UN-Menschenrechtsrat warnt vor Bürgerkrieg Mindestens 25 Tote bei Gefechten in Syrien

Beirut · Bei Unruhen in Syrien sind am Samstag mindestens 25 Menschen getötet worden. Die meisten Opfer gab es in einem Gefecht zwischen syrischen Regierungstruppen und Deserteuren in der Stadt Idlib im Nordwesten des Landes, wie das in London ansässige Syrische Observatorium für Menschenrechte mitteilte. Unterdessen warnt der UN-Menschenrechtsrat vor einem Bürgerkrieg in dem Land.

2011: Syrer fliehen vor Assads Gewalt
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Vertreter mehrerer arabischer Länder kamen zu erneuten Beratungen über Sanktionen in Katar zusammen. Der UN-Menschenrechtsrat hatte am Freitag vor dem Abgleiten in einen Bürgerkrieg gewarnt. Das Observatorium für Menschenrechte erklärte, bei dem Gefecht in Idlib seien vor Sonnenaufgang sieben Soldaten und Polizisten, fünf zu den Regimekritikern übergelaufene Soldaten und drei Zivilisten getötet worden. Zudem hätten die syrischen Sicherheitskräfte einen Menschen in der südlichen Provinz Daraa, sechs in der Region um die Stadt Homs und drei weitere in der Umgebung von Idlib getötet.

Den Berichten zufolge nimmt die Gewalt im Land stetig zu. Der November habe mit 950 Toten die meisten Opfer seit Beginn der Aufstände gegen Präsident Baschar Assad gefordert, hieß es. Die Niederschlagung der Proteste gegen den syrischen Präsidenten Baschar Assad kostete seit Mitte März nach UN-Schätzungen insgesamt mehr als 4.000 Menschen das Leben. Bislang gab es die meisten Opfer, weil syrische Sicherheitskräfte gewaltsam gegen Demonstranten und Regimekritiker vorgingen. Inzwischen mehren sich aber die Berichte über Kämpfe zwischen den Regierungstruppen auf der einen und Deserteuren und bewaffneten Zivilisten auf der anderen Seite.

Festnahmen an der Grenze zum Libanon

Im Westen des Landes nahmen syrische Sicherheitskräfte nach Angaben der Opposition mindestens 27 Menschen in dem Dorf Talkalach an der Grenze zum Libanon fest. Neun Häuser von Dissidenten seien angezündet worden, hieß es. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana bestätigte in einer Meldung die Festnahmen. Es handele sich um "Terroristen", die in den Waffen- und Drogenschmuggel verwickelt gewesen seien.

In einem beispiellosen Schritt hatte die Arabische Liga bereits in der vergangenen Woche Sanktionen gegen die syrische Regierung verhängt. Bei einem Treffen in der katarischen Hauptstadt Doha sollte am Samstag zusätzlich über die Umsetzung von Einreiseverboten gegen 17 ranghohe Vertreter des Assad-Regimes entschieden werden.

UN ernennt Sonderermittler

Der UN-Menschenrechtsrat hat angesichts der zunehmenden Gewalt in Syrien am Freitag vor einem Abgleiten in einen Bürgerkrieg gewarnt. Wegen der Unterdrückung friedlicher Proteste durch das Regime von Präsident Baschar Assad einigten sich die Mitglieder des Gremiums in Genf zudem auf die Ernennung eines Sonderermittlers. Russland und China unterstützten die Resolution allerdings nicht.

Bei der Gewalt gegen Regimegegner seien in Syrien mindestens 307 Kinder getötet worden, sagte die UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay unter Berufung auf den Bericht einer internationalen Untersuchungskommission. Den UN-Sicherheitsrat forderte sie erneut auf, den Internationalen Strafgerichtshof einzuschalten. "Angesichts des offenkundigen Versagens der syrischen Behörden, ihre Staatsbürger zu schützen, muss die internationale Gemeinschaft dringende und effektive Maßnahmen ergreifen, um das syrische Volk zu schützen", sagte Pillay.

Die UN-Kommissarin erklärte weiter, ihr Büro habe verlässliche Informationen erhalten, wonach seit Beginn der Unruhen vor acht Monaten "deutlich mehr" als 4000 Menschen ums Leben gekommen seien. "Die fortgesetzte, rücksichtslose Unterdrückung kann, wenn nicht sofort gestoppt, das Land in einen ausgewachsenen Bürgerkrieg stürzen", sagte Pillay.

Die Resolution wurde von 37 der 47 Mitglieder des Menschenrechtsrats unterstützt, darunter auch von den Staaten der Arabischen Liga. Bundesaußenminister Guido Westerwelle begrüßte die Resolution. "Der Kurs der Staatengemeinschaft gegenüber dem Assad-Regime ist klar: Wer derart die Menschenrechte mit Füßen tritt, muss mit Ächtung und Sanktionen rechnen", sagte Westerwelle.

Paris reagiert auf Drohungen gegen Exil-Syrer

Frankreich kündigte unterdessen eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen für im französischen Exil lebende syrische Oppositionelle an. Innenminister Claude Guéant erklärte, die Mitglieder des Syrischen Nationalrates einschließlich des Vorsitzenden Burhan Ghaliun würden besser beschützt, nachdem es Drohungen gegen sie gegeben habe.

Nach dem syrischen Präsidenten Baschar Assad dürfen nun zudem auch sein Finanz- und sein Wirtschaftsminister nicht mehr in die EU einreisen. Dies geht aus der am Freitag veröffentlichten Liste derjenigen Personen hervor, die die EU-Außenminister am Donnerstag mit Einreiseverboten und Kontensperrungen belegten. Die Liste wurde um weitere zwölf Personen sowie elf sogenannte Entitäten erweitert.
Dazu zählen neben dem syrischen Finanz- sowie dem Wirtschaftsminister auch zahlreiche hochrangige Militärs, eine Zeitung, ein Fernsehsender sowie eine Öl- und eine Ölexportfirma.

Der niederländische Ölkonzern Shell teilte am Freitag mit, er werde gemäß der von der EU beschlossenen Sanktionen seine Geschäftstätigkeit in Syrien vorerst einstellen. Ob sich dies unmittelbar auf die Produktion auswirken wird, war zunächst jedoch nicht klar. Shell ist an Aktivitäten der staatlichen Ölgesellschaft beteiligt. Der Anteil des syrischen Geschäfts an der Gesamtproduktion des Konzern liegt jedoch bei weniger als einem halben Prozent.

(REU/dapd)
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