfolge Gersters zu unterbreiten. Bis zur Berufung des neuen BA-Chefs werde Gersters Stellvertreter Frank Weise die Behörde kommissarisch leiten. Der BA-Verwaltungsrat hatte Gerster in einer vierstündigen Sondersitzung das Vertrauen entzogen. Gerster habe den Reformprozess der BA durch sein Verhalten "erheblich beeinträchtigt", begründete die Vorsitzende des Gremiums, Ursula Engelen-Kefer, anschließend den Beschluss. Das Gremium habe in geheimer Abstimmung mit 20 zu 1 Stimme entschieden, dass "das Vertrauensverhältnis zwischen dem Verwaltungsrat und dem Vorsitzenden des Vorstands gestört ist". Der Verwaltungsrat sprach dem 54-jährigen Gerster zugleich seine Anerkennung für die eingeleiteten Reformschritte aus. Durch sein Verhalten würden die "positiven Dinge" aber zunichte gemacht. Die Reformen könnten jedoch nur vorangetrieben werden, wenn der BA-Chef "vom breiten Vertrauen des Verwaltungsrates getragen wird". Der stellvertretende Verwaltungsratsvorsitzende Peter Clever sagte, es bestehe ein breiter Konsens, dass Gerster dem Reformprozess mehr schade als nutze. Nach den Worten Clevers ist bei der Vergabe von Beraterverträgen in 14 Fällen gegen das Vergaberecht verstoßen worden, in zwei Fällen gravierend. Clement hielt die Entlassung Gersters nach dem Votum des Verwaltungsrates für "unausweichlich". Der Umbau der BA sei ohne eine konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht vorstellbar. Der Minister bescheinigte Gerster zugleich, bei der Bundesagentur eine der anspruchvollsten Reformaufgaben in Deutschland übernommen zu haben. "Erste Früchte seiner Arbeit" seien bereits am Arbeitsmarkt erkennbar, fügte Clement hinzu.

Westerwelle fordert Auflösung der Bundesagentur für Arbeit

Gerster sei das "Bauernopfer"Westerwelle fordert Auflösung der Bundesagentur für Arbeit

Berlin (rpo). Kaum wurde die Entlassung von Florian Gerster bekannt, hat FDP-Vorsitzender Guido Westerwelle die Auflösung der BA gefordert.Westerwelle sagte in Berlin, die "Mammutbehörde" sei nicht mehr führbar und auch nicht reformierbar. Sie müsse deshalb in kleinere, regionale Zuständigkeitsbereiche aufgegliedert werden. Westerwelle betonte, die Probleme der Bundesagentur seien "mit dem Rauswurf Gersters nicht gelöst". Die Entlassung werfe aber "ein Schlaglicht" auf die Missstände. Dass der Reformer gehen müsse und die Blockierer bleiben dürften, sei ein falsches Signal, kritisierte der FDP-Chef. Gerster sei in diesem Fall das "Bauernopfer". Westerwelle räumte ein, Gerster habe Fehler gemacht. Funktionäre wie die Vorsitzende des BA-Verwaltungsrates Ursula Engelen-Kefer hätten ihm aber Knüppel zwischen die Beine geworfen. Engelen-Kefer sei "entscheidend verantwortlich für die Missstände", sie gehöre zu denen, die in den Vergangenheit, die Reformen blockiert hätten. Westerwelle kündigte an, die FDP werde am Montag im Präsidium über ein Konzept zur Auflösung der BA beraten.

Einige Kassen wollen Praxisgebühr abschaffen

DAK und TK arbeiten an gebührenfreien Lösung für ihre MitgliederEinige Kassen wollen Praxisgebühr abschaffen

