Die Afrika-Mission der Bundeskanzlerin Merkel will Afrika-Hilfe kontrollieren lassen

Niamey · Die Bundeskanzlerin sagt Niger weitere Hilfen für Sicherheit und zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu. Ein deutscher Verbindungsbeamter soll den Einsatz der Mittel kontrollieren. Im Gegenzug soll das bettelarme Land die Schleuser bekämpfen, die Flüchtlinge nach Europa bringen.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht zwischen Männern vom Stamm der Peuls Wodaabe in Niamey im Niger neben Präsident Mahamadou Issoufou.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht zwischen Männern vom Stamm der Peuls Wodaabe in Niamey im Niger neben Präsident Mahamadou Issoufou.

Foto: dpa, mkx tmk

Das ärmste Land der Welt bereitet der Regierungschefin der weltweit viertstärksten Volkswirtschaft einen jubelnden Empfang: Mit wirbelnden Tänzen und lautstarker Musik begrüßten die verschiedenen Volksstämme Nigers Angela Merkel am Flughafen von Niamey. Die Kanzlerin lässt sich mit bemalten Wodabeh vom Stamm der Peulh bereitwillig fotografieren. Doch ihre Botschaften, die sie mit nach Niger bringt, sollen das Gegenteil des Selfies mit den syrischen Flüchtlingen bewirken, das ihr so oft vorgehalten worden war.

Niger steht beim Streben der Europäer nach Migrationspartnerschaften mit afrikanischen Ländern im Mittelpunkt. Wobei Migrationspartnerschaft bedeutet, dass die afrikanischen Staaten ihre Bürger daran hindern sollen, sich illegal auf den Weg nach Europa zu machen. Das bettelarme Land hat sich in den vergangenen Jahren zur Drehscheibe für Schleuser entwickelt. Jährlich passieren 150.000 Menschen die Stadt Agadez im Norden Nigers, und bislang werden es immer mehr.

Einst war Agadez auch bei Touristen beliebt. Nun haben sich die Schleuser zum bedeutenden Wirtschaftszweig entwickelt. Die meisten Menschen, die es bis Agadez schaffen, wollen sich bis zur nordafrikanischen Küste durchschlagen, um dort auf ein Schiff in Richtung Europa zu steigen. Bis zu 90 Prozent der Menschen, die über dem Seeweg Italien erreichen, sind nach Schätzungen über Agadez gekommen.

Merkel kündigte nach ihrem Treffen mit dem nigrischen Präsidenten Issoufou Mahamadou eine deutliche Aufstockung der Hilfen an. Zehn Millionen Euro sollen in bessere Ausrüstung der nigrischen Sicherheitskräfte investiert werden, für Fahrzeuge und Kommunikationsgeräte. Für die Schaffung von Arbeitsplätzen in Agadez will die Bundesregierung im kommenden Jahr 17 Millionen Euro und perspektivisch 60 Millionen Euro einsetzen. Zur Kontrolle, dass die Gelder auch richtig eingesetzt werden, plant die Bundesregierung einen Verbindungsbeamten im nigrischen Innenministerium zu installieren. Der nigrische Präsident Mahamadou lobte, es sei ungeheuer zielführende, mit einem Land wie Deutschland zusammenzuarbeiten.

Dissenz gab es zwischen Merkel und Mahamadou in der Frage, wie viel Geld Europa insgesamt für die Bekämpfung der Fluchtursachen einsetzen müsse. Die von der EU über einen Treuhandfonds vorgesehenen 1,8 Milliarden Euro reichten nicht aus, sagte Mahamadou. Allein Niger benötige eine Milliarde Euro. Am besten solle Europa einen Marschall-Plan für Afrika auflegen, wie einst die USA nach dem Zweiten Weltkrieg für Europa. Da widersprach Merkel deutlich. Europa habe damals andere Voraussetzung gehabt, gut ausgebildete Menschen, existierende Unternehmen. Sie mahnte, die vorhandenen Hilfsmittel müssten nun erst einmal effizient eingesetzt werden.

Niger selbst ist allein nicht in der Lage, den wachsenden Wafffen-, Drogen- und Menschenschmuggel im eigenen Land einzudämmen. Zumal das Land auch noch mit der Ausbreitung terroristischer islamistischer Gruppierungen kämpft. Die Bedrohung durch einen Al Qaida-Ableger im Norden, die Terrorgruppe Boko Haram im Süden und die schwierige Sicherheitslage an der Grenze zu Mali zwingen Niger dazu bereits zehn Prozent seiner Mittel in Sicherheit zu investieren. Dabei wären auch Investitionen in Bildung dringend notwendig: Die Analphabeten-Quote liegt bei 70 Prozent. Die Geburtenrate zählt zu den höchsten der Welt. Zudem gibt es bei den traditionell eigentlich toleranten nigrischen Muslimen Radikalisierungstendenzen.

Erste Hilfsprojekte für Flüchtlinge gibt es schon: Für diejenigen, die in Europa kein Asyl erhalten haben und die von dort abgeschoben werden, hat die Internationale Organisation für Migration (IOM) Betreuungszentren eingerichtet, unter anderem mit der Hauptstelle in Niamey. Dort bekommen die Rückkehrer Beratung, Unterkunft, Verpflegung und medizinische Versorgung. Von dort geht es zurück in die Heimat: Der Weg zurück ist schwer: Die 38-jährige Kormassa Jallan erzählt, dass sie seit sieben Monaten auf der Flucht ist. Sie hat es von Liberia nur in den Sudan geschafft. Nun sitzt sie beim IOM in Niamey - ohne Perspektive. Ihr Traum: Sie würde gerne einen Frisier- und Nagelsalon in Liberia eröffnen und ihre Kinder zurückholen, die sie bei ihrer ebenfalls geflohenen Schwester im Sudan gelassen hat. Ihre Chancen, den Traum zu verwirklichen sind gering. Sie hat kein Kapital, keine Hilfen. Sie weiß nicht, wie die Lage ihrer Heimat ist, die sie vor sieben Jahren verlassen hat.

Als letzte Station der dreitägigen Afrika-Reise Merkels steht Äthiopien auf dem Plan. Am Sonntag rief der Premierminister aufgrund ethnischer Unruhen und Proteste gegen die Regierung einen sechsmonatigen Ausnahmezustand aus. Für Kanzlerin wird die Kunst darin bestehen, ihren Besuch so zu absolvieren, dass nicht der Eindruck entsteht, sie reise zur Stützung der äthiopischen Regierung an.

(qua)
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