Polit-Blockade bei 15 Billionen Schulden Bankrott in Washington

Washington/Düsseldorf · Viele US-Bürger schauen verächtlich auf das Polit-Establishment in Washington. Warum, ist derzeit besser denn je im US-Schuldenstreit zu beobachten. Abermals ist die US-Politik grandios an sich selbst gescheitert. Das Land kämpft mit Schulden von 15 Billionen Euro. Und dennoch wird geschachert, als gebe es kein Morgen mehr.

 Die Demokratin Patty Murray gesteht am Dienstag zerknirscht das Scheitern des Super-Komitees ein.

Die Demokratin Patty Murray gesteht am Dienstag zerknirscht das Scheitern des Super-Komitees ein.

Foto: dapd, J. Scott Applewhite

Die US-Politik — handlungsunfähig. Der Kongress in Washington blockiert sich selbst. Selbst das im Sommer erdachte "Super-Komitee" brachte keine Lösung. Sechs Republikaner und sechs Demokraten sollten sich auf einen Kompromiss verständige, wie denn in den kommenden zehn Jahren 1,2 Billionen Dollar einzusparen wären. Hinter verschlossenen Türen und unbehelligt vom Trommelfeuer der Medien wie dem an allen Ecken und Enden aufflammenden Wahlkampf.

Die Märkte reagieren

Und dennoch: Das Gremium versagte. Zu tief waren die politischen Gräben, zu groß die Sorgen, mit einem Kompromiss die eigene Klientel verärgern zu können. Trotz "intensiver Überlegungen" hätten es die Mitglieder des sogenannten Superausschusses nicht geschafft, die erheblichen Differenzen zu überbrücken, teilten die Vorsitzenden des Gremiums mit, die Demokratin Patty Murray und der Republikaner Jeb Hensarling.

Die Reaktion an den Märkten folgte prompt. Der Dow-Jones-Index stürzte ab und schloss schließlich mit einem Minus von 2,1 Prozent. Auch bei den Rating-Agenturen verdüstern sich die Einschätzungen. Zwar droht den USA keine unmittelbare Herabstufung der Bonität. Doch erklärte etwa die Ratingagentur Fitch, dass eine Änderung des Ausblicks auf negativ von bislang stabil möglich sei.

Macht zählt mehr als Märkte

Schon zuvor hatte S&P die Bonität der USA herabgestuft und damit ein weltweites Börsen-Beben ausgelöst. Die dritte große Agentur Moodys bewertet die USA auch mit der Bestnote AAA, jedoch mit negativen Ausblick. Das deutet auf eine Herabstufung als nächsten Schritt.

Republikanern und Demokraten dürfte das schwierige wirtschaftliche Umfeld bewusst sein. Aber nicht wichtig genug im politischen Kampf um die Macht. Die Republikaner stemmten sich bei den Verhandlungen gegen Steuererhöhungen. Die Demokraten lehnten Einschnitte in Sozialausgaben für Ältere und Arme ab, solange nicht die reichsten Amerikaner mehr an Abgaben zu leisten hätten.

Es geht nur noch um die Schuldfrage

Inzwischen geht es nur noch darum, dem anderen die Schuld für das Scheitern in die Schuhe zu schieben. "Wir sind nicht hierhergekommen, um wieder einmal die Steuern für die Reichen zu senken", sagte der ehemalige demokratische Präsidentschaftskandidat John Kerry. "Unsere demokratischen Freunde waren nie zu Reformen des Sozialstaats bereit", argumentierte sein republikanischer Widerpart, Senator Jon Kyl aus Arizona.

Zur Blockade kommt noch der Stillstand. Nach dem Offenbarungseid verabschieden sich die US-Politiker in die Feiertage um Thanksgiving. Beobachter aus dem Ausland reiben sich die Augen.

Der Trick zieht nicht

Dabei war das Super-Komitee eine vermeintlich geniale Erfindung, weil mit ihm auch gleich ein Damokles-Schwert über den Köpfen installiert wurde: Gibt es kein Verhandlungsergebnis, soll der Haushalt automatisch um den gewünschten Billionenbetrag zusammengestrichen werden — per Rasenmähermethode an exakt den Stellen, wo es Republikanern oder Demokraten am meisten wehtut.

Besonders betroffen von diesem Automatismus wäre der Verteidigungsetat. Allein dort soll die Hälfte der Milliarden eingespart werden. Ein Fünftel des Etats — weg. Den Republikanern dreht eine solche Vorstellung den Magen um. Ähnlich ergeht es den Demokraten bei anstehenden sozialen Kürzungen, beispielsweise bei der steuerfinanzierten Krankenversicherung für Senioren und Arme ganz ähnlich.

Vereinbarungen sind nicht viel wert

Doch die Sache mit dem Damokles-Schwert hat einen Haken: Die Akteure dürfen davon ausgehen, es selbst abnehmen zu können. Denn die ersten automatischen Haushaltskürzungen sind erst für Anfang 2013 vorgesehen. Das gibt den amerikanischen Politikern genügend Zeit, um den von ihnen selbst gestarteten Sparmechanismus gleich wieder zu stoppen.

Sowohl Demokraten als auch Republikaner haben in der Endphase der Verhandlungen zur Haushaltssanierung deutlich gemacht, dass sie diesen Teil ihrer Vereinbarung in den kommenden Monaten so gut wie möglich untergraben wollen. Schon am Dienstag wurden Rufe laut, den Verteidigungsetat von Kürzungen auszunehmen. Auch aus dem Lager Obamas. Verteidigungsminister Leon Panetta warnte vor verheerenden Folgen.

Obama kündigt Veto an

Während in Europa unter dem Druck der Euro-Krise im Rekordtempo Sanierungspläne verabschiedet werden, spielt die amerikanische Politik also immer noch auf Zeit. Obwohl der Abbau des Staatsdefizits ganz oben auf der Prioritätenliste der amerikanischen Öffentlichkeit steht, haben beide amerikanische Parteien vor dem Präsidentschaftswahljahr 2012 offenbar panische Angst vor Beschlüssen, die ihrer jeweiligen Klientel wehtun könnten.

US-Präsident Barack Obama zeigte sich am Dienstag sichtlich verärgert. Er kündigte an, gegen jeden Versuch die Spar-Automatik außer Kraft zu setzen, sein Veto einzubringen. "Meine Botschaft ist schlicht: Nein", sagte Obama. "Wir müssen den Druck für einen Kompromiss aufrechterhalten".

Auch der Präsident pokert

Freilich nimmt auch Obama längst nicht mehr die überparteiliche Position ein, mit der er sich gerne schmücken würde. Angesichts desaströser Umfragewerte hat sich für den anstehenden Wahlkampf der Abteilung Attacke verschrieben. Nach dem Scheitern des Super-Komitees beschuldigte auch er die Republikaner, sie seien zu keinem Kompromiss bereit gewesen. In den nächsten Monaten wird er versuchen, den politischen Gegner als Blockierer von notwendigen Entscheidungen im nationalen Interesse darzustellen. Die Republikaner hingegen drücken Obama in die Ecke des führungsschwachen Weicheis.

Der Rasenmäher, mit dem sich die US-Politik in den kommenden Wochen herumschlagen wird, hat angesichts der Blockade-Situation durchaus Chancen, den Parteienstreit zu überstehen. Doch dass er jemals die Messer rotieren lassen wird, gehört wohl doch in den Bereich der politischen Phantasie. Spätestens im November 2012, wenn die Sieger der Wahlen feststehen, dürfte die Partei des Siegers ihre Pläne in Gesetze ummünzen.

(pst)
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