Hannover Aus für Rot-Grün in Niedersachsen

Hannover · Die Grünen-Abgeordnete Twesten wechselt zur CDU und stürzt die Landesregierung in eine tiefe Krise. Ministerpräsident Weil unterstellt der Union eine Intrige und strebt rasche Neuwahlen an.

Paukenschlag in Niedersachsen: Durch den überraschenden Wechsel der Grünen-Abgeordneten Elke Twesten zur CDU verliert die rot-grüne Regierung von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ihre Ein-Stimmen-Mehrheit im Landtag. Weil sprach von einer Intrige. Die SPD-Fraktion werde nun kommende Woche die Selbstauflösung des Parlaments beantragen, sagte Weil. Er strebe rasche Neuwahlen an. Die CDU signalisierte Unterstützung für die Landtagsauflösung. Regulär wäre die nächste Landtagswahl am 14. Januar. Sie wird um Monate vorgezogen und könnte sogar mit der Bundestagswahl am 24. September zusammenfallen.

SPD und Grüne kommen jetzt nur noch auf 68 Mandate, für die Mehrheit sind 69 erforderlich. Für Rot-Grün ist der Machtverlust sieben Wochen vor der Bundestagswahl ein herber Rückschlag. Zugleich stärkt die Wende in Hannover Union und FDP. In jüngsten bundesweiten Umfragen stand Schwarz-Gelb kurz vor einer Mehrheit. In Niedersachsen legen Umfragen nahe, dass CDU-Landeschef Bernd Althusmann nach einer Neuwahl mit der FDP regieren könnte.

Die 54-jährige Twesten führte für ihren ungewöhnlichen Schritt persönliche, keine inhaltlichen Gründe an. Sie sei von ihrem Kreisverband Rotenburg (Wümme) nicht für die Landtagswahl nominiert worden. Ihre siegreiche Kontrahentin habe nun eine wichtige Anmeldefrist verstreichen lassen. Das halte sie für unverantwortlich. "Ich bin keine Verräterin. Ich fühle mich sehr gut", sagte Twesten, die seit 2008 im Landtag sitzt: "Ich sehe meine politische Zukunft in der CDU." Sie sei Anhängerin von Schwarz-Grün.

CDU-Chef Althusmann erklärte, er habe auf Wunsch Twestens am vorvergangenen Freitag ein Gespräch mit ihr geführt. Dabei sei es auch um "denkbare Möglichkeiten eines Engagements in unserer Partei" gegangen. "Angebote hat es keine gegeben", versicherte er. Von einem Platz im Schattenkabinett wisse sie nichts, sagte auch Twesten. Die CDU-Landesliste ist bereits geschlossen. "Es gibt auch noch andere Parlamente, bei denen man sich um ein Mandat bewerben kann. Und es gibt auch noch die Möglichkeit, außerhalb eines Mandats in der Politik zu arbeiten", sagte sie.

SPD und Grüne unterstellten Althusmann dennoch, Twesten etwas versprochen zu haben. "Was in Niedersachsen passiert ist, ist ein Verrat am Wählerwillen", sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil. Eine Grüne habe ihre verletzte Eitelkeit über das Wohl des Landes gestellt. "Es ist skandalös, dass die CDU dieses unwürdige und schmutzige Spiel mitmacht und versucht, daraus Kapital zu schlagen", sagte Heil. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, ein Niedersachse, sagte: "Wir brauchen jetzt Neuwahlen, der Wähler muss entscheiden, wer in Niedersachsen regieren soll. Bis dahin müssen die wahren Hintergründe dieses undemokratischen Manövers von Frau Twesten aufgeklärt werden."

Wütend reagierten die Grünen. Der hessische Politiker Omid Nouripour verwendete das Wort "Korruption" und unterstellte Twesten, den Wechsel unternommen zu haben, weil ihr bereits ein Mandat versprochen worden sei. "Die Union hat mit dem Instrument des Stimmenkaufs dieses Verhalten gefördert, gestützt und begünstigt. Das hat zwar bei der Union in Niedersachsen traurige Tradition, erinnert aber eher an brasilianische Verhältnisse", sagte Ex-Bundesumweltminister Jürgen Trittin, ebenfalls Niedersachse.

(RP)
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