Düsseldorf Auschwitz-Prozess: Als SS-Leute das Grauenhafte zugaben

Düsseldorf · Vor 50 Jahren führte der sogenannte Ausschwitz-Prozess in Frankfurt/M. den Deutschen das Ungeheuerliche, unfassbar Klingende vor Augen. Stichwörter zur beispiellosen NS-Brutalität: Selektion von Menschen an der Rampe zum Vernichtungslager, sofortige Tötung Arbeitsunfähiger, von Frauen und Kindern, 1,2 Millionen Ermordete. 8200 SS-Angehörige (davon 200 Frauen) waren in Auschwitz Teil der Mord-Maschinerie.

Beim zweijährigen Prozess in Frankfurt, der 181 Verhandlungstage dauerte, wurden 20 Täter angeklagt. 17 von ihnen konnten Verbrechen beziehungsweise Teilnahme daran nachgewiesen werden. Sechs Angeklagte erhielten wegen Mordes lebenslange Freiheitsstrafe. Die längste zeitliche Freiheitsstrafe von 14 Jahren wurde wegen Beihilfe zum Mord verhängt. Drei Angeklagte wurden freigesprochen.

Das belastende Material war dem Frankfurt Generalstaatsanwalt Fritz Bauer übergegeben worden. Er hatte, anders als viele seiner damaligen Kollegen den Ehrgeiz, auch nach bundesrepublikanischem Strafrecht ein Exempel zu statuieren. Ein Geschichtsprofessor aus Boston hat jetzt dazu eine neue Gesamtschau abgeliefert: Devin O. Pendas "Der Auschwitz-Prozeß – Völkermord vor Gericht". Das Buch ist im Siedler-Verlag erschienen, 432 Seiten. 24,99 Euro.

Die Verteidigung ging mit Zeugen der Anklage mitunter nicht zimperlich um. Beispiel für Fragen an Zeugen: "Das ist ja so was von unfassbar, was Sie da sagen, haben Sie das denn auch wirklich gesehen?" Einerseits hatte es für Auschwitz-Täter lebenslange beziehungsweise langjährige Haftstrafen gegeben, aber natürlich gemäß dem deutschen Strafrecht nur insoweit, als ihnen individuelle Schuld nachgewiesen werden konnte. Für ihre Beteiligung an den bezeugten Massenvergasungen konnten sie nur wegen Beihilfe verurteilt werden, weshalb eine Reihe von Angeklagten mit vergleichsweise milden Strafen davonkam.

Dennoch war der Frankfurter Großprozess um die juristische Aufarbeitung schier unglaublicher Verbrechen wichtig und wertvoll.

Anders als in den Nürnberger Kriegsverbrecher-Verfahren unmittelbar nach Kriegsende saßen diesmal Deutsche über Deutsche zu Gericht. Und was das Wichtigste war: Die Vergasungen im größten Vernichtungslager der Nazis wurden selbst von SS-Leuten wie dem Unterscharführer Richard Böck in ihrer Grauenhaftigkeit ausdrücklich eingeräumt. "Es ist geschehen, nur wir hatten damit nichts zu tun", so lautete die weit verbreitete Parole. Sie war Ausflucht und doch zugleich wirkungsvolle Munition gegen Holocaust-Leugner.

(RP)
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