Schwierige politische Lage im Irak Al-Abadi ruft nach Al-Malikis Rücktritt zur nationalen Einheit auf

Bagdad · Nach dem Rücktritt des umstrittenen irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki hat dessen designierter Nachfolger Haider Al-Abadi zur nationalen Einheit aufgerufen.

 Haider Al-Abadi will mit dem Irak einen Neuanfang wagen.

Haider Al-Abadi will mit dem Irak einen Neuanfang wagen.

Foto: ap

Er sei entschlossen, Korruption zu bekämpfen und das irakische Volk im Kampf gegen den Terrorismus zu einen, sagte Al-Abadi in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung. Sein Kabinett werde auf der Grundlage von "Effizienz und Integrität stehen, um das Land vor Problemen der Sicherheit, Politik und Wirtschaft zu retten."

Die EU-Außenminister versprachen bei einem Krisentreffen zu Irak humanitäre Hilfe und kündigten an, direkte Waffenlieferungen an die Kurden im Norden zu prüfen, die von der Terrormiliz Islamischer Staat angegriffen werden. Ein gemeinsames Konzept aller 28 Mitgliedstaaten wurde noch nicht vereinbart; Frankreich und Großbritannien haben den Kurden bereits die Lieferung von Waffen und Munition zugesagt.

Deutschland, die Niederlande und andere Staaten sagten, sie würden dies prüfen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, er fliege am Wochenende nach Irak, um in Gesprächen mit kurdischen Führern und der Regierung zu klären, was benötigt werde.

Al-Abadis Erklärung echote zentrale Forderungen des einflussreichen schiitischen Geistlichen Ali al-Sistani. Der hatte zuvor zur nationalen Einheit aufgerufen und die nächste Regierung aufgefordert, Sicherheitsdefizite zu überwinden und Korruption zu bekämpfen.

"Das ist eine seltene, positive Chance für Irak, neuen Horizonten zu folgen, die zur Lösung aller seiner Probleme führen - insbesondere der Sicherheit und Politik", sagte der Ajatollah in einer von seinem Sprecher Ahmed al-Safi in der heiligen Stadt Kerbela verlesenen Predigt. Al-Maliki kritisierte er scharf: "Die enorme Ausbreitung von Korruption in den staatlichen Institutionen behindern jeden echten Fortschritt in den Bereichen Sicherheit, öffentliche Dienst und wirtschaftliche Entwicklung." Al-Sistani hatte seit Wochen Al-Malikis Rücktritt gefordert.

Al-Maliki gab am Donnerstag seinen erbitterten Widerstand gegen seine Entfernung aus dem politischen Machtzentrum auf. Er werde sein Amt Al-Abadi überlassen, kündigte er in einer TV-Ansprache an. Seine Entscheidung basiere auf seinem Wunsch "die hohen Interessen des Landes zu schützen", erklärte er. Er werde nicht der Grund für Blutvergießen sein. USA und UN begrüßten Al-Malikis Abgang.

Präsident Fuad Massum hatte Al-Abadi am Montag mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Al-Maliki weigerte sich jedoch lange, sein Amt abzugeben und erklärte, die Nominierung Al-Abadis verstoße gegen die Verfassung.

Al-Maliki war seit acht Jahren im Amt. Seine Gegner warfen ihm vor, eine proschiitische Agenda zu verfolgen und damit die sunnitische Minderheit im Land verprellt zu haben. Dies habe den Siegeszug der Terrormiliz Islamischer Staat im Westen und Norden mit herbeigeführt. Der Druck auf Al-Maliki hatte in dieser Woche zugenommen, als sich seine schiitische Allianz hinter seinen Parteikollegen Al-Abadi als künftigen Regierungschef stellte.

Die USA reagierten erleichtert. Außenminister John Kerry sagte, der Schritt eröffne die Chance auf einen "historischen und friedlichen Machttransfer im Irak".

Der UN-Sondergesandte für den Irak, Nikolaj Mladenow, begrüßte die Entscheidung Al-Malikis ebenfalls. Sie demonstriere Staatskunst und Engagement für den demokratischen Prozess und die Verfassung.

Der UN-Sicherheitsrat rief Al-Abadi auf, rasch auf die Bildung "einer integrativen Regierung hinzuarbeiten, die alle Teile der irakischen Bevölkerung repräsentiert und dazu beiträgt, eine brauchbare und nachhaltige Lösung für die aktuellen Herausforderungen des Landes zu finden".

Ein Elektroingenieur an der Macht

Den ersten großen Kampf hat Iraks designierter Regierungschef Haidar al-Abadi gewonnen: Er konnte seinen Vorgänger Nuri al-Maliki an die Seite drängen. Beide gehören der schiitischen Dawa-Partei an, in der Al-Abadi laut der Zeitung "Al-Sharq al-Awsat" in den vergangenen Jahren einen Ruf als "Falke" und Verteidiger der Politik Al-Malikis genoss. Als die Lage zuletzt kritisch geworden sei, habe er jedoch Flexibilität bewiesen, schreibt das Blatt.

Al-Abadi gehört seit dem Sturz von Saddam Hussein im Jahr 2003 dem politischen Establishment in Bagdad an. Sein Name war schon häufiger als möglicher Al-Maliki-Ersatz gehandelt worden. Der 1952 geborene Schiit engagiert sich seit dem 15. Lebensjahr für die Dawa-Partei.
Deren Mitglieder wurden unter Saddam gnadenlos verfolgt. Deswegen verbrachte er viele Jahre im britischen Exil, wo er als Sprecher der schiitischen Oppositionspartei fungierte. 1982 ließ die regierende Baath-Partei zwei seiner Brüder hinrichten.

Nach der Entmachtung Saddams durch den Einmarsch der US-Armee kehrte Al-Abadi wieder in seine Heimat zurück und wurde in der neuen irakischen Regierung Kommunikationsminister. Der Politiker und langjährige Parlamentarier ist promovierter Elektroingenieur. Im irakischen Abgeordnetenhaus leitete er zuletzt den Finanzausschuss.

Merkel telefoniert mit Abadi

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Freitag mit dem designierten irakischen Ministerpräsidenten Haidar al-Abadi und dem Präsidenten der kurdischen Regionalregierung, Massud Barsani, telefoniert. Merkel habe al-Abadi "ihre guten Wünsche übermittelt für eine rasche Regierungsbildung und insbesondere für seine Bemühungen, das Land zu einen", teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Abend mit. Die Bundesregierung werde dem Ministerpräsidenten bei der Bewältigung der vor ihm liegenden Herausforderungen zur Seite stehen.

Im Gespräch mit Barsani dankte Merkel diesem laut Seibert für den entschlossenen Einsatz im Kampf gegen die Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) und für den Schutz, den die Regionalregierung den Flüchtlingen verschiedener Minderheiten gewähre. Die Kanzlerin habe Barsani über die deutsche Hilfeleistung unterrichtet. Bundesaußenminister Steinmeier werde zudem bei seinem Besuch in Erbil am Samstag weitere Hilfe anbieten. Deutschland werde den Irak weiterhin solidarisch und nach Kräften unterstützen.

(ap)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort