Mutmaßlicher Attentäter von Berlin Italienische Polizei erschießt Anis Amri

Berlin/Düsseldorf · Der wegen des Anschlags auf einen Berliner Weihnachtsmarkt europaweit gesuchte tunesische Terrorist ist tot. Die Ermittlungen zu Hintergründen der Tat laufen weiter. Die Bundesregierung hat Gesetzesverschärfungen angekündigt.

Nach dem Schusswechsel in Mailand: Anis Amri starb nach Polizeikontrolle

Nach dem Schusswechsel in Mailand: Anis Amri starb nach Polizeikontrolle

Foto: dpa, dc jak

Von dem mutmaßlichen Berlin-Attentäter Anis Amri geht keine Gefahr mehr aus. Die Polizei erschoss ihn auf der Flucht nahe der norditalienischen Metropole Mailand. Die Bundesregierung reagierte mit Erleichterung. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) kündigte eine Aufarbeitung der Tat und gesetzliche Verschärfungen an. Er verwies auf die unverändert hohe Gefährdungslage.

Amri hatte bei einer Routinekontrolle ohne Warnung eine Waffe gezogen und das Feuer auf zwei italienische Polizeibeamte eröffnet. Einer der beiden wurde leicht verletzt, der andere, ein junger Beamter in Probezeit, erwiderte das Feuer und streckte Amir nieder. Die Identität des Toten wurde von den italienischen Behörden zweifelsfrei geklärt.

Die Sicherheitsbehörden hatten den 24-Jährigen vier Tage nach seinem mutmaßlichen Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt mit zwölf Toten und 53 Verletzten noch in Deutschland vermutet. Tatsächlich hatte sich Amri längst über Frankreich nach Italien absetzen können. Nach Informationen des französischen Radiosenders Europe 1, hatte Amri am Donnerstag im südfranzösischen Lyon einen Zug nach Chambéry in Savoyen genommen. Dort bestieg er dann einen TGV-Schnellzug nach Mailand, wo er um 21:50 Uhr eintraf.

Merkel: Abschiebungen nach Tunesien deutlich beschleunigen

In Italien hatte Amri wegen einer Brandstiftung bis 2015 eine mehrjährige Haftstrafe abgesessen, bevor er als Flüchtling getarnt nach Deutschland eingereist war und sich mit einer Reihe von Alias-Identitäten vorwiegend zwischen NRW und Berlin bewegte. Die italienischen Behörden hatten bereits vergeblich versucht, Amri nach Tunesien abzuschieben. Auch in Deutschland gelang dies aufgrund fehlender Ausweispapiere nicht.

Die Spur der Tat führt zur Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Sie veröffentlichte nach dem Tod des mutmaßlichen Attentäters am Freitag im Internet ein Video, das Amri zeigen soll, wie er dem IS die Treue schwört und sich zu Anschlägen in Europa verpflichtet. Aus einem Schreiben der marokkanischen Regierung, das unserer Redaktion vorliegt, geht hervor, dass die marokkanischen Sicherheitsbehörden den Bundesnachrichtendienst angeblich mindestens zweimal Warnungen weitergeleitet haben, wonach Amri in Deutschland Kontakt zu IS-Anhängern gehabt habe und mutmaßlich einen Anschlag plane. Die erste dieser Warnungen durch den marokkanischen Geheimdienst DGST soll am 19. September erfolgt sein, die zweite am 11. Oktober. Auf Nachfrage erklärte Bundesinnenminister de Maizière, ihm seien diese Warnungen nicht bekannt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte unterdessen Tunesiens Präsidenten Beji Caid Essebsi in einem Telefonat dazu auf, die Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber aus Deutschland nach Tunesien deutlich zu beschleunigen und die Zahl der Rücknahmen weiter zu erhöhen. Sie kündigte zudem Maßnahmen an, um die Sicherheit in Deutschland zu verbessern. Es werde "alles Menschenmögliche" getan, damit "unser Staat ein starker Staat ist", sagte Merkel.

Frau aus Neuss unter den Todesopfern

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und Bundesinnenminister de Maizière sagten, im Januar solle über mögliche Gesetzesverschärfungen gesprochen werden. Dabei sollten vor allem die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, um ausreisepflichtige Personen schneller abschieben zu können und Gefährder in Haft nehmen zu können.

Amri hatte sich seit Sommer vergangenen Jahres in Deutschland aufgehalten und seine Tat begehen können, obwohl die Sicherheitsbehörden ihn als potenziell gefährlichen Islamisten enttarnt und zeitweise observiert hatten. Die Polizei interessiert sich nun vor allem dafür, wie es Amri trotz hohen Fahndungsdrucks gelingen konnte, nach der Tat zu entkommen Generalbundesanwalt Peter Frank lässt daher mit Hochdruck auch nach möglichen Mitwissern und Unterstützern suchen. Die Waffe, mit der Amri in Italien das Feuer eröffnete, soll dieselbe sein, mit der er in Berlin mutmaßlich auch den polnischen Lkw-Fahrer erschossen hatte.

Vier Tage nach dem Anschlag von Berlin sind neun der zwölf Todesopfer identifiziert, wie das Berliner Landeskriminalamt mitteilte. Darunter befindet sich auch eine Frau aus Neuss, die mit ihrem Sohn den Weihnachtsmarkt besucht hatte.

(bee / may- / qua)
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