Volker Kauder "Athen soll reinen Wein einschenken"

Der Vorsitzende der Unionsfraktion über Minsk, den Euro und die Einwanderung.

Unionsfraktionschef Volker Kauder zählt zu den engsten Vertrauten der Bundeskanzlerin. Im Interview mit unserer Zeitung liefert er ihr innenpolitische Argumente, in der Euro-Frage bei den Griechen hart zu bleiben.

Herr Kauder, sichert sich Merkel mit den Vereinbarungen von Minsk einen Platz im Geschichtsbuch?

Kauder Angela Merkel ist sicher eine herausragende Bundeskanzlerin und in Europa momentan die Führungsfigur, an der sich die anderen orientieren. Sie hat sich weltweit großen Respekt erarbeitet. Die Kanzlerin hat entscheidend zum neuen Minsker Abkommen beigetragen. Ob jemand wegen einer bestimmten Leistung einmal in die Geschichtsbücher kommt, sollte man nur im Rückblick sagen. Angela Merkel würde das sicher genauso formulieren.

Für wie valide halten Sie den in Minsk ausgehandelten Waffenstillstand?

Kauder Das Ergebnis von Minsk ist ein Zeichen der Hoffnung. Aber niemand kann genau sagen, ob der Waffenstillstand dauerhaft halten wird. Die Stunden bis null Uhr am Sonntag, dem Zeitpunkt, an dem die Waffen schweigen sollen, sind schon kritisch genug. Aber das gilt auch für die Tage und Wochen danach, in denen sich beweisen muss, ob die Konfliktparteien ihre schweren Waffen tatsächlich abziehen. Dauerhaft halten wird der Waffenstillstand ohnehin nur, wenn es auch eine politische Verständigung gibt. Deutschland und Frankreich werden als Vermittler in den nächsten Monaten stark gefordert sein.

Wann sollte Europa die Sanktionen gegen Russland wieder lockern?

Kauder Der russische Präsident Putin hat in Minsk bei den Verhandlungen eine konstruktivere Rolle als bisher gespielt. Dies allein rechtfertigt aber noch nicht die Rücknahme der Sanktionen. Es kommt jetzt darauf an, wie sich Russland weiter verhält. Russland muss Einfluss auf die Separatisten nehmen, dass die ihre Waffen dauerhaft schweigen lassen. Und es muss sich zur Verantwortung bekennen, mit dafür zu sorgen, dass es eine dauerhafte politische Lösung in der Ost-Ukraine gibt, die nicht nur den Interessen der Separatisten entspricht, sondern auch den legitimen Anliegen der Ukraine. Russland hat viel Vertrauen verspielt, das muss es jetzt erst einmal wieder aufbauen.

Rechnen Sie in der Euro-Frage mit einer Einigung zwischen Griechenland und Europa?

Kauder Unsere Haltung ist klar. Wir stehen zu unseren Zusagen, aber nur bei Einhaltung der versprochenen Anstrengungen. Der Schlüssel zur Einigung liegt bei der griechischen Regierung. Sie hat lange versucht, Europa zu spalten, oder zumindest ausgelotet, ob es sich spalten lässt. Dabei hat sie einsehen müssen, dass alle anderen Euro-Staaten bei ihrer Position bleiben. Nun scheint die griechische Regierung bereit zu sein, auf der Grundlage der bisherigen Abmachungen in Gespräche einzutreten, wie es weitergehen kann. Die Einsicht kommt reichlich spät, aber bitte. Wir müssen sehen, was sich nun bis Montag tut

Die Griechen treten gegenüber den Euro-Partnern sehr selbstbewusst auf. Kommen sie damit durch?

Kauder Sie haben wohl eingesehen, dass sie kooperieren müssen. Das heißt aber nicht, dass das übrige Europa den Griechen immer wieder Sonderkonditionen einräumen kann. Und noch eines: Der Stil, den die neue Regierung in den vergangenen zwei Wochen an den Tag gelegt hat, hat in meiner Fraktion zu erheblicher Verärgerung geführt.

Das heißt in der Konsequenz, dass es zu einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone kommen kann?

Kauder Abwarten. Einer meiner Lieblingssätze lautet: Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit. Dem wird sich auch die griechische Regierung stellen müssen. Ich hoffe immer noch auf die Einsicht von Herrn Tsipras und seiner Regierung in den nächsten Tagen. Sie sollte auch ihrem Volk einmal reinen Wein einschenken, wie es um das Land bestellt ist und dass es auf weiteres Geld angewiesen ist und dieses aber nur zu erhalten ist, wenn es weitere Anstrengungen gibt.

Damit nehmen Sie den Austritt Griechenlands aus dem Euro in Kauf.

Kauder Mit Wenn-dann-Prognosen kann ich wenig anfangen . . .

Nach dem Merkel'schen Prinzip muss man immer das Ende bedenken . . .

Kauder Das ist nicht nur ein Merkel'sches Prinzip. So haben auch schon die alten Griechen gedacht. Nein: Wir können von den Prinzipien der Hilfen nicht abrücken. Und das wird irgendwann auch die neue Regierung in Athen einsehen, hoffentlich...

Noch ein Versuch: Wird Griechenland Ende des Jahres noch im Euro sein?

Kauder Diese Entscheidung hat Griechenland selbst zu treffen. Ich bin sicher, dass Griechenland weiß, welche Vorteile es im Euro-Raum hat.

Müssen in der Debatte um die Einwanderung nach Deutschland weitere Länder wie beispielsweise das Kosovo als sichere Herkunftsländer eingestuft werden?

Kauder Wir sollten erst einmal in die vorhandenen sicheren Herkunftsstaaten mehr Asylbewerber, die keine Anerkennung bekommen können, abschieben. Es nutzt nichts, wenn wir einen Staat nach dem anderen zum sicheren Herkunftsstaat erklären und dann aber keine Abschiebungen stattfinden. Solange nicht konsequent abgeschoben wird, wird die ungesteuerte Einwanderung nach Deutschland immer weiter zunehmen. Dennoch bin ich bereit, auch über die Anerkennung weiterer sicherer Herkunftsländer zu reden. Die Kommunen und die Länder wollen das. Aber noch einmal: Die Anerkennung von weiteren sicheren Herkunftsstaaten löst das Problem allein nicht. Und das gilt auch für die Forderung, die Verfahren zu beschleunigen. Selbst wenn diese noch schneller abgeschlossen werden könnten, bliebe doch die Frage: Und wie geht es mit den abgelehnten Bewerbern weiter? Auch dazu müssen die Länder einmal Konkreteres sagen.

EVA QUADBECK FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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