Schießerei in Orlando Was über die Hintergründe der Bluttat bekannt ist

Orlando/Düsseldorf · Die Bilanz der Schießerei von Orlando ist schrecklich: 50 Tote und 53 Verletzte. Es mehren sich die Hinweise, dass der Täter einen terroristischen Hintergrund gehabt haben soll. Wir haben zusammengestellt, was die US-Behörden bisher über die Tat und ihre Hintergründe herausgefunden haben.

Die Polizei hat am Montag die Zahl der Opfer auf 49 korrigiert. Der ursprünglich mitgezählte 50. Tote sei der mutmaßliche Schütze selbst.

Hat der Täter eine Verbindung zur Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS)?

Medienberichten zufolge soll der Todesschütze Omar Siddiqui Mateen mit dem IS sympathisiert haben. Der US-Abgeordnete Adam Schiff erklärte am Sonntag, die Sicherheitsbehörden hätten ihn darüber informiert, dass Mateen dem "Islamischen Staat" die Treue geschworen habe. Nach dem blutigsten Schusswaffenattentat in der jüngeren Geschichte der USA gehen die Ermittler Hinweisen auf ein islamistisches Motiv nach. Berichten zufolge soll der Attentäter sich unter der Notrufnummer 911 bei der US-Polizei gemeldet und sich als IS-Anhänger offenbart haben.

Die Bundespolizei FBI hatte Omar Seddique Mateen nach eigenen Angaben 2013 wegen Terrorverdachts im Visier, stellte die Beobachtung nach zwei Vernehmungen aber wieder ein. Die Behörden und der Leiter der Islamischen Gesellschaft von Zentralflorida warnen die Öffentlichkeit allerdings davor, vorschnelle Schlüsse zu ziehen. Der Täter habe möglicherweise Sympathien für den IS, aber es sei nach wie vor unklar, ob er von dem Terrornetzwerk beauftragt wurde oder ob er sich lediglich von anderen Taten des IS inspirieren ließ.

Eine Propaganda-Seite des IS verbreitete eine kurze Erklärung unter Berufung auf eine nicht genannte Quelle. Darin heißt es: "Der bewaffnete Angriff, der einen Nachtclub für Homosexuelle in Orlando, Florida, zum Ziel hatte und mehr als 100 Tote und Verletzte zurückließ, wurde von einem Kämpfer des Islamischen Staats ausgeführt". Beweise wurden aber nicht angeführt. Auch nach Darstellung des IS-Radiosenders Al-Bajan soll Mateen ein Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat gewesen sein. "Gott hat Omar Mateen geholfen", einen Angriff gegen Kreuzfahrer in einem Nachtclub auszuführen, berichtete der Sender am Montagmorgen. Al-Bajan gilt als offizielles Verlautbarungsorgan der Dschihadisten in ihrem Herrschaftsbereich in Syrien und dem Irak. Es wurde nicht gesagt, dass die Tat von der Führungsebene des IS geplant und in Auftrag gegeben wurde.

Was wissen wir noch über den Attentäter?

Der 29-jährige Omar Mateen soll 1986 in New York zur Welt gekommen sein. Seine Eltern stammen aus Afghanistan. Er lebte in Fort Pierce fast 200 Kilometer südlich von Orlando und arbeitete seit 2007 für den privaten Sicherheitsdienst G4S. Deshalb hatte er auch eine Schusswaffenlizenz. Ein Sprecher des Unternehmens bestätigte, er habe im Dienst immer eine Waffe tragen müssen. Die Tatwaffe erwarb der Schütze FBI-Angaben zufolge vermutlich legal. Zweimal, 2013 und 2014, nahm das FBI Ermittlungen gegen ihn auf, stellte sie aber wieder ein. Im ersten Fall ging es um aufhetzerische Aussagen gegenüber Arbeitskollegen, im zweiten um seine möglichen Verbindungen zu einem amerikanischen Selbstmordattentäter.

Seine Ex-Frau Sitora Yusufiy bezeichnete den 29-Jährigen als instabilen, aufbrausenden und bisweilen gewalttätigen Menschen. Mateen sei ein praktizierender Muslim gewesen. "Es gab aber keinerlei Anzeichen" für eine Radikalisierung, sagte Yusufiy.

Mateen habe drei bis vier Mal pro Woche am Abendgebet der Moschee seines Wohnorts Fort Pierce teilgenommen, berichtete der dortige Imam Syed Shafeeq Rahman. Er hätte "niemals erwartet", das Mateen eine solche Tat begehen könnte, sagte der Imam. Vielleicht habe sich Mateen unbemerkt im Internet radikalisiert.