Berlin/Hamburg (rpo). Gerade sind die 10 Euro als Zusatz-Krankenkarte eingeführt, da wollen einige Kassen sie schon wieder kippen. Mehrere Krankenkassen planen offenbar die umstrittene Praxisgebühr teilweise oder ganz abzuschaffen. Das berichtet die Bildzeitung. Die ersten Kassen, unter anderem die DAK und die Techniker Krankenkasse, arbeiteten an einer gebührenfreien Lösung für ihre Mitglieder. Voraussetzung dafür sei, dass die Versicherten am so genannten Hausarztmodell teilnähmen. Das Gesundheitsministerium begrüßte das Vorhaben. Ministerin Ulla Schmidt (SPD) stellte eine Senkung der Krankenkassen-Beiträge auf 13,6 Prozent für die nahe Zukunft in Aussicht. Das Hausarztmodell sieht vor, dass Patienten vor dem Facharzt einen speziellen Vetragshausarzt ihrer Krankenkasse aufsuchen. Dieser Kassenarzt stellt falls nötig eine Überweisung zum Facharzt aus. Anders als bei einem "normalen" Hausarztbesuch würden dann pro Quartal keine zehn Euro mehr fällig, schreibt die "Bild"-Zeitung weiter. Statt dessen müssten Versicherte nur ihre Chipkarte vorzeigen. Bis spätestens Ende Juni solle das Hausarztmodell bei der DAK in Kraft treten, sagte deren Sprecher Jörg Bodanowitz der Zeitung. Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums sagte am Samstag der Nachrichtenagentur AFP, es sei positiv, dass der Wettbewerb in Gang gesetzt werde. Dies zeige den Spielraum der Gesundheitsreform. Nach den Anlaufschwierigkeiten bei der Gesundheitsreform hatten Ärzte und Krankenkassen am Donnerstag abend unter anderem klarere Regelungen für die Praxisgebühr formuliert. Schmidt sagte der "Welt am Sonntag", seit Ende der achtziger Jahre seien die Beitragssätze gestiegen, "jetzt geht es in die andere Richtung - vier Jahre lang". Der Wettbewerb im Gesundheitswesen werde diesen Prozess befeuern. Daran werde auch die Chroniker-Regelung nichts ändern. Der gemeinsame Bundesausschuss habe gute Regelungen für chronisch Kranke und für die Frage der Krankentransporte gefunden und sei damit in entscheidenden Punkten ihren Vorstellungen gefolgt. Jetzt komme "der eigentliche Härtetest für Kassen und Kassenärztliche Vereinigungen". Mehrere Krankenkassen waren zuvor von massiven Einnahmeausfällen ausgegangen. Die AOK Baden-Württemberg hatte geschätzt, dass die am Donnerstag vereinbarten großzügigeren Regelungen etwa für chronische Kranke oder bei Taxifahrten insgesamt mit mindestens einer Milliarde Euro zu Buche schlagen. "Die Politik kann sich jetzt von ihrem Ziel eines durchschnittlichen Beitragssatzes von 13,6 Prozent verabschieden", sagte der stellvertretende Vorsitzende der AOK im Südwesten, Christopher Hermann, der "Stuttgarter Zeitung" vom Samstag.

Gesetzgeber packt Rentenbesteuerung an

Finanzsausschuss berät über Alterseinkünfte-GesetzGesetzgeber packt Rentenbesteuerung an

Frankfurt/Main (rpo). Der Gesetzgeber packt die Rentenbesteuerung an. Er folgt einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Am kommenden Mittwoch wird der Finanzausschuss des Bundestages erstmals das so genannte Alterseinkünftegesetz beraten.Dies sieht in Schritten eine höhere Steuer auf Renten vor und gleichzeitig die Beiträge zur Rentenversicherung Zug um Zug von der Steuer befreit. Zusätzliche Belastungen ergeben sich allerdings nur für die Bezieher hoher Renten sowie für Rentner mit nennenswerten Zusatzeinkünften. Die Karlsruher Richter hatten im März 2002 verlangt, die Renten künftig nachgelagert zu besteuern, um die fiskalische Ungleichbehandlung der gesetzlichen Renten und der Beamtenpensionen zu beenden. Der Gesetzentwurf sieht eine lange Übergangszeit vor, so dass die volle Besteuerung der Renten erst nach 35 Jahren eintritt. Im Gegenzug sollen die Beiträge zur Leibrentenversicherung binnen 20 Jahren vollständig von der Steuer absetzbar sein. Die Rentenbesteuerung soll 2005 in Kraft treten, doch werden die meisten Rentner davon kaum etwas bemerken. Obgleich alle Bestandsrentner vom nächsten Jahr an für 50 Prozent statt bisher 27 Prozent ihrer gesetzlichen Alterseinkünfte Steuer zahlen müssen, bleiben allein stehende Rentner nach Berechnungen der Landesversicherungsanstalten von den neuen Abgaben verschont, wenn sie nicht mehr als 1.277 Euro Rente im Monat beziehen. Verheiratete Rentner können sogar 2.550 Euro im Monat beziehen, ohne dass der Fiskus zuschlägt. Der zu versteuernde Rentenanteil steigt laut Gesetzentwurf ab 2006 in jedem Jahr um zwei Prozentpunkte an (ab 2020 um jährlich einen Prozentpunkt), so dass Rentner ab dem Jahr 2040 ihre Alterseinkünfte abzüglich des dann gültigen Freibetrages voll besteuern müssen. Parallel zur wachsenden Besteuerung der Rente beginnt im kommenden Jahr die stufenweise Freistellung der Rentenversicherungsbeiträge, bis die Beiträge im Jahr 2025 bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 Euro jährlich gänzlich von der Einkommensteuer befreit sind. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollte dieses Kapital vom einzelnen vorsorglich für die zusätzliche private Alterssicherung genutzt werden. Der im Grundsatz auch von der Opposition gut geheißene Gesetzentwurf wird nur im Detail kritisiert. So halten es die Experten für falsch, dass der bei Renteneintritt steuerfreie Anteil am Alterseinkommen entgegen früheren Plänen nicht prozentual immer neu berechnet, sondern als Festbetrag ohne Anpassung bis ans Lebensende festgeschrieben werden soll. "Künftige Rentenerhöhungen werden dann voll besteuert, selbst wenn es sich nur um einen Inflationsausgleich handelt", zitierte "Focus" den Hamburger Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU). Die Rentenversicherungsträger kritisierten: "Dies kann dazu führen, dass ein Rentner mit 65 Jahren noch keine Steuern zahlen muss, dann jedoch erstmalig im Alter von 80 Jahren." Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung (Samstagausgabe) wird mit der Besteuerung der Renten ein erheblicher Verwaltungsaufwand verbunden sein. Der Meldung zufolge werden rund 5.000 zusätzliche Finanzbeamte gebraucht, weil die Zahl der steuerpflichtigen Seniorenhaushalte von derzeit zwei Millionen auf 3,3 Millionen steige.

