Regierungsmehrheit für Hilfspaket ungewiss Tsipras steht zu Hause mit dem Rücken zur Wand

Brüssel · Nach der mit den Gläubigern erzielten Einigung über neue Kreditgespräche sieht sich Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras in der Heimat in der Defensive. Mitglieder seiner Syriza-Partei lehnten die mit den Geldgebern vereinbarten Reform für frisches Geld ab.

Grexikon – das griechische Schuldendrama von A bis Z
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Foto: Phil Ninh

Auch sein Koalitionspartner, die Unabhängigen Griechen, kündigten Widerstand gegen das Abkommen mit der Eurozone an. Vor dem Athener Parlament forderten Protestler die Abgeordneten zu einer Ablehnung der neuen Vorgaben auf. Die Konservativen signalisierten dagegen Unterstützung. Die EZB will mit neuen Notkrediten offenbar warten, bis die Abgeordneten die Reformen beschlossen haben.

Griechenland hatte sich am Montagmorgen nach 17-stündigen Verhandlungen mit den übrigen 18 Staats- und Regierungschefs der Eurozone auf Gespräche über ein drittes Rettungspaket geeinigt. Dabei wird dem Land neue Milliardenhilfe in Aussicht gestellt. Im Gegenzug muss das griechische Parlament bereits in den nächsten Tagen tiefgreifende Reformen beschließen.

Die Einigung verlangt von Griechenland ein drastisches Sparprogramm mit Rentenkürzungen und Privatisierungen. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sagte: "Die Griechen müssen zeigen, dass sie glaubwürdig sind, zeigen, dass sie es so meinen."

Tsipras sagte, das dritte Rettungsprogramm seit 2010 sollte die Märkte überzeugen, dass ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone kein Thema mehr sei. Die Einigung werde zu Investitionen führen. Die Umsetzung werde schwierig, doch würden nun die Lasten gerecht geteilt. Sein Land habe "extreme Maßnahmen" verhindert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, die Eurozone sei bereit zu Schuldenerleichterungen für Griechenland, aber nicht zum Schuldenerlass. Möglich sei zum Beispiel eine längere Frist zum Schuldendienst. Bundestagspräsident Norbert Lammert kündigte an, der Bundestag werde am Freitag in einer Sondersitzung über die Aufnahme von Verhandlungen abstimmen.

Einige Syriza-Mitglieder sind entgeistert

Nach seiner Rückkehr nach Athen beriet sich Tsipras mit Finanzminister Euklid Tsakalotos und anderen ranghohen Parteimitgliedern. Parteiintern geriet er in die Kritik. Linke Syriza-Abgeordnete verwarfen die Einigung als das schlechtestmögliche Abkommen. Griechenland bleibe eine "Schuldenkolonie einer von Deutschland gesteuerten EU".

Dagegen sagte der Chef der konservativen Nea Dimokratia, Vangelis Meimarakis, Griechenland habe sich eine Atempause verschafft, um durch nüchterne und verantwortungsvolle Politik wieder Fuß in Europa zu fassen. Arbeitsminister Panos Skourletis räumte ein, dass die Regierung im Parlament wohl keine eigene Mehrheit für die Reformen zusammenbekomme. "Wir glauben an etwas anderes als das, was wir mit einer Pistole am Kopf unterschreiben mussten", sagte Skourletis. Er rechne mit Neuwahlen noch in diesem Jahr.

Die griechische Wirtschaft und die Banken stehen vor dem Kollaps. Zuletzt wurden sie noch über EZB-Nothilfen liquide gehalten, die aber seit Wochen bei knapp 90 Milliarden Euro eingefroren sind. Deshalb sind Griechenlands Geldinstitute seit zwei Wochen weitgehend geschlossen und zahlen ihren Kunden pro Tag nur noch 60 Euro in bar aus.

Auch nach der Einigung weitete die EZB ihre Nothilfen am Montag nicht aus. Analysten rechneten aber damit, dass die Zentralbank die Summe erhöhen könnte, sobald das griechische Parlament die geforderten Reformen beschließt.

Die Staats- und Regierungschefs schätzen, dass Griechenland noch einmal rund 85 Milliarden Euro benötigt. Die beiden bisherigen Hilfspakete umfassten bereits 240 Milliarden Euro.

(ap)
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