Interview mit Bundesumweltminister Altmaier "Atommüll-Zwischenlager an der Küste"

Berlin · Der CDU-Bundesumweltminister äußert sich zum Streit um die Lagerung der atomaren Abfälle in Deutschland, zu den Spekulationen über ein schwarz-grünes Bündnis und zur steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung.

Peter Altmaier - Bundeswirtschaftsminister und enger Vertrauter der Kanzlerin
9 Bilder

Das ist Peter Altmaier

9 Bilder
Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Grünen-Urgestein Daniel Cohn-Bendit rät seiner Partei, nicht zu verschweigen, dass Schwarz-Grün nach der Wahl eine "reale Option" sei. Raten Sie der Union Ähnliches?

Altmaier: Ich war ja ein Gründungsmitglied der schwarz-grünen Pizza-Connection, und deshalb habe ich die schwarz-grüne Option niemals verschwiegen. Für die kommende Bundestagswahl ist das aber nur eine theoretische Option, weil sich die Grünen auf Rot-Grün festgelegt haben.

Wenn es aber für beide Koalitionen nicht reicht, wäre dann Schwarz-Grün für Sie die zweitbeste Lösung?
Altmaier Alle Umfragen zeigen, dass die Menschen wollen, dass Angela Merkel weiterhin Kanzlerin ist. Und sie sagen auch, dass eine Fortsetzung der bestehenden Koalition nicht ausgeschlossen ist.
Ist die Strompreisbremse in dieser Legislaturperiode endgültig tot?

Altmaier: Ich werde unabhängig vom Wahltermin dafür kämpfen, dass die Energiewende bezahlbar bleibt. Dafür halte ich eine Strompreisbremse für absolut unverzichtbar. Ob wir sie in dieser Wahlperiode noch hinbekommen, hängt davon ab, ob sich SPD und Grüne noch bewegen und helfen, den weiterhin drohenden, nächsten Anstieg der Strompreise in diesem Jahr zu verhindern. SPD und Grüne machen es sich sehr einfach, wenn sie das Thema nur auf eine Stromsteuersenkung reduzieren, weil durch sie kein einziges der für die permanenten Preisanstiege ursächlichen Probleme gelöst würde. Deshalb halte ich meine bisherigen Vorschläge aufrecht, die mit maßvollen Beiträgen aller an der Energiewende Beteiligter die Strompreise für Bürger und Wirtschaft im Zaum halten könnten.

Wie soll die in der nächsten Periode anstehende grundlegende Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes aussehen?

Altmaier: Die grundlegende EEG-Reform werden wir gleich am Anfang der Legislaturperiode in Angriff nehmen. Dafür gibt es einen parteiübergreifenden Konsens. Ein wichtiger Teil werden Kostensenkungen bei den erneuerbaren Energien sein. Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss künftig preiswerter und effizienter werden. Den Einspeisevorrang stelle ich nicht in Frage, aber der Ausbau des Ökostroms muss stärker nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgen. Auch müssen der Ausbau der erneuerbaren und der konventionellen sowie der Netzausbau stärker aufeinander abgestimmt werden. Nur so können wir vermeiden, dass zu bestimmten Tageszeiten Strom produziert wird, den wir gar nicht brauchen und mit dem wir dann Stromkunden in den Nachbarländern subventionieren.

Sie könnten die Vergütung des Ökostroms daran knüpfen, dass dieser Strom auch in Deutschland abgenommen wird…

Altmaier: Eine Idee ist, die Vergütung künftig an die tatsächliche aktuelle Stromnachfrage zu koppeln. Es gibt aber auch noch andere gute Ideen. Wir brauchen einen Zweiklang: Eine kurzfristige Strompreisbremse und eine langfristig ausgerichtete grundlegende EEG-Reform.

Sind Sie in Sorge, dass der Streit über ein Castoren-Zwischenlager Ihren Endlager-Konsens zunichte macht?
Altmaier Die ersten Bundesländer, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg, haben ihre Bereitschaft zur Aufnahme von Castor-Behältern erklärt. Ich gehe davon aus, dass tatsächlich alle den Konsens über das Endlagersuchgesetz wollen. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir auch das Zwischenlager-Problem bald lösen werden. Schaffen Sie das noch vor der Entscheidung im Bundesrat über das Endlagersuchgesetz am 5. Juli?

Altmaier: Ja. Ich möchte, dass wir uns in allen wesentlichen Fragen vor der Verabschiedung im Bundestag und Bundesrat Anfang Juli geeinigt haben. Das gilt für die strittige Frage des Zwischenlagers der Castor-Behälter. Und das gilt auch für die Zusammensetzung der Bund-Länder-Kommission, die die Kriterien für die Endlagersuche festlegen wird.