Künast fordert neues Siegel "Gentechnik-frei"

Bauern könnten ihren Standortvorteil sinnvoll nutzenKünast fordert neues Siegel "Gentechnik-frei"

Berlin (rpo). Für das neue Siegel "Gentechnik-frei" hat sich Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) stark gemacht. Das wäre eine sinnvolle Nutzung des Standortvorteils. Auch die Umweltorganisation BUND hatte die Bauern zur Schaffung gentechnikfreier Zonen aufgerufen.Das sagte Künast der Tageszeitung "Die Welt" (Samstagausgabe). Sie fügte hinzu: "Bauern haben bereits angefangen, Gentechnik-freie Regionen zu organisieren - und das ist gut so." Die Entscheidung, gentechnisch veränderte Organismen zuzulassen, sei längst getroffen worden, und zwar auf europäischer Ebene, sagte Künast. Die Novelle zum Gentechnik-Gesetz solle nun sicherstellen, "dass in Zukunft auch Anbau ohne Gentechnik möglich ist". Zugleich fordert die Ministerin mehr Forschung zu möglichen Risiken der Gentechnik. Die Umweltorganisation BUND hatte die Bauern zur Schaffung gentechnikfreier Zonen aufgerufen. Mit schriftlichen Selbstverpflichtungen zur gentechnikfreien Nachbarschaft könnten sich Agrarbetriebe gegenseitig schützen. Solche, die ohne Gentechnik produzieren wollten, erklärte der Bund für Umwelt und Naturschutz am Freitag in Berlin. Dadurch könnten sich Bauern auch Marktchancen sichern.

Schröder sichert Afrika Friedenshilfe zu

Kanzler eröffnet Zentrum für Friedenssicherung in GhanaSchröder sichert Afrika Friedenshilfe zu

Accra (rpo). Am Ende seiner einwöchigen Afrika-Reise hat Bundeskanzler Gerhard Schröder den Staaten Hilfe bei der Friedenssicherung zugesagt. In viel zu vielen Ländern des Kontinents seien Konflikte, Gewalt und Instabilität Hindernisse für eine nachhaltige Entwicklung. "Ohne Frieden haben die Menschen auch in Afrika keine Chance auf Teilhabe an den Früchten einer globalisierten Wirtschaft", sagte er Samstag bei der Eröffnung eines Ausbildungszentrums für Friedenssicherung in der ghanaischen Hauptstadt Accra. Schröder eröffnete das Zentrum, das nach UN-Generalsekretär Kofi Annan benannt ist, gemeinsam mit dem ghanaischen Präsidenten John Kufuor. Deutschland ist mit mehr als zwei Millionen Euro maßgeblich an der Finanzierung beteiligt. In der Einrichtung sollen Trainingskurse für Militärs, Polizisten und interessierte Bürger angeboten werden. "Deutschland und seine Partner in der Europäischen Union und in der G-8 sind sich der Notwendigkeit gezielter internationaler Hilfe bewusst und danach handeln wir auch", sagte Schröder. Die wachsenden afrikanischen Eigenanstrengungen bei der Friedenssicherung nannte er ermutigend. Schröder betonte, dass die Verzahnung der Fähigkeiten im militärischen, polizeilichen und zivilen Bereich bei der Friedenssicherung unabdingbar sei. Rein militärische Friedensmissionen könnten auf Dauer Unsicherheit und Instabilität nicht verhindern. Die Unterstützung der Friedenssicherung zählt zu den Schwerpunkten der deutschen Afrika-Politik. Schröder hatte im vergangenen Jahr beim G-8-Gipfel im französischen Evian einen Friedensplan initiiert, mit dem Afrika bis zum Jahr 2010 in die Lage versetzt werden soll, selbstständig friedenserhaltende Operationen durchzuführen. Das Kofi-Annan-Zentrum ist eine von drei Ausbildungseinrichtungen für Friedenssicherung auf dem Kontinent. Neben Deutschland sind zwölf weitere Länder und die EU an der Finanzierung beteiligt. Kufuor erklärte, dass der Haupthörsaal des Zentrums zu Ehren des Kanzlers den Namen "Schröder-Hörsaal" erhalten werde. Schröder sprach von einer "ganz besonderen Geste der Freundschaft und der Zusammenarbeit". Der Kanzler wollte in Accra auch zu einem bilateralen Gespräche mit Kufour zusammenkommen. Anschließend ist die Unterzeichnung eines Abkommens zum Schuldenerlass geplant. Ghana zählt zu den hochverschuldeten armen Ländern, für die 1999 beim G-7-Gipfel in Köln eine Entschuldungsinitiative gestartet wurde. Die Bundesregierung geht davon aus, dass Ghana bis Mitte des Jahres die Kriterien für den Erlass von 200 Millionen Euro Handelsschulden erreichen kann. Die Opposition kritisierte die Afrikareise des Kanzlers. "Sie wird in Afrika schon nächste Woche vergessen sein", sagte der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedbert Pflüger, der Zeitung "Welt am Sonntag". Die Union hätte sich von der Reise ein deutliches Zeichen zur Unterstützung der Opposition in Simbabwe erhofft. Am Samstagnachmittag fliegt Schröder nach Deutschland zurück. Vor Ghana besuchte er auch Äthiopien, Kenia und Südafrika.

