Persönlich Arvo Pärt . . . wird für seine Glöckchen geehrt

Auch in den Künsten gibt es einen Nobelpreis, er kommt allerdings aus Japan und heißt "Praemium Imperiale". Aber was will der estnische Komponist Arvo Pärt mit 110 000 Euro Preisgeld? Er ist der Eremit unter den großen Komponisten der Gegenwart, ein bescheidener Grübler mit vollem Bart und wundersamer Mission: Er bringt Glöckchen zum Klingeln und Klingen. Das macht er so erfolgreich, dass seine Kompositionen überall aufgeführt werden, und das Klingeln merkt er auch im Portemonnaie.

Aber um echte Glocken und hohe Tantiemen geht es ihm gar nicht. Seine Technik heißt "Tintinnabuli"-Technik, also Glöckchen-Technik. Bei Pärt sind alle Tonfolgen Ableitungen von Dreiklängen, die in die Horizontale aufgefaltet werden. So wird Schlichtes zum Fundament erhabener Architektur. Diese Musik klingt, als sei sie für Klöster komponiert. Und richtig, eins von Pärts bekanntesten Werken heißt "Fratres" ("Brüder"). Wer das Opus für Streicher und Schlagzeug hört, verliert das Zeitgefühl. Die Musik hat kein Ziel, keine Herkunft. Sie wandelt nur. Sie klingt einfach, aber regelmäßig - und rührt sehr zu Herzen. Pärt, 1935 in Estland geboren, ist ein Versöhner, kein Verfechter von Dissonanzen. Er mag keinen Streit, auch nicht mit dem Staat. Indes mochte er nicht schweigen, als seine Heimat noch Sowjetrepublik war. Er komponierte damals nicht etwa aufsässig, sondern nur sehr katholisch. Immerzu fromme Themen: Maria, Passion, Te Deum! 1980 zwang ihn der Staat in die Emigration nach Wien. Nun lebt Arvo Pärt in Berlin und kehrt von Zeit zu Zeit in sein estnisches Landhaus zurück.

Freude über den Preis kommt gewiss auch vom Rhein: Pärts Tochter Arina Nestieva arbeitet seit vielen Jahren in der Dramaturgie des Düsseldorfer Schauspielhauses, hat dort etliche Intendanten überlebt und sich unterdessen als famose Übersetzerin aus dem Russischen einen Namen gemacht.

Wolfram Goertz

(RP)
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