Treffen mit türkischem Ministerpräsidenten Merkel: "Islam gehört zu Deutschland"

Berlin · Nach den islamistischen Gewalttaten in Paris haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu gemeinsam vor Ressentiments gegen Muslime gewarnt.

Angela Merkel: "Islam gehört zu Deutschland"
Foto: afp, bb

Deutschland wolle ein friedliches Zusammenleben von Muslimen und Nicht-Muslimen, sagte Merkel bei einem Treffen mit Davutoglu im Berliner Kanzleramt. Der türkische Regierungschef drang darauf, nicht nur islamistische Gewalt, sondern auch Islamophobie entschieden zu verurteilen.

Unter Verweis auf eine Äußerung des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff (CDU) sagte Merkel: "Der Islam gehört zu Deutschland — und das ist so, dieser Meinung bin ich auch." Es gebe aber sicherlich die "Notwendigkeit, den Dialog zwischen den Religionen noch zu verstärken, es gibt viel Unkenntnis". "Ich bin die Bundeskanzlerin aller Deutschen, das schließt alle hier dauerhaft Lebenden mit ein", betonte Merkel. Sie sei überdies "dankbar", dass die Muslime in Deutschland "die Trennlinie ganz klar ziehen" und Gewaltanwendung deutlich verurteilten.

Merkel würdigte die Türkei als Partner im Kampf gegen islamistischen Terror. Mutmaßungen über einen Zusammenhang zwischen dem Widerstand gegen einen EU-Beitritt der Türkei und den islamistischen Angriffen in Frankreich wies sie jedoch zurück. Derartige Überlegungen seien "sehr spekulativ", sagte Merkel. Zugleich machte sie deutlich, dass sie "neben der Skepsis über die Vollmitgliedschaft" den Prozess der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei unterstütze.

Davutoglu hatte am Wochenende bei seinem Solidaritätsbesuch in Paris den Widerstand gegen die türkische EU-Bewerbung als einen Grund für die Spannungen zwischen der westlichen und der islamischen Welt genannt. Hätte es in den vergangenen Jahren keine Blockadehaltung gegen die Türkei in der EU gegeben, hätten die "kulturellen Spannungen" nicht das heutige Niveau erreicht, sagte Davutoglu laut türkischen Zeitungsberichten.

Auf Nachfrage erläuterte der türkische Regierungschef in Berlin, er habe darauf hinweisen wollen, dass durch den EU-Beitritt eines muslimischen Landes wie der Türkei "Kreisen, die Konflikte schüren wollen," der Boden "entzogen würde". Zugleich rief er dazu auf, nicht nur islamistische Gewalttaten, sondern auch Gewalt gegen Muslime zu ächten.

Davutoglu hätte sich nach eigener Aussage außerdem gewünscht, dass die internationale Gemeinschaft auch Anschläge in der Türkei wie vor einer Woche in Istanbul derart entschieden verurteilt hätte wie die Angriffe auf die französische Satire-Zeitung "Charlie Hebdo" und einen koscheren Supermarkt in Paris mit 17 Todesopfern.

Eine Mitverantwortung der Türkei an der Flucht der französischen Terrorverdächtigen Hayat Boumeddiene nach Syrien wies Davutoglu zurück. Die Türkei könne als Touristenziel und als Aufnahmeland für hunderttausende Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak ihre 900 Kilometer langen Grenzen nicht vollkommen dicht machen. Zuvor hatte Ankara mitgeteilt, dass die Lebensgefährtin des Pariser Attentäters Amédy Coulibaly am 2. Januar in der Türkei angekommen und am 8. Januar nach Syrien gelangt sei.

Davutoglus Kritik am EU-Beitrittsprozess wies der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz zurück. "Die Stagnation im Verhandlungsprozess zwischen der EU und der Türkei beruht auch darauf, dass die Reformanstrengung in Ankara seit einigen Jahren nahezu zum Erliegen gekommen ist", sagte er dem "Tagesspiegel" (Dienstagausgabe).

yb/gt

AFP

(AFP)
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