Cheney: "Ideologien der Gewalt bei Wurzel packen"

Kampf gegen den Terrorismus gemeinsam angehenCheney: "Ideologien der Gewalt bei Wurzel packen"

Davos (rpo). Im Kampf gegen den Terrorismus hat US-Vizepräsident Dick Cheney zu einer engeren internationalen Zusammenarbeit aufgerufen. Er will die "Ideologien der Gewalt bei der Wurzel zu packen". Vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos forderte Cheney am Samstag, die zivilisierte Welt müsse "alles in ihrer Macht Stehende tun, um Terrorismus zu bekämpfen und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu stoppen". Diesen Gefahren müsse die Welt gemeinsam begegnen; Kooperation sei "heute wichtiger als in der Vergangenheit". Es gehe darum, die "Ideologien der Gewalt bei der Wurzel zu packen", indem die Demokratie "im ganzen Mittleren Osten und darüber hinaus" gestärkt werde. Cheney ist einer der Architekten der Präventiv-Doktrin, mit der sich Washington das Recht vorbehält, ohne internationale Zustimmung in anderen Ländern militärisch einzugreifen. Von der Regierung in Iran forderte Cheney, ihre Zusagen einzuhalten, keine Atomwaffen zu entwickeln. Die USA werfen Iran vor, unter dem Deckmantel der zivilen Nutzung der Kernenergie an der Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten. Mit der Unterzeichnung des Zusatzprotokolls zum Atomwaffensperrvertrag, das unangekündigte Kontrollen durch UN-Inspekteure erlaubt, gibt sich Washington nicht zufrieden. Iran hatte das Protokoll am 18. Dezember unterzeichnet.

Baradei: Gefahr eines Atomkriegs war "noch nie so groß"

IAEA-Chef warnt vor wachsendem Atom-SchwarzmarktBaradei: Gefahr eines Atomkriegs war "noch nie so groß"

Hamburg (rpo). Der atomare Schwarzmarkt boomt, ein neues internationales Kontrollsystem fehlt: Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Mohamed el Baradei, hält die Gefahr eines Atomkriegs für "noch nie so groß wie heute". "Ein Atomkrieg rückt näher, wenn wir uns nicht auf ein neues internationales Kontrollsystem besinnen", sagte Baradei dem Magazin "Der Spiegel". Der ägyptische Diplomat zeigte sich besonders beunruhigt über neue Erkenntnisse zum illegalen Handel mit Nukleartechnik. Es sei "ein atomarer Schwarzmarkt entstanden", der mit einer "phantastischen Cleverness" betrieben werde. "Da werden in einem Land Pläne gezeichnet, in einem anderen Zentrifugen produziert, die über einen dritten Staat verschifft werden - an einen unklaren Endabnehmer", sagte Baradei. Neben "geschäftssüchtigen Nuklearexperten" und "skrupellosen Firmen" seien womöglich auch "Staatsorgane" beteiligt. Die internationalen Exportkontrollen hätten offensichtlich "in den letzten Jahren völlig versagt", sagte der IAEA-Chef. Er bedauerte, dass seine Kontrolleure "es nicht geschafft haben", Pakistan, Indien und Israel "an der Entwicklung der Bombe zu hindern". Baradei warnte zudem davor, dass die von den USA derzeit entwickelten "Mini-Nukes" die Hemmschwelle für einen Angriff mit Atomwaffen senken könne.

