Persönlich Aung San Suu Kyi . . . verliert ihren Heiligenschein

Weltweite Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht. Einer Friedensnobelpreisträgerin muss das bewusst sein. Und mehr als das: Man muss von einer Ikone wie Aung San Suu Kyi auch erwarten, dass sie sich aktiv für dieses Menschenrecht einsetzt. Doch während birmanische Sicherheitskräfte die muslimische Minderheit der Rohingya verfolgen, schweigt die Regierungschefin. Dabei galt Aung San Suu Kyi (72) bisher als die demokratische Stimme des Landes.

Eigentlich gehört diese Frau zu einer Riege von Heldinnen. Sie beginnt mit Bertha von Suttner, geht über Mutter Teresa bis zu Malala Yousafzai: Im Jahr 1991 nämlich erhielt Suu Kyi den Friedensnobelpreis. Seit den späten 80er Jahren hatte sie sich für die gewaltlose Demokratisierung ihres Heimatlandes starkgemacht, dafür Festnahmen und 15 Jahre Hausarrest in Kauf genommen.

Das Leben der 72-Jährigen, die in Indien aufwuchs, in Oxford studierte und später einen Tibetologen heiratete, ist so bewegt, dass Regisseur Luc Besson einen Film ("The Lady") darüber drehte. Suu Kyis Ehemann verstarb 1999 an Krebs. Ein Abschied voneinander blieb beiden verwehrt, weil sie erst 2010 aus dem Hausarrest entlassen wurde. Doch damit begann ihr politischer Aufstieg.

2012 erlangte sie die Mehrheit in ihrem Wahlkreis. Drei Jahre später gewann ihre demokratische Partei die Parlamentswahl, und nun ist Suu Kyi Regierungschefin und Außenministerin des Landes, das heute Myanmar heißt. Ihre Worte 2013 im Europaparlament gelten als Markstein: "Die Freiheit der Gedanken beginnt mit dem Recht, Fragen zu stellen; und dieses Recht hatten die Menschen in Birma so lange nicht mehr, so dass einige nicht einmal mehr wissen, wie Fragen gestellt werden."

Nun aber holt die Realität sie ein: 370.000 Rohingyas mussten fliehen. Suu Kyi sagte ihre Teilnahme an der UN-Vollversammlung in New York ab. Sie schweigt. Der Heldin scheint ihre Mission über den Kopf zu wachsen. Jessica Balleer

(RP)
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