Düsseldorf Asyl-Klagen: Gerichten droht Kollaps

Düsseldorf · Die Zahl der Verfahren an den NRW-Verwaltungsgerichten steigt massiv. Grund ist die Flüchtlingskrise. Die hohe Belastung könnte viele Prozesse in die Länge ziehen - zum Beispiel auch im Baurecht.

Die sieben nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichte leiden unter der Belastung durch Asylverfahren. "Wir haben das Gefühl, wir kommen nicht mehr hinterher", sagte Nicola Haderlein, Verwaltungsrichterin in Düsseldorf. Im vergangenen Jahr sind durchschnittlich 140 Prozent mehr Fälle zum Aufenthaltsstatus bei den Gerichten eingegangen als noch 2015. Zahlen des ersten Quartals 2017 und eine Hochrechnung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) belegen, dass dieser Trend anhält. "Die Frage ist, ob aus ,Wir schaffen das' ein ,Wir sind geschafft' wird", sagte Frank Schafranek, Richter in Aachen.

An allen Verwaltungsgerichten hat die Zahl der Asylverfahren stark zugenommen. Spitzenreiter in dieser Statistik ist das Gericht in Minden, das einen Zuwachs von mehr als 180 Prozent zwischen 2015 und 2016 verzeichnet. "Die Asylwelle hat die Verwaltungsgerichtsbarkeit erreicht", sagt ein Sprecher dort. Er rechnet damit, dass sich die Verfahrenslaufzeiten stark verlängern werden. Das bedeutet, dass rechtlich mögliche Abschiebungen sich unter Umständen verzögern. Weil auch die Geschäftsstellen überlastet sind, dauert es etwa in Aachen derzeit um die vier Wochen, bis eine fertige Entscheidung postalisch verschickt wird.

Wenn ein Bürger gegen staatliche Entscheidungen klagt, muss er sich sehr oft an ein Verwaltungsgericht wenden. Das betrifft Strafzettel, Baugenehmigungen, Versetzungen in der Schule oder den Numerus clausus an Universitäten. Die Kölner Verwaltungsrichterin Stefanie Seifert hat Sorge, dass auch diese Verfahren länger dauern könnten. "Eilverfahren bleiben natürlich Eilverfahren und werden vorrangig behandelt", sagte sie. Gleichwohl ist damit zu rechnen, dass die Gerichte insgesamt langsamer werden. "Angesichts der weiterhin wachsenden Zahl an Verfahren wird es nicht mehr gelingen, die Verfahrenslaufzeiten auf dem bisherigen Niveau zu halten", heißt es beim OVG.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte unserer Redaktion: "Die hohe Zahl an Asylverfahren kommt dadurch zustande, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge jetzt viele Anträge bearbeitet hat." Das NRW-Justizministerium hingegen greift das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) wegen der Belastung durch die Asylverfahren an. "Den Gerichten könnte eine Vielzahl von Verfahren erspart bleiben, wenn das Bamf sorgfältigere Entscheidungen treffen würde", sagte ein Sprecher gestern. "Außerdem fehlt es an der Erreichbarkeit der Mitarbeiter, so dass Verfahren schneller erledigt werden können."

Heiko Maas glaubt nicht, dass der Richterberuf durch die Fülle an Asylverfahren unattraktiv geworden ist. "Trotz der hohen Belastung: Die Unabhängigkeit macht den Richter immer noch zu einem sehr attraktiven Beruf", sagte er. Eine Reform der juristischen Ausbildung hält er nicht für notwendig, um mehr Menschen für den Richterberuf zu begeistern. "Die hohe Kompetenz unserer Juristen gehört letztlich zum Markenkern unseres Rechtsstaates", sagte Maas.

Den NRW-Verwaltungsgerichten sind 59 zusätzliche Richterstellen zugewiesen worden, 14 davon sind noch unbesetzt. In den 59 zusätzlichen Stellen sind 24 Richter enthalten, die befristet von anderen Gerichten abgeordnet sind. Das teilte das Oberverwaltungsgericht auf Anfrage mit. Das Verwaltungsgericht Arnsberg schreibt hingegen: "Aufgrund der bisherigen Entwicklung ist ersichtlich, dass die personellen Maßnahmen bei Weitem nicht ausreichen."

(her)
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