Bundespräsident: FDP-Politiker drängen auf eigenen Kandidaten

Rau sieht in Töpfer geeigneten NachfolgerBundespräsident: FDP-Politiker drängen auf eigenen Kandidaten

München (rpo). Der Streit um die Rau-Nachfolge geht weiter. Jetzt mehren sich in der FDP die Stimmen für einen eigenen Kandidaten. Der scheidende Bundespräsident Johannes Rau selbst denkt positiv über Klaus Töpfer als möglichen Nachfolgekandidaten. Ähnlich wie zuvor schon Bundeskanzler Gerhard Schröder.Im Münchner Nachrichtenmagazin "Focus" äußerten sich laut Vorabmeldung vom Samstag die Chefs der FDP-Landtagsfraktionen von Hessen, Nordrhein-Westfalen und Berlin in diese Richtung gehend. Auch der baden-württembergische Landesvorsitzende Walter Döring plädierte für Selbstbewusstsein gegen CDU/CSU. Der hessische FDP-Fraktionschef Jörg-Uwe Hahn sagte laut "Focus", noch vor der Landtagswahl in Hamburg am 29. Februar müsse die CDU erklären, "ob sie 2006 mit uns gegen Rot-Grün antreten will". Zu einer fairen Arbeitsteilung gehöre, "dass die FDP den Bundespräsidenten stellt und die CDU die Bundeskanzlerin". Der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen, Ingo Wolf, erklärte: "Wenn die Union keinen gemeinsamen FDP-Kandidaten will, muss sie sich darauf einstellen, dass wir eine andere Mehrheit für eine FDP-Kandidatur suchen." Und der Berliner FDP-Fraktionschef Martin Lindner äußerte die Erwartung, dass sich die Delegierten seiner Partei in der Bundesversammlung den Kandidaten einer anderen Partei nicht einfach aufzwingen ließen. Der stellvertretende FDP-Vorsitzende und baden-württembergische Wirtschaftsminister Döring schwor seine Partei ebenfalls auf einen härteren Kurs gegenüber der Union ein. "Es gibt keinen Grund, die CDU zu schonen", sagte er mit Blick auf die Landtagswahlen in Hamburg, Thüringen und im Saarland. "Die setzen überall auf die absolute Mehrheit, da gibt's für uns auch keine Unterstützung", zitiert das Magazin Döring. Nach Schröder ließ nun auch Bundespräsident Rau erkennen lassen, dass er den früheren Bundesumwelt- und späteren Bauminister Töpfer für einen geeigneten Kandidaten für höchste Staatsämter hält. Im Gespräch mit der ARD erklärte Rau am Freitag in Dortmund: "Das habe ich immer so gesehen". Der Bundespräsident betonte aber, er wolle sich damit nicht in die Kandidatendebatte einmischen. "Ich fürchte nur, das könnte eine Äußerung sein, die missverstanden wird als Eingriff in eine aktuelle Diskussion, an der jedenfalls ich mich nicht beteilige", zitierte ihn die ARD am Freitagabend. Am Rande der Verleihung der Ehrendoktorwürde für den Bundespräsidenten durch die Universität Dortmund, bei der er die Laudatio auf Rau hielt, ging der heutige UNO-Umweltbeauftragte Töpfer auf Distanz zu der Kritik Schröders an der zögerlichen Kandidatensuche von CDU/CSU und FDP. "Ich teile diese Kritik nicht", erklärte der CDU-Politiker laut ARD. Töpfer selbst verteidigte die Entscheidungsfindung in der Union, die erst im März ihren Kandidaten bekannt geben will: "Ich bin der festen Überzeugung, dass diejenigen, die diese Entscheidung zu treffen haben, sie auch in richtiger Zeit und in richtiger Überlegung vorbereiten und durchführen", sagte er. Töpfer unterstrich, es sei nicht seine Aufgabe, darüber zu befinden. "Ich bin ganz sicher, dass die, die Verantwortung haben, dieser Verantwortung auch gerecht werden", fügte der langjährige CDU-Politiker hinzu.

Irak: Autobombe explodiert vor Gericht

Widerstand gegen US-Besatzungstruppen besonders starkIrak: Autobombe explodiert vor Gericht