Die Energiekonzerne wollen für ein neues Zwischenlager nichts bezahlen, wenn es nicht in Gorleben ist. Wo soll dann das Geld für die Zwischenlagerung herkommen?

Altmaier: Ich bin überzeugt, dass auch die Energieversorger zu ihrem Teil der Gesamtverantwortung stehen. Wir werden diese Fragen in einem Geist von Gemeinsamkeit lösen. Ich habe in der letzten Woche mit den Energieversorgern sehr ausführlich geredet. Wir werden uns jetzt alle offenen Fragen nochmals im Detail anschauen. Der Kompromiss ist historisch. Niemand der Beteiligten möchte ihn aufs Spiel setzen. Deshalb gehe ich davon aus, dass dieser positive Endlager-Geist ansteckend ist und wir am Ende auch mit den Energieversorgern zu einer guten Lösung kommen.

Käme für ein Zwischenlager auch Ahaus in NRW in Frage?

Altmaier Nein. Ahaus ist für mittelradioaktive Abfallstoffe konzipiert. Ich habe bisher keine Hinweise darauf, dass irgendjemand Ahaus in die Diskussion bringt. Wir wollen bei den Castor-Transporten, die ab 2015 anstehen, die Transportwege so kurz wie möglich halten. Da die große Mehrheit der Container auf dem Seeweg transportiert wird, spricht sehr viel dafür, küstennahe Standorte zu suchen. Deshalb kommt Nordrhein-Westfalen bisher nicht in Betracht, und das wird sich auch nicht ändern.

Das Bewusstsein für Energiesparen ist deutlich gestiegen, der Stromverbrauch geht zurück. Warum wollen Sie das nicht nutzen, indem Sie eine Abwrack-Prämie für energiesparende Haushaltsgeräte einführen?

Altmaier: Wir können nicht alle Probleme der Energiewende durch Zuschüsse lösen. Jemand müsste dafür die Zeche zahlen, und das ist am Ende wieder der Bürger. Ich bin gegen generelle Gutschein-Systeme. Einzelne Problemfälle in einkommensschwachen Haushalten können wir örtlich lösen mit Hilfe der Energieberater.

Wird es in der nächsten Legislaturperiode einen neuen Anlauf für die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung geben?

Altmaier: Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir im Koalitionsvertrag der nächsten Wahlperiode einen neuen Anlauf für die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung nehmen. Ich halte das für absolut unverzichtbar, wenn es uns gelingen soll, im Gebäudebestand zu einer angemessenen Sanierungsquote zu kommen. Mehr als 40 Prozent der Energie werden im Gebäudebereich verbraucht. Deshalb ist es wichtig, dass wir das Handwerk und die privaten Immobilienbesitzer dabei unterstützen, Milliarden von Euro zu investieren.

Die Energiewende begann 2011. An welchem Punkt stehen wir jetzt?

Altmaier: Wir haben ungefähr ein Drittel der Energiewende geschafft. Vor uns liegt aber noch eine harte Strecke: Wir brauchen eine kostendämpfende Lösung für künftige Förderung des Ökostroms, eine bessere Abstimmung unter den Bundesländern und den Energieversorgern.

2011 wussten wir noch nicht, dass die USA mit der Schiefergas-Förderung, dem so genannten Fracking, so einen riesigen Erfolg haben würden. Müssen wir das Tempo der Energiewende deshalb drosseln?

Altmaier: In Folge der neuen Politik in den USA wird Gas auch in Europa billiger. Ungeachtet dieser Entwicklung müssen wir die Energiewende vorantreiben, weil wir eine CO2-neutrale Energieversorgung brauchen.

Aber das US-Fracking erhöht den Druck, die Energiewende viel kostengünstiger zu organisieren.
Sind Sie im nächsten Kabinett?

Altmaier Das weiß niemand. Zuerst einmal entscheiden die Wähler, dann die Kanzlerin.
Sie haben gesagt, Sie würden gerne in die Geschichte eingehen als der Umweltminister, der die Energiewende nicht versemmelt hat. Das können Sie nur, wenn Sie noch mal Umweltminister würden!
Altmaier Ich kann sicher sagen, dass ich sie bisher nicht versemmelt habe. Ich möchte sie aber nicht nur nicht versemmeln, sondern auch über eine längere Strecke gestalten und begleiten. Und das geht natürlich am besten, wenn man auch der zuständige Minister ist.

(csi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort