Madrid Auch Spanien vor Linksruck

Madrid · Die linkspopulistische Partei "Podemos" verspricht eine neue Schuldenpolitik.

Würden die Spanier heute ein neues Parlament wählen, Pablo Iglesias wäre der strahlende Sieger. Seine Formation "Podemos" würde auf rund 28 Prozent der Stimmen kommen. Die derzeit noch mit absoluter Mehrheit regierende Volkspartei würde bei nur knapp 20 Prozent landen, so eine Umfrage der Tageszeitung "El País". Im Mai stehen Kommunalwahlen, Ende des Jahres sogar Parlamentswahlen an. Siegesgewiss ist nur die Partei, deren Name "Wir können" bedeutet.

"Podemos" fordert, wie Syriza in Griechenland, eine Neustrukturierung der Schulden, Steuererhöhungen, eine expansivere Haushaltspolitik, eine Steigerung der Sozialausgaben und Verstaatlichung zuvor privatisierter öffentlicher Dienstleistungen. Für manche Analysten würde Iglesias Spanien damit direkt in den Bankrott führen. Andere meinen, der 36-jährige Politikprofessor habe erkannt, was dem Land fehlt. Einig sind sich die Beobachter in einem: Die Spanier vertrauen ihrem politischen System nicht mehr.

Als ersten Grund führen die Spanier die Korruption an. Im sozialistisch regierten Andalusien wird Mitgliedern der Verwaltung und der Gewerkschaften vorgeworfen, sich an öffentlichen Geldern bereichert zu haben. Die Volkspartei ist in einem Untersuchungsverfahren sogar beschuldigt, ihren Parteisitz mit Schwarzgeldern renoviert zu haben. Auch die postkommunistische Vereinigte Linke machte Schlagzeilen. Dies empört die Spanier umso mehr, als ihnen in den vergangenen Jahren viel abverlangt wurde. Im Zuge der Haushaltskürzungen mussten an Krankenhäusern sogar Operationssäle schließen; in manchen Hospitälern werden nach 17 Uhr nicht einmal mehr Infarkt-Patienten behandelt. Die Studiengebühren sind explodiert. Dazu sagt Iglesias: "Wenn wir die Leute fragen, ob wir ein Gesundheitssystem für alle wollen oder nur noch behandelt werden soll, wer es sich leisten kann, haben wir die Mehrheit auf unserer Seite." Ähnlich kommentiert er die hohen Studiengebühren.

Regierungschef Mariano Rajoy hat es da schwer, die inzwischen positive volkswirtschaftliche Entwicklung zu vermitteln. Zwar wächst die Wirtschaft wieder, und die Arbeitslosenquote ist auf 23,7 Prozent gesunken. Trotzdem finden sich viele in den Reden der Regierung vom Ende der Krise nicht wieder. In 1,8 Millionen Familien haben weder Eltern noch Kinder einen Job.

So erscheint der Vorwurf, die traditionellen Parteien hätten den Sinn für die Wirklichkeit verloren, nicht aus der Luft gegriffen. Zudem erzählt "Podemos" den Spaniern eine verlockende Geschichte. Die Koalition aus korrupten Politikern und gierigen Banken soll für die tiefe Wirtschaftskrise verantwortlich sein. Nur logisch ist die Schlussfolgerung: Spaniens Schulden, inzwischen fast 100 Prozent der Wirtschaftsleistung, sind für "Podemos" "nicht legitim" und müssen überprüft werden. Zwar hat Iglesias inzwischen von der Forderung Abstand genommen, die Schulden nicht mehr zu bedienen. Doch über Restrukturierung der Staatsschulden will er mit Gläubigern und europäischen Partnern immer noch verhandeln.

Trotzdem sehen nicht alle Experten Spanien im Chaos versinken, sollte "Podemos" an die Macht kommen. Allerdings drohen sich in Europa die Fronten zwischen Norden und Süden zu verhärten. "Podemos" hat bereits eine Koalition des Südens gegen Merkels Sparpolitik angekündigt.

(RP)
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