Samarra (rpo). Zwei Bombenanschläge in Irak haben am Samstag fünf Menschen das Leben gekostet und Dutzende verletzt. Eine Autobombe ist in der nordirakischen Stadt Samarra explodiert. Bei dem Anschlag am Samstagmorgen sind mindestens drei Menschen getötet und vier weitere verletzt worden. Bei einem Anschlag nördlich der irakischen Stadt Falludscha sind zwei US-Soldaten getötet worden. Im Zentrum der Stadt Samarra nördlich von Bagdad explodierte nach Militärangaben ein in einem geparkten Kleinlaster versteckter Sprengsatz, kurz nachdem eine US-Patrouille die Stelle passiert hatte. Drei Iraker wurden getötet. 40 Menschen erlitten Verletzungen, darunter auch sieben US-Soldaten. Einem Anschlag westlich von Bagdad fielen zwei Soldaten zum Opfer. Die Bombe detonierte nach Angaben der amerikanischen Truppen am Rand einer Straße nahe Falludscha, als ein US-Konvoi vorbeifuhr. In der irakischen Hauptstadt wurde ein US-Soldat von Heckenschützen angeschossen und verletzt. Mit den jüngsten Vorfällen stieg die Zahl der getöteten amerikanischen Soldaten seit Kriegsbeginn am 20. März auf 509. Erst am Freitag waren beim Absturz eines Militärhubschraubers im Norden Iraks die beiden Piloten an Bord ums Leben gekommen. Die irakischen Schiiten bekräftigten unterdessen ihre Ablehnung des amerikanischen Zeitplans zur Machtübergabe. "Das ist in seiner gegenwärtigen Form inakzeptabel", sagte der führende Geistliche und Vorsitzende des Obersten Rates für die Islamische Revolution, Abdul Asis el Hakim, am Freitagabend in Bagdad nach der Rückkehr von Gesprächen mit US-Präsident George W. Bush in Washington. Inzwischen wachse aber auch in den USA die Einsicht, dass das geplante Parlament aus einer Direktwahl hervorgehen müsse und nicht von regionalen Wahlversammlungen bestimmt werden sollte, sagte el Hakim. Er kritisierte, dass das am 15. November vom irakischen Regierungsrat mit dem US-Zivilverwalter Paul Bremer vereinbarte Abkommen zur Übergabe der Souveränität übereilt abgeschlossen worden sei. El Hakim rief jedoch die schiitische Bevölkerung Iraks auf, die Massendemonstrationen der vergangenen Tagen für baldige Wahlen auszusetzen. Erst solle einer UN-Delegation die Zeit gegeben werden, die Voraussetzungen für freie Wahlen zu prüfen. Die Schiiten dringen auf eine Direktwahl des Parlaments, da sie sich davon aufgrund ihrer Bevölkerungsmehrheit nach jahrzehntelanger Unterdrückung einen bestimmenden Einfluss auf die künftige Regierung versprechen. Kurdische Studenten und Dozenten demonstrierten am Samstag in Suleimanijah für einen föderalistisch organisierten Staat. An der Kundgebung nahmen nach Angaben der Veranstalter rund 7.000 Menschen teil. Mit ihrer Forderung stoßen sie auf starken Widerstand der irakischen Araber, die fürchten, dass eine föderalistische Verfassung den kurdischen Separatismus stärken könnte. In einer Studie des US-Kongresses werden die bisherigen Schätzungen zu den Kosten des Wiederaufbaus als vermutlich zu niedrig angegeben. Falls es keinen umfassenden Schuldenerlass geben werde und die Ölproduktion weiter nicht in Fahrt komme, werde Irak nicht genügend Geld für den Wiederaufbau oder auch nur für die alltäglichen Regierungsarbeiten haben, heißt es in dem am Freitag veröffentlichten Bericht. In diesem Fall werde Irak in den nächsten Jahren zusätzliche Hilfen in Milliardenhöhe benötigen. Die Kosten der amerikanischen Besatzung belaufen sich nach Angaben des Verteidigungsministeriums auf zurzeit rund eine Milliarde Dollar pro Woche.

Paris schickt keine Soldaten in Irak

Französisches Verteidigungsministerium dementiert BerichtParis schickt keine Soldaten in Irak

Hamburg (rpo). Die früheren Irak-Kriegsgegner in Paris haben offenbar einen Sinneswandel erlebt: Die französische Armee bereitet sich auf einen größeren Einsatz in Irak vor. Geplant ist offenbar die Entsendung einer Brigade mit einer Stärke von rund 3000 Mann.Das französische Verteidigungsministerium hat Informationen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" über einen Einsatz französischer Soldaten in Irak dementiert. "Diese Informationen entsprechen nicht der Wahrheit", sagte ein ranghoher Ministeriumsmitarbeiter, der ungenannt bleiben wollte, am Samstag. Das Hamburger Magazin hatte aus seiner neuen Ausgabe vorab berichtet, Frankreich plane die Entsendung einer Brigade mit einer Stärke von rund 3000 Mann. Ein Sprecher des französischen Verteidigungsministeriums bestätigte hingegen einen "Spiegel"-Bericht, wonach Paris die Bereitstellung des Stabs des französisch-deutsch geführten Eurokorps für den NATO-Einsatz in Afghanistan prüfe. "Es handelt sich um eine Frage, die derzeit gemeinsam mit der Allianz geprüft wird", sagte der Sprecher der Nachrichtenagentur AFP. Bislang sei dazu noch keine Entscheidung gefällt worden, "weil diese Entscheidung alle Länder betrifft, die am Eurokorps teilnehmen." Das Eurokorps umfasst 60.000 Soldaten, die von Frankreich, Deutschland, Belgien, Spanien und Luxemburg gestellt werden. Die multinationale Truppe hatte an NATO-Einsätzen in Bosnien und Kosovo teilgenommen. Bisher lehnte Frankreich ein substanzielles Engagement am Hindukusch ab. Die Übernahme des Führungsrolle in Kabul würde für die Bundeswehr eine erneute Aufstockung ihres Kontingents von derzeit rund 1900 Soldaten erfordern.

