Merkel bei Trump in Washington Zwei Welten treffen aufeinander
Berlin · Angela Merkel trifft am Freitagnachmittag unserer Zeit erstmals den US-Präsidenten Donald Trump. Die beiden werden dreieinhalb Stunden miteinander sprechen. Es stehen wichtige Themen auf dem Zettel.
Für die Verständigung auf internationalem Parkett darf man den persönlichen Zugang der Staatenlenker untereinander nicht unterschätzen. Kompromisse werden leichter, wenn man bestenfalls die gleichen Werte, aber mindestens ein paar Erfahrungen teilt oder Anekdoten über persönliche Gemeinsamkeiten ausgetauscht hat. Eben dies macht den Besuch der Kanzlerin in den USA umso schwieriger.
Donald Trump und Angela Merkel könnten verschiedener nicht sein. Er ist emotional, extrovertiert und risikofreudig. Angela Merkel hingegen ist bekannt für Rationalität, ihren sparsamen Umgang mit Gefühlsäußerungen und ihre Vorsicht. Er hat goldene Vorhänge im Weißen Haus anbringen lassen, sie schmückt ihre Arbeitsumgebung mit Aktenstapeln.
Auch ein Blick auf ihre politische Weltsicht lässt nicht vermuten, dass die beiden Teil eines Bündnisses und einer Wertegemeinschaft sind. Trump schmähte Merkels Flüchtlingspolitik als "verrückt". Er will Menschen aus muslimischen Ländern die Einreise verweigern und an der Grenze zu Mexiko eine Mauer bauen. Für einen Mauerbau hat in Deutschland kaum einer Verständnis — schon gar nicht die in Ostdeutschland aufgewachsene Kanzlerin. Dennoch muss die Kanzlerin mit dem US-Präsidenten eine Gesprächsebene finden.
Immerhin: Der neue Mann im Weißen Haus will sich vier Stunden Zeit für die deutsche Kanzlerin nehmen. Von der "New York Times" war Merkel nach der Trump-Wahl als Anführerin der freien Welt ausgerufen worden. So viel Pathos und Verantwortung behagten ihr nicht. Dennoch wird sie beim Treffen die Rolle übernehmen müssen, die Errungenschaften der westlichen Welt von Frieden, Freiheit und Humanität zu verteidigen. Sie muss Trump den Nutzen der Nato, den Wert der EU, die Vorteile des Freihandels und die Details der Ukraine-Krise näher bringen. Nicht zuletzt geht es um den G20-Gipfel in Hamburg, dessen Gastgeberin Merkel im Juli sein wird.
- Wirtschaft
Eine zentrale Rolle bei den Gesprächen mit den Amerikanern werden Handelsfragen einnehmen. Begleitet wird die Kanzlerin von Siemens-Chef Joe Kaeser, BMW-Konzernchef Harald Krüger und Klaus Rosenfeld, Chef des Autozulieferers Schaeffler.
Beim runden Tisch mit den Firmenbossen soll es insbesondere um das deutsche Modell der dualen Ausbildung gehen. Aus Kreisen der Bundesregierung wurde betont, dass sich der Wert der Investitionen deutscher Firmen in den USA auf aktuell 271 Milliarden Euro belaufe. Hier will die deutsche Seite den amerikanischen Plänen für Schutzzölle mit einer Auflistung von Vorteilen begegnen, die die Amerikaner aus dem Handel mit Deutschland ziehen.
- Nato
Für die deutsche Regierung ist es wichtig zu erfahren, welche strategische Position die USA künftig gegenüber Russland einnehmen. Bislang waren die Signale widersprüchlich. Kanzlerin Merkel dürfte darauf vorbereitet sein, Trump die Gefechtslage in der Ukraine zu erläutern und ihm die europäische Sichtweise auf den Syrien-Krieg, den Irak, das Atomabkommen mit dem Iran, den Jemen, Libyen und den Nahost-Friedensprozess aufzuzeigen.
Im Gegenzug werden die Amerikaner konkrete Pläne fordern, wie Deutschland spätestens 2024 mindestens zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in Verteidigung investieren will.
- EU
Für die Europäische Union hat Trump bislang oft Verachtung gezeigt. Er sieht die EU als politisches Konstrukt, aus dem vor allem Deutschland Vorteile zieht. Er befürwortet den Brexit und hofft, dass weitere Staaten dem Beispiel folgen. Merkel wird dagegenhalten. Sie setzt darauf, dass EU und USA "Handels- und Wertepartner" bleiben, hieß es aus Regierungskreisen.
- G20
Nicht zuletzt reist Merkel als Gastgeberin des G20-Gipfels am 7. und 8. Juli in Hamburg nach Washington. So soll es auch um die Themen des Gipfels gehen: Klima, Gesundheit, Frauen, Entwicklungsarbeit, Flüchtlingshilfe. Ob die Kanzlerin den US-Präsidenten dafür erwärmen kann, ist offen.
- Erwartungen
Aus Regierungskreisen hieß es, dass es zuerst darum gehe, überhaupt eine gemeinsame Gesprächsebene zu finden. Es sei besser, miteinander zu reden als übereinander. Dieser Hinweis darf als indirekte Kritik an Trumps harscher Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik gewertet werden.
Spannend wird auch, ob und wie sich Merkel Trumps offensiver Art entzieht, Körperkontakt aufzunehmen. So hielt der US-Präsident mit der britischen Premierministerin Theresa May Händchen, was diese zu Hause Renommee kostete. Merkel, die weiß, dass 90 Prozent der Deutschen Trump kritisch sehen, wird so viel Nähe mit dem US-Präsidenten zu verhindern wissen. Schlechte Erfahrung machte auch der japanische Premierminister Shinzo Abe, der sich nach Trumps Dauer-Händedruck erst einmal irritiert zur Seite drehte.