Welche Erkenntnisse gibt es bislang über das Motiv?

Ermittlern zufolge rief Mateen vor der Tat beim Polizei-Notruf an und bekannte sich zur Terrormiliz Islamischer Staat. Der Vater des Angreifers schloss einen religiösen Hintergrund aus, deutete aber an, dass sein Sohn von Schwulenhass getrieben gewesen sein könnte. M. sei vor zwei Monaten wütend geworden, als er gesehen habe, dass sich zwei Männer küssten, sagte der Vater dem Sender MSNBC.

Wie ist die Tat abgelaufen?

Der Angreifer soll am Sonntag gegen zwei Uhr früh mit einem Sturmgewehr und einer Pistole bewaffnet in den gut besuchten Schwulenclub Pulse in Orlando gekommen sein und das Feuer eröffnet haben. Nach den ersten Schüssen hat er beim Polizeinotruf 911 angerufen und sich dort zum Islamischen Staat bekannt. Das sagte der örtliche Polizeichef John Mina am Montagmorgen. Bisher hatte es verschiedene Angaben über den Zeitpunkt des Anrufs gegeben. Am Sonntag hatte es noch geheißen, Angreifer Omar Mateen habe sich vor seiner Tat zum IS bekannt. Mina sagte, Mateen habe vermutlich aus einer Toilette angerufen, in der er sich verschanzt hatte.

Wenig später lieferte er sich laut Polizei ein Feuergefecht mit einem Sicherheitsbeamten des Clubs. Anschließend sei der Schütze in das Gebäude zurückgegangen und habe Geiseln genommen. Danach habe die Polizei zur Befreiung der Geiseln mit einem gepanzerten Fahrzeug ein Loch in die Außenmauer gerammt. Mina sagte, die Beamten hätten erst versucht, ein Loch in die Wand zu sprengen, um Menschen zu befreien, die der Todesschütze in einen Waschraum gesperrt habe.

Die Explosion habe jedoch nicht ausgereicht, um einen Fluchtweg freizusprengen. Deshalb seien die Polizisten dann mit dem Fahrzeug gegen die Mauer gefahren. "Wir hatten zu diesem Zeitpunkt den Eindruck, dass sonst der Tod weiterer Menschen zu erwarten gewesen wäre", fügte Mina hinzu. Anschließend hätten sich zahlreiche Besucher des Nachtclubs durch das Loch ins Freie gerettet. Auch der Todesschütze habe das Gebäude durch dieses Loch im Mauerwerk verlassen. Dabei habe er weiter geschossen und sei dann von den Beamten erschossen worden. Im Auto Mateens wurde später eine dritte Waffe gefunden, die bisher nicht näher bezeichnet wurde.

Der Besitzer des Nachtclubs postete kurz nach Beginn der Tat auf seine Facebook-Seite: "Everyone get out of pulse und keep running." Darunter posteten Augenzeugen, wie sie die Schießerei erlebt haben.

Eine Mutter berichtete öffentlich, dass ihr Sohn ihr mitten in der Nacht eine SMS geschrieben habe, als er sich auf der Toilette versteckt hielt. Seine letzte Botschaft habe gelautet: "Er hat uns. Er ist hier drin mit uns."

Mittlerweile wurden mindestens 21 Opfer identifiziert, sie sind zwischen 21 und 50 Jahre alt. Auf der Internetseite der Stadt Orlando sind ihre Namen aufgelistet.

Was sagen die US-Politiker?

Die Bluttat könnte zu einer weiteren Polarisierung in dem ohnehin schon scharf ausgetragenen Wahlkampf in den USA führen. Der voraussichtliche republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump forderte Obama beim Kurznachrichtendienst Twitter zum Rücktritt auf. Er warf dem Präsidenten zu große Nachsicht gegenüber der Gefahr durch islamische Extremisten vor.

Auf Twitter bekräftigte Trump auch seine Forderung, Muslimen generell die Einreise in die USA zu verwehren.

Trumps voraussichtliche Wahlkampfgegnerin Hillary Clinton verurteilte das Attentat. Erst vor wenigen Tagen hatte der amtierende US-Präsident Barack Obama angekündigt, dass er Hillary Clinton unterstützen wolle bei ihrer Kandidatur. Noch diese Woche wollen die beiden das erste Mal gemeinsam auftreten. Obama verurteilte das Attentat als einen "Akt des Terrors und des Hasses".

(heif / felt)
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