Streit um Entschädigung entbrannt

Alteigentümer hoffen nach Neubauern-Urteil auf MillionenStreit um Entschädigung entbrannt

Chemnitz (rpo). Das EU-Urteil zu den Entschädigungszahlungen für enteignete ehemalige DDR-Bürger ist erst wenige Tage alt, da ist bereits ein heftiger Streit entbrannt. Einige ostdeutsche Politiker haben eine Anhebung des Solidaritätszuschlages ins Gespräch gebracht. Andere wollen die Steuersenkung nicht zurücknehmen. Aber: Wer soll das bezahlen?Der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaas Hübner sagte der "Bild"-Zeitung: "Man wird wohl nicht darum herumkommen, den Solidaritätszuschlag zu erhöhen, falls durch das Urteil Entschädigungen in Milliardenhöhe auf die ostdeutschen Länder zukommen - auch wenn eine Abgabenerhöhung für die Wirtschaft problematisch wäre." Den sächsischen SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle zitierte das Blatt mit den Worten: "Notfalls muss der Solidarbeitrag erhöht werden." Nach dem Neubauern-Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Straßburg hoffen nun auch die Alteigentümer auf eine angemessene Entschädigung. Der Urteilsspruch sei ganz im Sinne der früheren Grundbesitzer ausgefallen, sagte der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für Agrarfragen, Wolfgang von Dallwitz, der Chemnitzer "Freien Presse" (Samstagausgabe). Mit der Entscheidung sei auch bestätigt worden, dass die geschichtlich besondere Situation der Wiedervereinigung eine entschädigungslose Enteignung keinesfalls rechtfertige. Die Alteigentümer hätten immer das durch die Bodenreform an die Neusiedler übergebene Land respektiert. Dallwitz geht davon aus, dass mit dem jüngsten Urteil die Richtung für die ebenfalls in Straßburg anhängige Klage der Alteigentümer auf eine angemessene Entschädigung für die zwischen 1945 und 1949 erfolgte Enteignung vorgegeben sei. Bislang hätten sie nur drei bis vier Prozent des Verkehrswertes als Ausgleich erhalten, was als Diskriminierung angesehen werde. Die rund 9 000 Betroffenen rechneten nun mit erheblichen Nachzahlungen. "Auf die Bundregierung könnten Ausgleichszahlungen für die Alteigentümer in dreistelliger Millionenhöhe zukommen", prognostiziert Dallwitz. Die erste mündlicher Verhandlung soll dem Bericht zufolge am kommenden Donnerstag stattfinden. Mit einer Entscheidung werde nicht vor dem Sommer gerechnet.

Reformfolgen: Rentner drohen mit Selbstmord

Sozialverband: Rentner so aufgebracht wie noch nieReformfolgen: Rentner drohen mit Selbstmord

Osnabrück (rpo). Mit "Selbstmordrohungen" und angekündigten "Selbstmordattentaten" machen aufgebrachte Rentner ihrem Ärger offenbar Luft. Die Verzweiflung über zusätzliche finanzielle Belastungen lässt sie nach Angaben des Sozialverbands Deutschland (SoVD) zu solch drastischen Mitteln greifen. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstagausgabe) sagte SoVD-Präsident Adolf Bauer, eine solch "aufgebrachte Stimmung" wegen der Kürzungen durch Gesundheits- und Rentengesetze habe der SoVD seit Kriegsende noch nie erlebt. Tausende verzweifelte Rentner wendeten sich an den Verband, weil sie sich ihre Gesundheitsversorgung nicht mehr leisten könnten, betonte Bauer. Denn zur Eigenbeteiligung kämen noch die Ausgrenzung rezeptfreier Medikamente sowie die Kürzungen bei Betriebs- und Sozialrenten hinzu. Der SoVD werde deshalb Ende Februar mit einer Großkundgebung und bundesweiten Aktionen gegen den Sozialabbau bei Kranken und Rentnern demonstrieren.

Telekom-Manager als Gerster-Ersatz?

Nachfolgerliste für Chef der Bundesagentur für Arbeit wächstTelekom-Manager als Gerster-Ersatz?

