Düsseldorf Aufstieg und Krise von Air Berlin

Düsseldorf · Am Ende hatte er einfach Pech. 20 Jahre nachdem Air-Berlin-Gründer Joachim Hunold den Grundstein für Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft gelegt hat, fiel seine Strategie zuletzt äußeren Umständen zum Opfer: Erst vertrieb die weltweite Wirtschaftskrise ab dem Jahr 2008 so viele Passagiere aus den Flugzeugen, dass dieses Branchenloch trotz des jüngsten Wirtschaftsbooms bis heute nicht wieder aufgefüllt ist. Hinzu kamen die Unruhen in Nordafrika, die das Ferienflug-Geschäft von Air Berlin überproportional getroffen haben.

Schließlich setzte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Anfang des Jahres auch noch eine "Luftverkehrssteuer" in die Welt, die Airlines mit einem besonders hohen Umsatz-Anteil im Passagier-Fluggeschäft viel stärker als solche belastet, die ihr Geld zum Teil auch mit Frachtflügen oder anderen Geschäftszweigen verdienen. Während bei Air Berlin fünf Prozent des Konzernumsatzes von der neuen Ticketsteuer betroffen sind, sind es beim Lufthansa-Konzern nur 1,15 Prozent.

Hunolds eigener Fehler war, den Konzern mit seiner aggressiven Wachstumsstrategie anfällig gemacht zu haben für solche äußeren Einflüsse, die andere Fluggesellschaften mit solideren Bilanzen deutlich besser wegstecken: Air Berlin hat zum letzten Mal 2007 Geld verdient. Seither ist der Börsenwert des Unternehmens von über 1,7 Milliarden Euro auf heute gerade noch gut 200 Millionen Euro eingebrochen. "Eigentlich längst ein Übernahmekandidat", sagt Metzler-Analyst Jürgen Pieper, "aber das will sich derzeit wohl keiner antun." Nach einem Netto-Konzernverlust von 106,3 Millionen Euro im vergangenen Jahr gab Air Berlin gestern für das erste Halbjahr 2011 ein operatives Minus (Ebit) von 220,5 Millionen Euro bekannt.

Die Gründe für die angespannte Kassenlage liegen zum Teil schon Jahre zurück. Nur kurz nachdem er Air Berlin 1992 mit gerade mal zwei Boeing-Maschinen und 150 Mitarbeitern gegründet hatte, wollte Hunold bereits den Ferienflieger Condor aufkaufen. Das Vorhaben floppte, die Branche feixte.

Aber zu früh: Als sein eigener Chef setzte Hunold unerwartet erfolgreich auf Charterflüge nach Mallorca und zu anderen Mittelmeer-Destinationen sowie auf die Kanaren. 2002 etablierte sich Air Berlin erfolgreich mit Billigangeboten auch für Geschäftsreisende. Nach Easyjet und Ryanair wurde die Gesellschaft 2003 drittgrößter Low-Cost-Carrier in Europa. Air Berlin wurde außerdem zweitgrößte deutsche Airline hinter der Lufthansa: 2004 übernahm Hunold eine 24-Prozent-Beteiligung an der österreichischen Billigfluglinie Niki seines Freundes Niki Lauda, ein Jahr später kam die Fluglinie Germania Express hinzu, und 2006 folgte die Übernahme der dba. Noch im selben Jahr wagte Hunold zudem einen Börsengang und baute nach und nach eine moderne Flotte auf. Im März 2007 erwarb Air Berlin auch noch die LTU – für 140 Millionen Euro inklusive Schulden von 200 Millionen Euro. Mit seiner teuren Einkaufstour baute Hunold von 2006 bis 2009 nicht nur 600 Millionen Euro Schulden auf, sondern musste so viele Gesellschaften mit so unterschiedlichen Geschäftsmodellen zusammenbringen, dass Air Berlin am Ende alles war: Ferienflieger, Billigflieger, Linienflieger und Business-Flieger.

Für einen solchen Voll-Sortimenter hatte Hunold aber weder die Strukturen noch das Kapital im Rücken. Trotzdem griff er dann auch noch die Lufthansa auf deren innerdeutschen Stammstrecken an, was diese mit einem sehr aggressiven Preiskampf erwiderte, den Air Berlin nicht lange durchhalten konnte.

(RP)
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