Tabubruch in Ankara Abgeordnete mit Kopftuch im Parlament

Ankara · Das ungeschriebene Kopftuchverbot im türkischen Parlament gilt seit Donnerstag nicht mehr: Vier Politikerinnen der Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan erschienen mit islamischer Kopfbedeckung im Plenum von Ankara und wohnten einer Parlamentsdebatte bei.

Recep Tayyip Erdogan: Das ist der türkische Staatspräsident
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Redner mehrerer Parteien begrüßten dies; Kritik kam von der säkularen Oppositionspartei CHP. Die Geschäftsordnung des Parlaments enthält kein Kopftuchverbot; das Tuch war trotzdem lange tabu, weil es als Symbol des politischen Islam gilt. Zuletzt hatte vor 14 Jahren eine Abgeordnete versucht, mit Kopftuch ins Plenum zu gelangen.

Damals wurde die Politikerin ihres Mandates enthoben. Diesmal können sich die vier AKP-Abgeordneten der Unterstützung der Regierung sicher sein. Erdogan hatte vor einem Monat das Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst abgeschafft, nun wurde die Kopftuchfreiheit auch auf das Parlament ausgedehnt.

Der CHP-Politiker Muharrem Inci kritisierte, die islamisch-konservative Regierungspartei AKP versuche, mit Hilfe des Kopftuchs vor den Kommunalwahlen im März Stimmung zu machen. Während sich die AKP beim Kopftuch so engagiere, ignoriere sie andere Probleme von Frauen, wie Misshandlungen oder Ausbeutung durch illegale Beschäftigung. Redner der Kurdenpartei BDP, der Nationalistenpartei MHP sowie der neuen Linkspartei HDP begrüßten die Kopftuchfreiheit.

Handgreifliche Auseinandersetzungen

Gemessen an den Verhältnissen im türkischen Parlament, in dem es hin und wieder handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen Abgeordneten gibt, verlief die Debatte vom Donnerstag ruhig und sachlich. Vizepremier Bülent Arinc sagte eine Änderung der Kleiderordnung im Parlament zu, mit der es weiblichen Abgeordneten in Zukunft erlaubt werden soll, Hosen zu tragen. Bisher müssen sie Kostüme anziehen.

Das islamische Kopftuch ist seit Jahren eines der am heftigsten umstrittenen Themen der türkischen Politik. Die lange Zeit von den Militärs vorgegebene Staatsideologie verbot das Tuch in öffentlichen Einrichtungen, weil es als Kampfmittel des politischen Islam eingestuft wurde.

Erdogans Regierung schaffte nach der Entmachtung des Militärs zunächst das Kopftuchverbot an den Universitäten ab und gab das Tuch dann auch für Lehrerinnen und andere Beamtinnen und Mitarbeiterinnen im öffentlichen Dienst frei.

(AFP)
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