Berlin (rpo). Noch ist der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Florian Gerster, im Amt. Doch wächst bereits Stunde um Stunde die Nachfolgerliste. Wer kriegt den Job als Arbeitslosen-Chef? Als mögliche Nachfolger Gersters sind Medieninformationen zufolge der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Alfred Tacke, sowie Gersters BA-Vorstandskollege Frank-Jürgen Weise im Gespräch. Auch die Namen des Telekom-Vorstandsmitglieds Heinz Klinkhammer und des Leiters der Berliner BA-Repräsentanz, Wilhelm Schickler, wurden genannt. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Wolfgang Gerhardt, forderte die Privatisierung der Bundesagentur. Ein Wechsel an der Spitze reiche nicht aus, weil die Behörde "in ihrer jetzigen Struktur" nicht führbar sei, sagte Gerhardt der "Heilbronner Stimme". Gerhardt sprach sich für einen Führungswechsel an der BA-Spitze aus. Der nordrhein-westfälische IG-Metall-Chef Peter Gasse forderte im Deutschlandradio Berlin seinerseits den Rücktritt Gersters. Mit seiner Aussage, ein großer Teil der BA-Belegschaft sei verzichtbar, habe er das Vertrauen des Personals zerstört, sagte er.

Bundesregierung entlässt Florian Gerster

Behördenchef zuletzt ohne RückhaltBundesregierung entlässt Florian Gerster

Nürnberg (rpo). Kaum hatte der Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit (BA) Behördenchef Florian Gerster am Samstagnachmittag das Vertrauen entzogen, gab Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement die Entlassung von Gerster bekannt.Clement begründete seine Entscheidung mit dem gestörten Vertrauensverhältnis zwischen dem Verwaltungsrat und Gerster. Er betonte, das Wichtigste sei die Fortsetzung des Reformprozesses der Bundesagentur für Arbeit. Für die Suche eines Nachfolgers bleibt eine Frist von vier Wochen, sagte Clement. "Es geht um die Besten, die wir finden können." Zuvor teilte DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer, nach der Sondersitzung des Verwaltungsrat der BA mit, die Entscheidung sei mit 20 zu einer Stimme gefallen. Für die Nachfolge muss der Verwaltungsrat binnen 30 Tagen einen Vorschlag unterbreiten. Darüber solle in aller Sorgfalt beraten werden, sagte Engelen-Kefer. Zur Begründung des Vertrauensentzuges sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende, Gerster habe "durch eigenes Handeln und Verhalten" den Reformprozess der Bundesagentur beeinträchtigt. Die Fortsetzung des Reformprozesses sei aber nur dann möglich, wenn der Vorsitzende das Vertrauen des Verwaltungsrates besitze. Weil dieses Vertrauenverhältnis aber gestört sei, müsse Gerster abgelöst werden. Laut Engelen-Kefer haben sich die Arbeitnehmervertreter im Verwaltungsrat einstimmig gegen Gerster ausgesprochen. Die DGB-Vizechefin forderte darüber hinaus eine Änderung der Satzung der Bundesagentur mit dem Ziel, den Verwaltungsrat gegenüber dem Vorstand der Behörde zu stärken. Dabei gehe es auch um ein verbessertes Mitspracherecht des Verwaltungsrates über inhaltliche Reformschritte. Gerster war wegen nicht korrekt ausgeschriebener Beraterverträge in die Kritik geraten. Eine interne Revision habe ergeben, dass von 49 Verträgen 27 in nichtöffentlicher Ausschreibung vergeben worden seien, sagte Peter Clever, der für die Arbeitgeber im Präsidium des Verwaltungsrates sitzt. Davon seien 13 überhaupt nicht zu beanstanden. Bei den übrigen 14 gebe es Beanstandungen, allerdings in sehr unterschiedlichem Umfang. In zwei Fällen seien gravierende Verstöße gegen das Vergaberecht festgestellt worden.Offenbar Ermittlungsverfahren gegen GersterGegen Gerster läuft laut einem "Spiegel"-Bericht seit Anfang Dezember 2003 auch ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen der Veruntreuung von Geld im Zusammenhang mit der Vergabe von Beraterverträgen. Ausgangspunkt der Ermittlungen seien 25 Strafanzeigen gegen den Chef der Bundesagentur, berichtete das Magazin am Samstag vorab. "Es liegen klare Verdachtsmomente vor, ohne die wir das Ermittlungsverfahren gar nicht erst eröffnet hätten", wird der Sprecher der Nürnberger Justizbehörde, Bernhard Wankel, zitiert. Bereits seit mehreren Tagen wird über einen Nachfolger Gersters spekuliert. Im Gespräch sind Medieninformationen zufolge der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Alfred Tacke, sowie Gersters BA-Vorstandskollege Frank-Jürgen Weise. Auch die Namen des Telekom-Vorstandsmitglieds Heinz Klinkhammer und des Leiters der Berliner BA-Repräsentanz, Wilhelm Schickler, wurden genannt