"Freunde Syriens" erhöhen Druck auf Assad 100 Millionen Dollar für Syriens Rebellen

Istanbul/Damaskus · In Istanbul haben die "Freunde Syriens", eine Gruppe von mehr als 60 Staaten und Organisationen, Hilfen für die Rebellen beschlossen. Saudi-Arabien und andere Golfstaaten wollen einen Fonds in Höhe von 100 Millionen Dollar für die "Freie Syrische Armee" einrichten. Dabei kommen offenbar auch in deren Reihen Gräueltaten vor.

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Foto: dapd, Bilal Hussein

Mehrere Golfstaaten wollen den Kampf der oppositionellen "Freien Syrischen Armee" mit Millionen von Dollar finanzieren. Allein 100 Millionen Dollar seien den aufständischen Kämpfern für die kommenden drei Monate zugesagt worden, sagte das Mitglied des Syrischen Nationalrats, Molham al-Drobi, der "New York Times" am Rande des Treffens am Sonntag in Istanbul. Es fließe bereits Geld an die Kämpfer, sagte Al-Drobi. 500.000 Dollar allein in der vergangenen Woche auf "einem Weg, den ich jetzt nicht offenlegen kann".

Es sei eine moralische Verpflichtung, entschlossen zu handeln, sagte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan mit Blick auf die Situation in Syrien. Vertreter von mehr als 60 Staaten und Organisationen hatten sich versammelt, um darüber zu beraten, wie Baschar al Assad zum Einlenken zu bewegen sei. Denn obwohl der syrische Präsident den Friedensplan des Sonderbeauftragten der Uno und der Arabischen Liga, Kofi Annan, akzeptiert hat, bleiben Zweifel, ob der Plan tatsächlich umgesetzt wird.

Schon mehrmals stimmte der Syrer Vermittlungsbemühungen zu, um dann umso härter gegen die Opposition vorzugehen. Nach Schätzungen der UN sind mehr als 9000 Menschen seit Ausbruch des Konfliktes vor einem Jahr getötet worden.

Keine Waffen für die Rebellen

Zum zweiten Mal trafen sich die "Freunde Syriens" zur Stärkung der Protestbewegung. Dieses Mal waren die Forderungen der Opposition massiver. So verlangte der Vorsitzende des syrischen Nationalrats, Burhan Ghalioun, die Bewaffnung der aufständischen "Freien Syrischen Armee". Die Rebellenarmee besteht aus abtrünnigen Offizieren der Streitkräfte sowie Oppositionellen. "Wir hoffen, die Freunde Syriens werden unsere Haltung unterstützen", sagte Ghalioun.

Zwar kamen die "Freunde Syriens" dieser Bitte nicht nach. Allerdings erkannten sie den Syrischen Nationalrat als "legitimen Vertreter aller Syrer" an. Zudem wollen Saudi-Arabien und andere Golfstaaten einen 100 Millionen Dollar schweren Fonds für die Bezahlung von Rebellen und Deserteuren gründen. Obwohl ausschließlich finanzieller Natur, stellt der Plan die erste formale Unterstützung der "Freien Syrischen Armee" dar. Unklar blieb, wie der Fonds eingerichtet und überwacht wird. Nach Angaben der "New York Times" stammt das Geld zum größten Teil aus Saudi-Arabien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Zudem kündigte die Gemeinschaft an, mit der Aussicht auf weitere Sanktionen den Druck auf Assad zu erhöhen und ihn zur Umsetzung des Friedensplans zu bewegen. In der Abschlusserklärung des Treffens verurteilten die Syrien-Freunde die Gräuel des Assad-Regimes und erklärten es für legitim, wenn sich die Bevölkerung schütze.

Allerdings wird der Konflikt immer komplizierter. Mittlerweile ist es schwer, die Guten von den Bösen zu unterscheiden, die moralische Verpflichtung, von der Erdogan spricht, eindeutig zuzuordnen. Die Forderungen der Oppositionellen haben sich ebenso radikalisiert wie die Vorgehensweise der Regierung. Beobachter sehen daher geringe Chancen, dass die Spirale der Gewalt aufzuhalten ist. Längst geht es nicht mehr nur um die Einleitung eines Demokratieprozesses, sondern um den Sturz Assads.

Propaganda erschwert Berichterstattung

Auf den Straßen Syriens wird gar die Hinrichtung des Präsidenten samt seiner Familie verlangt. Gräueltaten der syrischen Streitkräfte, festgehalten auf Videos oder Handys, veröffentlicht auf Youtube, Facebook oder Twitter nehmen immer grausamere Dimensionen an und sind mit Vorsicht zu genießen. Da eine unabhängige Berichterstattung nicht stattfindet, Journalisten gekidnappt, beschossen oder gar getötet werden, ist es fast unmöglich, die Informationsquellen einzuordnen. Propaganda auf beiden Seiten ist nicht auszuschließen.

Deshalb verdient ein jüngst veröffentlichter Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) Aufmerksamkeit. Darin werden zum ersten Mal auch der Opposition schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Mitglieder der "Freien Syrischen Armee" hätten gefangen genommene Sicherheitskräfte des Regimes gefoltert und hingerichtet. Freischärler hätten Regierungsanhänger oder deren Angehörige entführt, um Lösegeld zu erpressen. "Das brutale Vorgehen der syrischen Regierung darf für die bewaffnete Opposition keine Rechtfertigung für Übergriffe sein", mahnte HRW.

Die in New York ansässige Organisation begründet ihre Behauptungen mit Filmaufnahmen, in denen von der "Freien Syrischen Armee" gefangen genommene Sicherheitskräfte offenkundig unter Folter Verbrechen eingestanden haben sollen. In 18 Video-Clips sei eindeutig zu sehen, dass sie geschlagen worden seien, einige bluteten gar noch. Zwei Videos sollen Indizien dafür liefern, dass die Rebellen Gefangene hingerichtet hätten. Auf einem Clip, der im Internet kursiert, ist ein an einem Baum aufgehängter Mann zu sehen, der eine Uniform des "Kafr Takharim" Bataillons der syrischen Armee trägt.

(RP/jre/rm)
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